Année politique Suisse 1984 : Economie / Politique économique générale
 
Konjunkturlage
Die sich seit der Mitte des Vorjahres abzeichnende Verbesserung der Konjunkturlage setzte sich 1984 fort. Gemäss ersten offiziellen Schätzungen stieg das reale Bruttosozialprodukt um 2,9% an. Der private Konsum von Gütern und Dienstleistungen entwickelte sich im Rahmen des Vorjahres (+ 1,5%), während sich die Beschaffungen der öffentlichen Haushalte weniger stimulierend auswirkten (+ 3,4%). Deutliche Wachstumstendenzen wiesen die Investitionen auf (+ 6,7 %), wobei die Ausrüstungsinvestitionen — bei Ausklammerung der aussergewöhnlich grossen Flugzeugbeschaffungen des Vorjahres — relativ am stärksten zunahmen. Dank der verbesserten weltwirtschaftlichen Lage und begünstigt durch den tieferen Aussenhandelswert des Schweizerfrankens vermochte nun auch die Auslandnachfrage einen wesentlichen Wachstumsbeitrag zu leisten (+ 5,2 %). Daran waren in erster Linie die Exporte von Gütern (+ 6,0%), hingegen weniger die Dienstleistungsexporte (+ 2,5%) beteiligt. Noch stärker nahmen allerdings die Importe zu (+ 6,5 %), so dass sich ein höheres Handelsbilanzdefizit ergab als im Vorjahr. Der Ertragsbilanzüberschuss dürfte sich jedoch infolge von vermehrten Einnahmen aus den Arbeits- und Kapitaleinkommensbilanzen etwa im Rahmen des Vorjahres halten [4]. Der Vergleich der Aufschwünge nach den vier letzten Rezessionen (untere Wendepunkte 1967, 1972, 1976 und 1982) zeigt, dass zum erstenmal nicht die Exportwirtschaft das Zugpferd der konjunkturellen Erholung darstellt, sondern diese in ihrer Entwicklung zeitlich hinter der Inlandnachfrage nachhinkt. Dies ist in den Augen der wirtschaftspolitischen Behörden ein Anzeichen dafür, dass sich die internationale Wettbewerbsfähigkeit der schweizerischen Wirtschaft verschlechtert hat und deshalb vermehrte Anstrengungen zur Anpassung an den Wandel vor allem im technologischen Bereich erforderlich sind [5].
Der Rückgang der Zahl der Beschäftigten setzte sich, wenn auch merklich abgeschwächt, im Berichtsjahr fort. Der konjunkturelle Aufschwung vermochte demzufolge die durch den Strukturwandel verursachten Beschäftigungsprobleme nicht vollständig zu kompensieren. Im Vergleich zum Vorjahr nahm die Gesamtzahl der Beschäftigten um 8 300 oder 0,4% ab, wobei der Rückgang bei den Männern ausgeprägter war als bei den Frauen. Wie bereits 1983 stagnierte die Beschäftigung im Dienstleistungsbereich, so dass die im industriellen Sektor freigesetzten Arbeitskräfte nicht von ihm aufgenommen werden konnten. Am stärksten vom Personalabbau betroffen war wiederum die Uhrenindustrie (– 7,5%); in der Textilindustrie und im Maschinenbau konnte demgegenüber der Schrumpfungsprozess abgebremst werden (– 0,9% resp. – 1,9% gegenüber je rund -5 % im Vorjahr). Positive Zuwachsraten wiesen andererseits die Chemie, die Holzindustrie und Teile des Baugewerbes auf. Im Dienstleistungssektor expandierten vor allem die Banken, die Versicherungen, der Detailhandel, die PTT sowie der Bereich Unterricht und Forschung. Kennzeichnend für den Strukturwandel ist zudem, dass vom Beschäftigungsrückgang im 2. Sektor in erster Linie das Betriebs- und nicht das Büropersonal betroffen wurde. Die Arbeitslosenzahl stieg im Jahresdurchschnitt auf 35 185 (+ 25,8%) und übertraf in allen Monaten den Vorjahresstand. Die Arbeitslosenquote von 1,2 % am Jahresende blieb aber immer noch deutlich unter den Werten den übrigen Industriestaaten (OECD-Durchschnitt 8,1 %) [6].
