Année politique Suisse 1983 : Politique sociale / Assurances sociales
 
Arbeitslosenversicherung
Ein Jahr nach dem Kapitel über die Insolvenzentschädigung traten Anfang 1984 auch die übrigen Bestimmungen des neuen Gesetzes über die Arbeitslosenversicherung (AVIG) in Kraft. Die Übergangsordnung von 1977 wurde damit hinfällig, und die Ende 1983 ausgesteuerten Arbeitslosen erhielten erneut einen Anspruch auf Taggelder, sofern sie für die beiden Jahre 1982 und 1983 eine Beitragsdauer von insgesamt mindestens 6 Monaten nachweisen konnten. Um zu verhüten, dass einige hundert Arbeitslose bereits ab August 1983 ausgesteuert würden, hatten die eidgenössischen Räte den Bundesrat noch im Juni im Dringlichkeitsverfahren und ohne Gegenstimme ermächtigt, die Höchstzahl der Taggelder für das Jahr 1983 bis auf 240 zu erhöhen. Von dieser Kompetenz machte die Regierung dann nach den Sommerferien rückwirkend auf den 1. August in differenzierter Weise Gebrauch. Die allgemeine Höchstbezugsdauer wurde von 150 auf 210 Tage heraufgesetzt, jene für bedrohte Regionen (Uhrenindustrie), Invalide und Personen ab 55 Jahren von 180 auf 240. Der SGB hätte es allerdings gerne gesehen, wenn die Höchstdauer generell auf 240 Tage ausgedehnt worden wäre [17]. Die mit der Einführung des AVIG verbundenen Mehrleistungen sowie die angestiegene Arbeitslosigkeit (Versicherungsdefizit 1982: 63,4 Mio Fr.) machten schliesslich auch eine Anhebung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge von zusammen 0,3 auf 0,6% pro 1984 notwendig. Diese Verdoppelung geschah gegen den Willen der Unternehmerschaft, die sich auf einen Satz von lediglich 0,5% eingestellt hatte [18].
Die endgültige Fassung der Vollziehungsverordnung zum AVIG fiel gegenüber dem ursprünglichen Text für die Arbeitslosen in verschiedenen Punkten etwas milder aus. Die SP und der SGB, die in einer gemeinsamen Vernehmlassung am vorgelegten Entwurf eine Überbetonung der Missbrauchsbekämpfung sowie den mangelnden Spielraum der Arbeitsämter und Arbeitslosenkassen kritisiert hatten, waren damit aber keineswegs zufriedengestellt. Für die Unternehmer und die bürgerlichen Parteien war dagegen bereits der Vernehmlassungsentwurf zu versichertenfreundlich ausgestaltet gewesen. Die gewerkschaftlichen Postulate, die aufgrund der Vernehmlassung noch berücksichtigt wurden, betrafen hauptsächlich die Stempelpflicht und die Karenztage. Bezüglich der Stempelpflicht (mindestens zweimal pro Woche) wurde eine Reihe von Ausnahmen und Erleichterungen beschlossen. Nach 75 Tagen Arbeitslosigkeit haben die Versicherten Anspruch auf 5 stempelfreie Bezugstage, die frei gewählt und zu eigentlichen Ferien kumuliert werden können. Wer nach dem Abschluss der Schule bzw. nach der Berufsausbildung arbeitslos ist, muss höchstens 20 Tage warten, bis er ein Taggeld erhält. Für Saisonarbeiter und Angehörige von Berufen mit häufig wechselnden Anstellungen wurde die Karenzfrist nicht wie ursprünglich geplant auf 10, sondern auf 5 Tage festgelegt [19].
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U.A.
 
[17] Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung (AVIG): Presse vom 1.3.83; vgl. SPJ, 1982, S. 134 f ; ferner SPJ, 1977, S. 122 f. Neuer Anspruch: BaZ, 7.10.83; TLM, 7.10.83. Erhöhung der Höchstzahl der Taggelder: BBl, 1983, II, S. 271 ff. ; Amtl. Bull. NR, 1983, S. 721 ff.; Amtl. Bull. StR, 1983, S. 288 f. ; Presse vom 24.3.83 ; NZZ, 26.5.83 (NR-Kommission); 31.5.83 (StR-Kommission); AS, 1983, S. 726 ; ferner Presse vom 18.8.83 (Beschluss des BR und Hinweis auf Arbeitslosenzahl). Zum Nachweis der Beschäftigung vgl. SGB, 1, 13.1.83; Amtl. Bull. NR, 1983, S. 1061 (einfache Anfrage Tochon, cvp, GE). Zur Arbeitslosigkeit vgl. insbesondere oben, Teil I, 7a (Marché du travail) sowie SPJ, 1982, S. 120 f.
[18] Defizit: Die Volkswirtschaft, 56/1983, S. 16*. Erhöhung der Beiträge: Presse vom 30.6.83. Vgl. auch Interpellation der SP-Fraktion über die Lage der Arbeitslosen (Amtl. Bull. NR, 1983, S. 1450 ff.).
[19] Presse vom 1.3.83 und 1.9.83; SGB, 24, 1.9.83; SAZ, 36, 8.9.83. Zur Vernehmlassung vgl. ferner SAZ, 28/29, 14.7.83; TLM, 15.7.83; SGB, 22, 21.7.83; TW, 28.7.83; NZZ, 2.8.83; BaZ, 16.8.83. Uber Forderungen nach einer Erleichterung der Pflichten der Arbeitslosen beim Nachweis ihrer Bezugsberechtigung vgl. oben, Teil I, 7a (Marché du travail).