Année politique Suisse 1983 : Infrastructure, aménagement, environnement / Sol et logement
 
Raumplanung
In der Raumplanung machten sich 1983 gewisse Krisentendenzen bemerkbar. Auf kantonaler, regionaler und kommunaler Ebene wurde weiter an der Ausführung des 1980 in Kraft gesetzten eidgenössischen Raumplanungsgesetzes (RPG) gearbeitet. Nach diesem Gesetz sollten bis Ende 1984 dem Bundesrat sämtliche kantonalen Richtpläne zwingend zur Genehmigung vorgelegt werden. Die Mehrheit der Kantone dürfte diese Frist jedoch deutlich überschreiten. Bislang war nämlich einzig der Kanton Graubünden in der Lage, um die entsprechende Bundesbewilligung nachsuchen zu können (Ende 1982 erteilt). Anderseits verfügen inzwischen alle Kantone über die nötigen Einführungsvorschriften zum RPG. Die laut Gesetz nicht aufschiebbaren Massnahmen bezüglich der haushälterischen Nutzung des Bodens sowie der konsequenten Trennung zwischen Bau- und Nichtbaugebiet können somit im ganzen Land sofort durchgesetzt werden. Ferner haben über 20 Kantone ihre Bau- und Planungsgesetze im Hinblick auf die Anforderungen der Raumplanung bereits revidiert oder aber entsprechende Projekte ausgearbeitet [1]. Als wegweisend, was die Mitsprache der Bevölkerung anbelangt, kann das Vorgehen des Kantons Luzern gelten, der schon den Grundlagenbericht zur Richtplanung in die öffentliche Vernehmlassung geschickt hat und nicht erst den fertig ausgearbeiteten Plan. Eine 1981 von der SVP im Kanton Zürich eingereichte Volksinitiative, die den Zwang zur Erstellung regionaler und kommunaler Richtpläne aus dem Planungs- und Baugesetz von 1975 gestrichen sehen wollte, drang im Parlament zwar nicht durch, vermochte aber einen Gegenvorschlag mit wesentlichen Zugeständnissen herbeizuführen. Im Rahmen des Europarates wurde im Mai eine Raumordnungscharta mit empfehlendem Charakter verabschiedet, der die schweizerische Raumplanung als Beispiel diente [2].
Die hohe Dringlichkeit der Raumplanung ergibt sich aus der Tatsache, dass in der Schweiz jährlich rund 30 km2 Kulturland neu verbaut werden. Volle 16% des theoretisch besiedelbaren Raums sind in diesem Sinn bereits verbraucht. Es ist zudem ungewiss, ob die zur allfälligen Sicherstellung der Ernährungsbasis nötige Gesamtfläche an landwirtschaftlich nutzbarem Boden «planungsrechtlich» überhaupt noch existiert. Bundesrat Friedrich sprach sich denn auch dafür aus, dem Kulturland einen ähnlichen Schutz zu verschaffen wie dem Wald. Vom Präsidenten des Bauernverbandes wurde die Frage einer rigorosen Verkleinerung der überdimensionierten Bauzonen aufgeworfen. Nicht minder besorgt äusserte sich auch der Geschäftsleiter der Schweizerischen Stiftung für Landschaftsschutz. Im Kanton Genf, wo das Agrarland langsam knapp wird, meldeten die Bauern ihren Widerstand gegen eine Umzonung zugunsten von Mehrfamilienhäusern an. Für diesen Zweck sollten nach Meinung des Direktors der Genfer Landwirtschaftskammer eher bereits bestehende Villenzonen verwendet werden [3]. Weitere Bemühungen auf kantonaler Ebene galten dem Schutz der Landwirtschaft innerhalb der Bauzonen sowie der Bewahrung natürlicher Landschaften [4]. Ein schwerwiegendes Problem stellt seit dem Inkrafttreten des RPG das zunehmend regere Bauen in den Landwirtschaftszonen dar. Eine Erhebung über die Bewilligungspraxis gegenüber entsprechenden Bauvorhaben nach Artikel 24 RPG stiess allerdings bei gewissen Kantonen auf wenig Gegenliebe. Als weiteres Übel ist sodann auch die mancherorts immer üblicher werdende illegale Bautätigkeit ausserhalb der Bauzone zu nennen [5]. Als Beitrag zu einer möglichst haushälterischen Nutzung der zur Überbauung gelangenden Grundstücke fanden verdichtete Wohn- und Siedlungsformen bei den Gemeinwesen zunehmend Beachtung [6].
Bezüglich der Entwicklung der Städte machten sich recht widersprüchliche Interessen bemerkbar. Viele Bau- und Planungsvorhaben, die von den einen aus vorwiegend wirtschaftlichen Überlegungen heraus sehr begrüsst wurden, stiessen bei andern aus Griinden des Umwelt-, Natur- und Heimatschutzes, der Erhaltung von Wohnraum, wohnlichen Quartieren usw. auf entschiedene Ablehnung. Aus Sorge um die wachsenden ungelösten Probleme des urbanen Siedlungsraumes überwies der Nationalrat im Juni das Postulat Loretan (fdp, AG) für die Verwirklichung eines entsprechenden nationalen Forschungsprogramms. Da die Städte vor allem unter dem Auszug der Einwohner und Steuerzahler ins Grüne leiden, würden sie sich gerne ihre zentralen Leistungen von den Nachbargemeinden abgelten lassen [7]. In der Stadt Zürich scheiterte auch der dritte Anlauf zur Verwirklichung der Richtplanung. Der betreffende von den bürgerlichen Parteien im Parlament durchgesetzte Gesamtplan, der in der Volksabstimmung durchfiel, war von der Linken und vom Landesring als einseitig expansionistisch bekämpft worden. Völlig überraschend stimmten die Stadtzürcher dagegen der Volksinitiative der Nationalen Aktion (NA) von 1980 zur «Erhaltung der öffentlichen Grünflächen» zu, die von fast sämtlichen übrigen Parteien (Stimmfreigabe durch POCH), weil unrealistisch, zur Ablehnung empfohlen worden war [8]. Ähnlich wie in Zürich wurde auch in andern Städten verstärkt um die Erhaltung von Grünflächen gerungen [9]. Weitere Bemühungen hatten die Beruhigung des Quartierverkehrs sowie die Errichtung von Wohnstrassen und Fussgängerzonen zum Ziel [10]. Noch viel zu reden geben dürften schliesslich die vorgesehenen Bahnhoftiberbauungen in den Städten Zürich und Basel, die insbesondere dem Dienstleistungssektor zugute kommen würden [11].
