Année politique Suisse 1983 : Infrastructure, aménagement, environnement / Transports et communications / Verkehrspolitik
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Verkersabgaben
Die Realisierung der Gesamtverkehrskonzeption würde behindert, falls man bereits vor ihrer Verabschiedung durch das Parlament Massnahmen träfe, welche der geplanten Ordnung zuwiderlaufen. Kein Problem stellte in dieser Hinsicht die verfassungsmässige Neuregelung der Treibstoffzölle dar. Sie bildet — wie bereits erwähnt — vielmehr einen integrierenden Bestandteil der bundesrätlichen GVK. Die im Vorjahr vom Parlament verabschiedete Lockerung der Zweckbindung der Treibstoffzölle fand am 27. Februar die Zustimmung von Volk und Ständen [11]. Künftig dient die Hälfte — anstatt wie bisher 60% — des Grundzolls sowie der gesamte Zollzuschlag der Finanzierung der Bundesaufgaben im Zusammenhang mit dem Strassenverkehr [12]. Ein Teil der im Abstimmungskampf verwendeten Argumente machte den ausgeprägten Kompromisscharakter der Vorlage deutlich. Von den Umweltschutzorganisationen wurde die Verfässungsrevision mehrheitlich abgelehnt. Sie stellten sich auf den Standpunkt, die Beibehaltung der Zweckbindung ermögliche den umweltschädigenden Weiterausbau des Strassennetzes. Andere, ebenfalls dem Umweltschutz verpflichtete Kreise setzten sich demgegenüber für die Verfassungsrevision ein. Ihrer Ansicht nach bringt sie insofern einen Fortschritt, als die gebundenen Zolleinnahmen von nun an auch für Massnahmen zur Verkehrsentflechtung, für den kombinierten Verkehr und für den Umweltschutz verwendet werden dürfen. Für die genannten Kreise ging es bei der Abstimmung nicht um mehr oder weniger Strassen, sondern um die Erhaltung der Einnahmen aus dem Strassenverkehr; von einer Verwerfung der Vorlage befürchteten sie eine umweltpolitisch unerwünschte Verbilligung des Autofahrens. Insgesamt kam den finanzpolitischen Aspekten der Revision in den Diskussionen stärkeres Gewicht zu als den verkehrspolitischen. Einverstanden mit der Lockerung der Zweckbindung waren die Interessenvertreter des öffentlichen Verkehrs, aber auch die Strassenverkehrsverbände (ohne VCS). Die SPS beschloss Stimmfreigabe; auf kantonaler Ebene einigten sich die SP-Sektionen jedoch mehrheitlich auf die Ja-Parole. Alle grossen bürgerlichen Parteien empfahlen die Annahme [13]. Angesichts dieser Ausgangslage vermochte der positive Entscheid des Schweizer Volkes nicht zu erstaunen. Wichtigstes Entscheidmotiv der Stimmbürger war gemäss einer Meinungsumfrage der Wille, die Sanierung der Bundesfinanzen voranzutreiben [14]. Nach dem 27. Februar nahm das EDI in zügiger Art und Weise die Ausführungsgesetzgebung in Angriff. Schon im Juli konnte die Landesregierung den Entwurf eines Bundesbeschlusses in die Vernehmlassung schicken, der die Verwendung der Zolleinnahmen im einzelnen .regeln soll. Fast 80 Stellungnahmen von Kantonen, Parteien und Verbänden trafen ein. Grundsätzlich ablehnend äusserten sich Umweltschutzorganisationen, die ihre Anliegen für nicht genügend berücksichtigt hielten.
In Einzelfragen wurde aber auch von anderer Seite Kritik laut. Die Kantone wehrten sich gegen die vorgesehene Kompensation der ihnen infolge der Verfassungsrevision zusätzlich zufliessenden Treibstoffzoll-Gelder; nach Auffassung des Bundesrates könnte diese Kompensation die Form einer Beteiligung der Kantone am Defizit des öffentlichen Regionalverkehrs annehmen. Kein Konsens herrscht auch hinsichtlich der Kompetenz des Bundesrates, die für die einzelnen Aufgaben bestimmten Anteile am Zollertrag festzulegen [15]. Die Auseinandersetzung um die Ausführungsgesetzgebung spielt sich vor dem Hintergrund der hängigen Initiative des TCS für die Zweckbindung der Treibstoffzölle ab. Der Automobilistenverband zog das als Druckmittel dienende Volksbegehren auch nach dessen Ablehnung durch die Landesregierung nicht zurück [16].
