Année politique Suisse 1983 : Enseignement, culture et médias / Culture, langues, églises
 
Sprachgruppen
Aber auch andere Massnahmen zielten auf eine Verbesserung des Verhältnisses zwischen den Angehörigen verschiedener Sprache. Der Bundesrat erliess neue Weisungen an die Departemente für eine bessere Berücksichtigung der sprachlichen Minderheiten. Um den berechtigten Einfluss der lateinischen Denkweise zu wahren, sollen anstelle einer blossen Übersetzung vermehrt Texte gleichzeitig auf Deutsch, Französisch und Italienisch erarbeitet werden. Jedes Departement wird zudem angewiesen, bei der Rekrutierung von Personal darauf zu achten, dass das Verhältnis zwischen den Bediensteten verschiedener Sprache nicht nur im Gesamttotal, sondern bis auf die Stufe der einzelnen Ämter demjenigen der Zusammensetzung der Bevölkerung entspricht. Dies gilt es namentlich auch bei der Besetzung höherer Funktionen zu beachten, damit der Stellvertreter oder ein Vizedirektor jeweils eine andere Sprachgruppe repräsentiert als der Direktor eines Bundesamtes. Um dies zu erreichen, sollen bei Wahlen und Beförderungen Angehörige sprachlicher Minderheiten, falls sie untervertreten und die Bewerber gleichwertig qualifiziert sind, vorgezogen werden. Eine Erhebung über die Struktur des Bundespersonals, die sich auf das Jahr 1982 bezieht, hatte ergeben, dass die sprachlichen Minderheiten weniger generell als vor allem in den oberen Lohnklassen untervertreten sind, wobei zwischen den einzelnen Departementen beträchtliche Unterschiede bestehen [8].
Um den Zusammenhalt der verschiedenen Sprachgruppen zu festigen und um in bedrohten Regionen Arbeitsplätze zu schaffen, will der Bundesrat die Frage einer gewissen Dezentralisierung der Bundesverwaltung prüfen. Ein spezielles Statut für Bern als Bundesstadt, wie von einer parlamentarischen Initiative verlangt, wurde vom Nationalrat abgelehnt; die Volksvertretung überwies statt dessen ein Postulat, das eine Prüfung von Verbesserungen und Erleichterungen für die nichtdeutschsprachigen Beamten vorschlägt. Aber auch Vertreter deutschsprachiger Minderheiten formulierten ihre Begehren. So wurde im Parlament des Kantons Freiburg eine Motion eingereicht, die die Gleichstellung der deutschen mit der französischen Sprache in der Verfassung sowie die Garantie der Sprachenfreiheit fordert. In der deutschen Schweiz fand zudem das neudiskutierte Verhältnis zwischen Dialekt und Hochsprache ein gewisses publizistisches Interesse. Als Reaktion auf die seit einigen Jahren rollende Mundartwelle und in Sorge um ein Absinken des Bildungsniveaus und einer Provinzialisierung der Schweiz hatte sich bereits im Vorjahr ein «Verein für die Pflege der deutschen Hochsprache» konstituiert [9].
In grösserer Bedrängnis befinden sich aber unzweifelhaft die sprachlichen Minderheiten im Südosten des Landes. Eine Verbesserung ihrer Situation bringt das neue Bundesgesetz über Beiträge an die Kantone Graubünden und Tessin zur Förderung ihrer Kultur und Sprache, das nun auch vom Nationalrat angenommen wurde. Die Vorlage bildete eigentlich einen Bestandteil der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen, wurde jedoch wegen des Auslaufens der bisherigen Sofortmassnahmen aus Sondermitteln vorgezogen. Sie konnte auf den 1. Januar 1984 in Kraft gesetzt werden, nachdem auch der Bündner Grosse Rat die Voraussetzungen in Form von zusätzlichen kantonalen Beiträgen erfüllt hatte [10].
