Année politique Suisse 1983 : Economie / Agriculture / Tierische Produktion
print
Tierversuche
Obwohl der Initiative «gegen die Vivisektion» von vielen Seiten Zwängerei vorgeworfen wurde und sich im Vernehmlassungsverfahren nur eine Minderheit für das Begehren ausgesprochen hatte, konnten die Vivisektionsgegner bereits im Vorfeld der Abstimmung beträchtliche Erfolge verbuchen: die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften und die Schweizerische Naturforschende Gesellschaft formulierten «Ethische Grundsätze und Richtlinien für wissenschaftliche Tierversuche», wonach solche Versuche nur noch dort zugelassen werden sollten, wo Erkenntnisse auf andere Art nicht möglich sind. Die grossen Basler Chemieunternehmungen stellten Tierschutzbeauftragte ein, und die Interkantonale Kontrollstelle für Heilmittel in Bern lockerte in ihren Vorschriften die Auflagen für gewisse toxikologische Tests und verzichtete auf den umstrittenen Giftigkeitstest LD50i bei dem ein Mittel so lange getestet werden musste, bis die Hälfte der Versuchstiere an Vergiftung gestorben war. Der Bundesrat schliesslich, der die Initiative ablehnte, bewilligte dem Schweizerischen Nationalfonds Kredite von 2 Mio Fr. für ein dreijähriges Forschungsprogramm über Alternativen zum Tierversuch. Der Dachverband «Schweizer Tierschutz» hatte sich zwar gegen die Vivisektionsverbot-Initiative ausgesprochen, er nutzte jedoch den Windschatten des Volksbegehrens, um für eine Verschärfung des Tierschutzes zu plädieren [17]. Nach über zehnjähriger Bearbeitung konnte der Bundesrat dem Parlament das revidierte Bundesgesetz über die Jagd und den Schutz der wildlebenden Säugetiere und Vögel vorlegen. Der 1980 gescheiterten Vernehmlassung Rechnung tragend, schafft das Gesetz einen Kompetenzausgleich zwischen Bund und Kantonen, was allgemein als guter Kompromiss gewürdigt wurde: die Aufsicht über die Tierhaltung wird zur nationalen Aufgabe erklärt, während die Jagd als ehemals landeshoheitliches Recht den Kantonen zukommt [18].
 
[17] Vernehmlassungsverfahren zur Initiative: Presse vom 15.3.83; Suisse, 18.3.83; BaZ, 6.5.83; 30.6.83; NZZ, 26.5.83; 9.7.83; 15.8.83; 15.9.83; SP-Information, 143, 14.7.83; Vr, 19.7.83; Vat., 28.7.83; TA, 22.9.83. Zur Kontroverse der schweizerischen Tierversuchsgegner mit dem Dachverband «Schweizer Tierschutz», der die Initiative nicht unterstützte, vgl. TW, 30.3.83; Vr, 30.3.83; TA, 13.10.83; Suisse, 30.10.83. Richtlinien für Tierversuche : Presse vom 1.6.83. Ablehnung der Initiative durch den BR: Presse vom 20.12.83. Nationalfondsprojekt: Vat., 21.6.83 ; NZZ, 28.6.83. Schweizerischer Tierschutz : BaZ, 13.10.83 ;14.10.83 ; TA, 13.10.83 ; Suisse, 15.10.83. Vgl. auch Ww, 23, 8.6.83; Chr. Neidhart, «Tierversuche», in TAM, 37, 17.9.83; ferner SPJ, 1980, S. 87 f.; 1981, S. 90; 1982, S. 84.
[18] BBl, 1983, II, S. 1197 ff.; Presse vom 28.4.83 und 12.7.83; vgl. SPJ, 1979, S. 80; 1981, S. 92.