Als Übergangslösung bis zur Verwirklichung der GVK ist die geplante Erhebung zweier neuer Verkehrsabgaben gedacht. Mit dem Abschluss der Differenzenbereinigungsverfahren in den eidgenössischen Räten ging ein vierjähriges parlamentarisches Seilziehen um diese Vorlagen zu Ende. Die Volksabstimmung über die vorgeschlagenen Teilrevisionen der Bundesverfassung — Einführung einer Autobahnvignette einerseits und einer Schwerverkehrsabgabe andererseits — wurde für 1984 vorgesehen. Der Vignette käme die Funktion einer pauschalen Gebühr für die Benützung der schweizerischen Nationalstrassen zu; pro Auto und Jahr wären 30 Fr. zu entrichten. Demgegenüber soll die Schwerverkehrsabgabe in Abhängigkeit vom Gewicht des Fahrzeugs erhoben werden und zwischen 500 und 3000 Fr. betragen. Während die Räte bei der Vignette nur geringfügige Divergenzen zu beseitigen hatten, war der Weg zur Verabschiedung der Schwerverkehrsabgabe erst nach einem substantiellen Nachgeben des Ständerates frei. Die kleine Kammer rückte von ihrer Forderung nach einer definitiven Verfassungsbestimmung ab; sie schloss sich der Version des Nationalrates an, der auf der Befristung der Schwerverkehrsabgabe auf längstens 10 Jahre beharrte. Ohnehin scheint das Ziel vorläufig nicht erreichbar zu sein, die Abgabe so zu bemessen, dass der Schwerverkehr seine Kosten deckt. Die Auseinandersetzungen über die «richtige» Strassenrechnung dauerten im Berichtsjahr an. Es waren denn auch eher finanz- als verkehrspolitisch motivierte Argumente, die zugunsten der neuen Steuern ins Feld geführt wurden. Vorrangiges Anliegen der meisten Befürworter stellte die Erschliessung einer Einnahmequelle für den Bundeshaushalt dar. Die beiden Abgaben sollen der Eidgenossenschaft rund 400 Mio Fr. einbringen. Demgegenüber ist von ihnen keine markante Änderung der Konkurrenzsituation zwischen Schienen- und Strassenverkehr zu erwarten. Opposition erwuchs dem Vorhaben, die Fahrzeughalter vermehrt fiskalisch zu belasten, von der Seite der Strassenverkehrsverbände [17].
 
[11] Die Verfassungsrevision wurde mit 679 134 Ja gegen 609 871 Nein gutgeheissen; von den Ständen nahmen deren 15'2 an (BBl, 1983, II, S. 295). Die neuen Bestimmungen traten auf den 1.5.1983 in Kraft (AS, 1983, S. 444 f. ; BaZ, 28.4.83).
[12] Für eine detailliertere Darstellung der Zweckbindung vgl. SPJ, 1982, S. 96 f.
[13] Zur Argumentation von Befürwortern und Gegnern im allgemeinen vgl. JdG, 16.2.83; vgl. auch NZZ, 19.2.83. Umweltschutzorganisationen: NZZ, 28.1.83; 8.2.83; Lib., 19.2.83. Interessengemeinschaft öffentlicher Verkehr: NZZ, 23.2.83. SPS: SP-Information, 131, 17.1.83; 132, 31.1.83; 133, 14.2.83; TW, 11.2.83. FDP, SVP und CVP: NZZ, 24.1.83; 24 Heures, 24.1.83; BaZ, 7.2.83; SGT, 7.2.83.
[14] Vox, Analysen eidgenössischer Abstimmungen, 27.2.83, S. 23.
[15] NZZ, 14.7.83; 20.8.83; LNN, 17.9.83. Vgl. SGB, 29, 6.10.83 sowie LITRA, Jahresbericht, 1982/83, S. B. Siehe auch F. Endtner, «Stand der Gesetzgebung zur Neuverteilung der Treibstoffzölle », in Jahrbuch der Schweiz. Verkehrswirtschaft, 1983, S. 57 ff.
[16] Suisse, 27.10.83; 24 Heures, 27.10.83. Vgl. SPJ, 1982, S. 97.
[17] Vignette: Amtl. Bull. NR, 1983, S. 593 f. und 1054; Amtl. Bull. StR, 1983, S. 383; BBl, 1983, II, S 708. Schwerverkehrsabgabe: Amtl. Bull. NR, 1983, S. 585 ff. und 1054; Amtl. Bull. StR, 1983, S. 250 f. und 383; BBl, 1983, II, S. 706; Suisse, 16.6.83; TW, 16.6.83; Vat., 16.6.83. Zur Strassenrechnung siehe Die Volkswirtschaft, 56/1983, S. 498 ff.; vgl. wf, Dok., 50, 12.12.83 und LITRA, Jahresbericht, 1982/83. S. 16 ff. Der Verkehrs-Club der Schweiz und die Schweiz. Gesellschaft für Umweltschutz erarbeiteten eine eigene Strassenrechnung: Stellungnahme des VCS und der SGU zur Überprüfung der Strassen- und Kategorienrechnung durch die Kommission zur Überprüfung der Strassenrechnung, Herzogenbuchsee 1983; vgl. auch SPJ, 1982, S.97 f. Strassenverkehrsverbände: NZZ, 29.6.83.