Verschiedene andere Massnahmen und Absichtserklärungen sollen zur Weiterexistenz des Rätoromanischen beitragen. Der Schweizerische Schulrat beschloss, an der ETH Zürich eine Doppelprofessur mit der Universität für romanische Sprache und Kultur vorzusehen und der Bundesrat verankerte schon Ende 1982 das Rätoromanische als Maturitätsfach in der eidgenössischen Maturitätsverordnung. Er beauftragte im weitem die PTT, im Kanton Graubünden bis Ende 1989 eine spezielle UKW-Senderkette für die Ausstrahlung eines rätoromanischen Radioprogramms einzurichten. Dieses sollte schon ab 1984 zeitlich wesentlich erweitert werden. Im Rahmen des Vorhabens, wichtige Bundestexte in die vierte Landessprache zu übersetzen, erfolgte die Publikation des Raumplanungsgesetzes in ladinischer und surselvischer Version. Für Texte der Kantonal- und Bundesverwaltung bietet sich künftig jedoch die neugeschaffene Einheits-Schriftsprache «Rumantsch Grischun» an, die auf den drei romanischen Hauptidiomen basiert. Der rätoromanische Dachverband Lia Rumantscha/Ligia Romontscha erklärte sich zwar zur Entgegennahme von Übersetzungsaufträgen bereit, möchte jedoch die neue Sprache niemandem aufdrängen und die bestehenden Idiome nicht gefährden. Nachdem ein erster Anlauf für ein Sprachengesetz gescheitert war, gab. die Bündner Regierung nun einem Juristen den Auftrag, sowohl einen Entwurf für eine nderung der Kantonsverfassung als auch für ein Gesetz über die Sprachförderung und Spracherhaltung auszuarbeiten. Sie verabschiedete im weitern eine Botschaft zur Schaffung eines Instituts für rätische Forschung (IRF), dessen Untersuchungsgebiet ganz Graubünden mit seinen drei Sprachregionen umfassen soll [11].
 
[8] Weisungen des BR: BBl, 1983, I, S. 812 ff.; Presse vom 13.1.83. Erhebung: NZZ, 26.11.83; TLM, 26.11.83. Vgl. auch Postulat der CV P-Fraktion betreffend Erhaltung des Sprachfriedens (überwiesen) : Amtl. Bull. NR, 1983, S. 515 f.; SPJ, 1982, S. 155; und Interpellation Roy (chrétien-social indépendant, JU) betreffend Verlagerung von Entscheidungszentren: Amtl. Bull. NR, 1983, S. 1048 f.; 24 Heures, 23.6.83; Lib., 23.6.83. Publikationen zur Sprachsituation: A. Egli, «Den Sprachgraben überbrücken», in Documenta, 1983, Nr. 3, S. 5 f.; C. Lugon, Quand la Suisse française s'éveillera, Genf 1983; P. du Bois (Hrsg.), Union et division des suisses, Lausanne 1.983; P. Waldburger, Brückenschlag zwischen deutscher und welscher Schweiz, Stäfa 1983; Der Staatsbürger, 1983, Nr. 5.
[9] Dezentralisierung : Lib., 5.5.83 ; TLM, 5.5.83 ; Vat., 5.5.83; vgl. SPJ, 1982, S. 155. Parl. Initiative Crevoisier (psa, BE) : Amtl. Bull. NR, 1983, S. 200 ff. ; Suisse, 3.3. 83 ; TW, 4.3.83 ; Ww, 10, 9.3.83. Freiburg: JdG, 4.3.83 ; NZZ, 25.3.83. Dialekt: NZZ, 13.1.83; 11.11.83; 18.11.83; BaZ, 26.1.83; TA, 16.4.83; 30.4.83; Vat., 4.10.83; K. Raeber, «Das Schweizerische Sprachendilemma», in NZZ, 4.6.83.
[10] Amtl. Bull. NR, 1983, S. 716 ff.; BBl, 1983, II, S. 710 f.; AS, 1983, S. 1444 f.; TA, 14.6.83; Bund, 28.9.83; 24 Heures, 28.9.83; CdT, 3.11.83; NZZ, 3.11.83; vgl. SPJ, 1982, S. 154. Publikationen zur Sprachenfrage in Graubünden: W. Catrina, Die Rätoromanen zwischen Resignation und Aufbruch, Zürich 1983; H. R. Dörig / C. Reichenau, 2 ½sprachige Schweiz? Zustand und Zukunft des Rätoromanischen und des Italienischen in Graubünden, Disentis 1982; R. H. Billigmeier, Land und Volk der Rätoromanen, Frauenfeld 1983.
[11] ETH Zürich : NZZ, 22.7.83. Maturitätsverordnung: AS, 1982, S. 2273 f. ; NZZ, 31.3.83. UKW-Senderkette und Radioprogramm: Vat., 8.1.83; 24 Heures, 10.1.83; NZZ, 9.12.83. Raumplanungsgesetz: NZZ, 8.4.83. Rumantsch Grischun: Bund, 5.2.83; 2.5.83; Vat., 20.7.83; NZZ, 21.7.83. Sprachengesetz: Bund, 2.5.83; Vat., 21.10.83; vgl. SPJ, 1981, S. 162. IRF: Vat., 15.12.83.