Année politique Suisse 1984 : Eléments du système politique / Droits, ordre public et juridique
 
Grundrechte
Das Recht auf Leben gehört in unserer Gesellschaft zu den unbestrittenen Grundrechten. Dass das Volksbegehren, welches diesen Grundsatz in der Verfassung verankern will, seit Jahren zu heftigen Kontroversen Anlass gibt, hängt denn auch nicht mit diesem Grundsatz zusammen, sondern mit der im Initiativtext enthaltenen Definition von Lebensbeginn und -ende. Ersterer ist dabei so angesetzt (Moment der Zeugung), dass die Voraussetzungen für eine legale Unterbrechung der Schwangerschaft wesentlich restriktiver gestaltet werden könnten. Wie im Vorjahr der Ständerat, lehnte nun auch der Nationalrat gegen den Willen der CVP und der SVP das Begehren ab und verweigerte ebenfalls dem bundesrätlichen Gegenvorschlag seine Zustimmung. Damit setzte sich die Meinung durch, dass in umstrittenen Fragen der Ethik und Moral ein Konsens in der Bevölkerung sich nicht über bundesstaatliche Verfassungsvorschriften erzielen lässt [1].
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Datenschutz
Angesichts der raschen Verbreitung neuer Informationstechnologien wird der wirksame Schutz des Einzelnen vor der missbräuchlichen Verwendung persönlicher Daten immer dringlicher. Es kann dabei nicht lediglich um eine Kontrolle der Tätigkeit der staatlichen Datensammler gehen, sondern auch die Beschaffung, Verwendung und der Austausch von personenbezogenen Daten durch Private und Firmen erscheint regelungsbedürftig [2]. Dies war jedenfalls auch die Meinung einer Expertenkommission, deren Entwurf zu einem eidgenössischen Datenschutzgesetz zu Jahresbeginn in die Vernehmlassung geschickt wurde. Der Geltungsbereich dieses Gesetzes umfasst Personendateien der Bundesverwaltung und privater Stellen, es ist hingegen wegen der kantonalen Autonomie im Organisationsrecht auf deren Verwaltungen nicht anwendbar. Den erfassten Personen soll ein — allerdings nicht uneingeschränktes — Auskunfts- und Berichtigungsrecht über ihre eigenen Daten zugestanden werden. Im weitern enthält der Gesetzesentwurf eine Umschreibung derjenigen Datenkategorien, die als besonders schützenswert zu gelten haben (u.a. Weltanschauung, Leumund und Gesundheit). Damit die Betroffenen überhaupt wissen, wo Angaben zu ihrer Person gespeichert sind, sollen die Anmeldepflicht und zentrale Erfassung bestimmter Datensammlungen eingeführt werden. Als Kontrollorgan ist eine noch zu bildende eidgenössische Datenschutzkommission vorgesehen [3].
Obwohl die Exponenten der Bundesverwaltung beteuerten, dass mit diesem Gesetz keinesfalls beabsichtigt sei, das Führen von Personendateien durch Private zu verhindern, sondern bloss Missbräuche bekämpft werden sollen, blieben die Wirtschaftsverbände äusserst skeptisch. Zwar seien sie nicht grundsätzlich gegen einen Ausbau des Datenschutzes, im privaten Bereich nehme der Entwurf jedoch zuwenig Rücksicht auf Informations- und Kommunikationsbedürfnisse der Wirtschaft. Der Vorort, der Gewerbeverband sowie die Bankiervereinigung fordern deshalb mit Unterstützung der FDP und der SVP die vorläufige Ausklammerung der Bestimmungen über private Datensammlungen aus dem Gesetz. Gegen die vorgeschlagenen Regelungen für die Bundesverwaltung hatten sie wenig Einwände und bemängelten höchstens, dass diese nicht auch für die Kantone Gültigkeit haben sollen [4]. Zustimmung erhielt der Expertenentwurf von den Organisationen der Arbeitnehmer und der Konsumenten sowie der SPS und der CVP. Dabei wurde von Gewerkschaftsseite betont, dass es sich bei den vorgeschlagenen Regeln nur um allgemeine Minimalbestimmungen handeln könne, die in Gesamtarbeitsverträgen bzw. Betriebsordnungen noch verschärft werden müssten [5].
Obwohl den Kantonen seit 1983 ein Mustergesetz für den Datenschutz in den kantonalen Verwaltungen zur Verfügung steht, sind ihre diesbezüglichen legislatorischen Anstrengungen recht zaghaft geblieben. Immerhin stimmten Parlament und Volk im Wallis einer neuen gesetzlichen Regelung zu und die Kantone Obwalden, Jura und Solothurn gaben entsprechende Entwürfe in die Vernehmlassung [6].
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Soziale Grundrechte
Die explizite Anerkennung von sozialen Grundrechten, wie sie durch die vom Bundesrat vorgeschlagene Ratifikation der Europäischen Sozialcharta hätte vorgenommen werden sollen, vermochte die Hürde des Ständerates nicht zu überspringen. Dem Problem, dass die Schweiz kein Beamtenstreikrecht kennt, mit einer auslegenden Erklärung zum Art. 6 der Charta zu begegnen, schien der Mehrheit der Ständevertreter nicht statthaft zu sein [7].
 
[1] Amtl. Bull. NR, 1984, S. 604 ff. und 1010; Amtl. Bull. StR, 1984, S. 416; SPJ, 1983, S. 15. Speziell zum Schwangerschaftsabbruch siehe unten, Teil I, 7d (Politique familiale).
[2] Siehe dazu Ch. M. Flück, Datenschutz, Basel 1984 sowie J. Rennhard (Hrsg.), Datenschutz: Notwendigkeit oder Panikmache?, Glattfelden 1984. Eine eidgenössische Expertenkommission, die sich mit dem Datenschutz im Medizinalbereich befasste, machte in ihrem Bericht verschiedene Vorschläge für den Ausbau des Persönlichkeitsschutzes der Patienten (vgl. Bund, 14.9.84).
[3] NZZ, 26.1.84. Siehe auch SPJ, 1983, S. 14.
[4] NZZ, 6.9.84 (SVP); 21.9.84 (Vorort); 10.10.84 (SGV); 16.10.84 (Bankiervereinigung); 22.10.84 (FDP). Replik der Verwaltung: NZZ, 26.9.84. Zusammenfassend zur Vernehmlassung siehe auch SZ, 12.10.84.
[5] Willi Egloff, «Acht Marksteine aus gewerkschaftlicher Sicht», in Gewerkschaftliche Rundschau, 76/1984, S. 3 ff.; NZZ, 10.10.84 (CNG); 16.10.84 (Vereinigung Schweiz. Angestelltenverbände, CVP).
[6] SPJ, 1983, S. 14 (Mustergesetz). NF, 23.3.84; 29.3.84; 27.6.84; 29.6.84 und 23.9.84 (VS). SZ, 4.2.84 (SO). Vat., 24.8.84 (OW). JdG, 28.9.84 (JU). Als Pionierkanton gilt GE, das bereits seit 1976 ein Datenschutzgesetz kennt (SPJ, 1976, S. 16).
[7] Amtl. Bull. StR, 1984, S. 28 ff. Vgl. dazu auch unten, Teil I, 2 (Intégration européenne) sowie SPJ, 1983, S. 15 und 51.