 
[1] Stand und Zweck der Raumplanung: Presse vom 2.8.-3.8.83 und NZZ, 30.12.83 (Vollzugskrise); vgl. SPJ, 1982, S. 106 f ; SR, 700. Zur Raumplanung siehe ferner: Sondernummer «Nutzungsplanung», Dokumente und Informationen zur Schweizerischen Orts-, Regional- und Landesplanung, 1983, Nr. 69/70; M. Lendi (Hg.), Elemente zur Raumordnungspolitik, Zürich 1983.
[2] Luzern: Vat., 16.9.83. Zürich: NZZ, 4.6.83; 16.9.83; 8.11.83; Charta: Vat., 28.12.83; JdG, 30.12.83; Raumplanung, Informationshefte (Bundesamt für Raumplanung), 1983, Nr. 4, S. 3 f.
[3] Problematik Kulturland: Vr, 13.4.83; Presse vom 2.8.83 und 25.11.83 (Friedrich); NZZ, 30.12.8.3 sowie «Konflikte zwischen Bauzonen, Landwirtschaft und Landschaftsschutz», in Plan, 1983, Nr. 5, S. 30 ff. Rückzonung: Vat., 18.3.83; Bund, 19.3.83; LNN, 3.8.83. Genf: Suisse, 1.3.83; SGT, 16.3.83.
[4] Zum See- und Flussuferschutz: SPJ, 1982, S.117 sowie unten, Teil I, 6d (Natur- und Heimatschutz). Übriges: Bund, 5.3.83; 29.7.83; 18.8.83; TLM, 19.4.83; SZ, 21.5.83.
[5] Presse vom 21.7.83; Raumplanung, Informationshefte (Bundesamt für Raumplanung), 1983, Nr. 2, S. 3 ff. (Bundesgerichtspraxis zu Artikel 24 RPG). Wildes Bauen: TA, 30.5.83; TLM, 8.9.83.
[6] NZZ, 29.10.83; Plan, 1983, Nr. 9, S. 7 ff.; W. Gottschall / H. Remund, Verdichtete Wohn- und Siedlungsformen. Empfehlungen zur Planungs- und Baubewilligung, Bem 1983.
[7] Postulat: Amtl. Bull. NR, 1983, S. 1000 f.; JdG, 23.3.83; NZZ, 24.6.83. Probleme der Städte: H.-C. Bächtold, «Die Entwicklung der schweizerischen Grossstädte 1970-1980», in Dokumente und Informationen zur Schweizerischen Orts-, Regional- und Landesplanung, Lausanne 1983.
[8] Richtplan: NZZ, 17.3.83; 5.12.83; Vr, 23.11.83; 5.12.83; TA, 22.12.83. Initiative der NA: TA, 17.2.83; NZZ, 24.2.83; 28.2.83; BaZ, 24.3.83; 7.11.83. Alle dem Bund, dem Kanton oder der Gemeinde gehörenden Grünflächen auf dem Stadtgebiet sollen der Freihaltezone zugeteilt werden, womit horrende Entschädigungsforderungen verbunden wären.
[9] Opposition gegen Bauprojekt des Internationalen Olympischen Komitees und Ablehnung eines Quartiererweiterungsplans in Lausanne (IOK: vgl. unten, Teil I, 7b, Sport ; Quartierplan : 24 Heures, 30.11.83; 5.12.83). Schutz von Gärten in Basel und Bern: BaZ, 7.9.83; Bund, 30.11.83.
[10] Quartierverkehr: Vgl. oben, Teil I, 6b (Agglomerationsverkehr); TW, 17.2.83; BaZ, 18.3.83; Plan, 1983, Nr. 6, S. 6 ff. (Parkplatz-Anforderungen in der Stadt Luzern). Wohnstrassen: NZZ, 8.1.83 und TLM, 6.4.83 (Versuchsreihe auf Bundesebene); Suisse, 21.1.83; JdG, 26.1.83 (erste Wohnstrasse in Genf); 24 Heures, 16.3.83 (Ausstellung); Presse vom 27.7.83 (Vernehmlassung zu bundesrätlichen Weisungen an Kantone); Plan, 1983, Nr. 9, S. 11 ff. Fussgängerzonen: TA, 14.1.83 und 24.5.83 (Winterthur); 2.5.83 (Zürich); Bund, 25.1.83 i,Schaffhausen); Suisse, 2.4.83 (Freiburg); JdG, 10.9.83 und 14.12.83 (Lancierung einer Initiative in Genf).
[11] Ww, 36, 8.9.83; BaZ, 28.11.83; Vr, 9.12.83.