Année politique Suisse 1983 : Politique sociale / Santé, assistance sociale, sport
Sozialhilfe
Im Bereich der Fürsorge erklärte sich der Bundesrat in seiner Botschaft zu der 1980 eingereichten Volksinitiative «zur
Entschädigung der Opfer von Gewaltverbrechen» mit dem Zweck derselben einverstanden. Wegen gewisser Mängel stellte er ihr dennoch einen eigenen Vorschlag gegenüber. Nach geltendem Recht kann das Opfer in der Regel Entschädigungsansprüche gegenüber dem Täter, Privatversicherern und/oder Sozialversicherungen geltend machen. Recht oft kommt es jedoch vor, dass ein Täter zahlungsunfähig, unbekannt oder flüchtig ist. Zudem kann es Jahre dauern, bis ein vollstreckbares Urteil vorliegt. Dass nun der Bundesrat den Opfern nicht nur von vorsätzlichen, sondern von allen Gewaltverbrechen beistehen, d.h. eine grosszügigere Regelung als das Volksbegehren treffen möchte, stellt in der Initiativgeschichte ein Novum dar. Neben materieller soll zusätzlich auch moralische Hilfe geleistet werden. Die materielle Unterstützung wäre aber nur für Personen bestimmt, die infolge einer Straftat in ernsthafte wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, und würde bloss die von anderer Seite erfolgenden Leistungen ergänzen bzw. bis zu deren Zahlung ersetzen. Die Hauptlast der Hilfe hätten dabei nach der vom Bundesrat bevorzugten Version die Kantone zu tragen. Das vorgeschlagene Projekt ist auch als Gegenstück zu den Bemühungen um eine Humanisierung des Strafvollzuges zu verstehen
[17].
Eine Untersuchung der Universität Bern ergab, dass in der Schweiz recht viele der
geistig schwer Behinderten im Alter von 18-30 Jahren in ungeeigneten Institutionen untergebracht sind. Von den rund 60%, die ausserhalb ihrer Familien leben, dürften ein bis zwei Fünftel fehlplaziert sein. Der grösste Teil von ihnen vegetiert in psychiatrischen Kliniken und Altersheimen dahin. Andere wiederum sind in Chronischkrankenheimen oder gar Spitälern anzutreffen. Den Behinderten fehlt die notwendige Förderung, um den während der Jugend in den gut ausgebauten Sonderschulen und Schulheimen erworbenen Grad an Selbständigkeit zu erhalten. Die Auftraggeberin der Untersuchung, die Schweizerische Vereinigung der Elternvereine für geistig Behinderte, verlangt nun von den Behörden dringende Massnahmen zur Behebung des aufgezeigten Missstandes
[18]. An einer vom Vorsteher des EDI einberufenen Tagung diskutierten 20 interessierte Organisationen über die Einführung einer Eidgenössischen Behindertenkommission. Zur Ausarbeitung konkreter Vorschläge wurde ein Ausschuss eingesetzt. Die anhaltende wirtschaftliche Rezession, verbunden mit einschneidenden Rationalisierungsmassnahmen, führte 1983 zu einer deutlichen Verschlechterung der Position der körperlich und geistig Behinderten auf dem Arbeitsmarkt, was sich auch ungünstig auf ihre materielle Lage auswirkte. Ebenfalls infolge der Rezession gab es in der Stadt Zürich 1982 mehr als doppelt so viele Fürsorgefälle wie noch 1972, während in Bern die Kosten für die Armenfürsorge allein von 1981 bis 1982 um 23% stiegen. Die von privaten Vereinen getragenen Schulen für Sozialarbeit wandten sich gegen eine im Rahmen der Aufgabenneuverteilung beabsichtigte Streichung der für sie bestimmten. Bundessubventionen. Ferner setzten sie sich dafür ein, endlich mit einer entsprechenden gesetzlichen Regelung auf gesamtschweizerischer Ebene anerkannt zu werden
[19].
[17] Vgl. SPJ, 1982, S. 128; BBl, 1983, III, S. 869 ff. (Botschaft); Presse vom 7.7.83. Die Opfer von Gewaltverbrechen werden bereits in mehreren europäischen Ländern entschädigt; im Europarat ist eine entsprechende Konvention ausgearbeitet worden. Der BR rechnet mit 50-100 Entschädigungsfällen pro Jahr.
[18] Presse vom 19.10.83. Bei den Angaben handelt es sich um Zwischenergebnisse der Untersuchung.
[19] Kommission: BaZ, 18.2.83; NZZ, 26.4.83; 29.4.83. Arbeitsmarkt: BaZ, 19.3.83; 18.6.83; Suisse, 4.9.83; 8.11.83 ; 24 Heures, 26.10.83 ;13.11.83 ; Bund, 14.12.83 ;15.12.83 ; 19.12.83. Fürsorge: Bem (Bund, 30.3.83 ; NZZ, 9.6.83 ; Vr, 27.10.83); Zürich (TA, 15.11.83). Zur Obdachlosigkeit vgl. oben, Teil I, 6 c (Wohnungsbau). Schulen für Sozialarbeit: BaZ, 15.1.83; TAM, 34, 27.8.83.
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