Der Index der industriellen Produktion veränderte sich in den meisten Branchen positiv, einzig in der Bekleidungs- und der Maschinenindustrie war er leicht rückläufig (– 2% resp. – 1%). Die Bereiche Textil, Holz, Leder/Kautschuk/Kunststoff, Druck, Chemie und Uhren wiesen demgegenüber Steigerungsraten zwischen 6 und 7% auf; in der Metallindustrie erreichte der mengenmässige Produktionsfortschritt gar 10%. Die Bautätigkeit war namentlich dank einer Zunahme der Renovationsarbeiten im Wohnungsbau ebenfalls etwas grösser als im Vorjahr. Leicht günstiger präsentierte sich die Lage auch im Fremdenverkehr, wo der Kursverlust des Frankens gegenüber dem Dollar die Anzahl amerikanischer Gäste in die Höhe schnellen liess [7].
Die Teuerung hielt sich ungefähr im Rahmen des Vorjahres, wobei die potentiell inflationsfördernde Wirkung des Wertverlustes des Schweizerfrankens durch die sinkende Tendenz der Erdöl- und Rohstoffpreise (auf Dollarbasis) kompensiert wurde. Der Index der Konsumentenpreise erhöhte sich im Jahresmittel um 2,9% (1983: 2,9%), jener der Grosshandelspreise um 3,2% (1983: 0,5%). Bei letzterem fiel, nicht zuletzt wechselkursbedingt, die Preissteigerung bei den Importwaren etwas grösser aus als bei den im Inland produzierten Gütern und Dienstleistungen [8]. Einmal mehr wurde allerdings die Aussagekraft des Konsumentenpreisindexes in Frage gestellt. Namentlich von Seite der Konsumentenvertreter wurde bemängelt, dass dieser die Ausgaben der einkommensschwachen Haushalte nur ungenügend repräsentiere [9].
 
[4] Mitteilungen/Kommission für Konjunkturfragen, Nr. 292, Beilage zu Die Volkswirtschaft, 58/1985, Heft 1. Gemäss diesen neuesten Schätzungen hatte das reale BSP bereits 1983 um 1,0% zugenommen. Vgl. im weitem SNB, Geschäftsbericht, 77/1984, S. 5 ff. und 16 ff.; Gesch.ber., 1984, S. 250 f. und wf, Dok., 9, 4.3.1985. Zum Aussenhandel siehe oben, Teil I, 2.
[5] Gesch.ber., 1984, S. 252 f. sowie Mitteilungsblatt für Konjunkturfragen, 40/1984, S. 65 ff.
[6] Die Volkswirtschaft, 58/1985, S. 95 ff.; Mitteilungen/Kommission für Konjukturfragen, Nr. 293, Beilage zu Die Volkswirtschaft, 58/1985, Heft 3, S. 5; speziell zum Arbeitsmarkt vgl. unten, Teil I, 7a (Marché du travail).
[7] Die Volkswirtschaft, 58/1985, S. 118 ff. ; Mitteilungen/Kommission für Konjunkturfragen, Nr. 293, Beilage zu Die Volkswirtschaft, 58/1985, Heft 3, S. 12 f.; «Tourismus in der Schweiz in Hotels und Kurbetrieben», in Die Volkswirtschaft, 58/1985, S. 218 ff. Zur Lage in den einzelnen Branchen siehe auch SKA, Bulletin, 90/1984, Jahresendausgabe.
[8] Die Volkswirtschaft, 58/1985, S. 4* f., 29 ff. und 4 f. ; SNB, Geschäftsbericht, 77/1984, S. 21 f. Vgl. auch unten; Teil I, 4b (Geldmenge).
[9] Vgl. M. Weber (ldu, ZH) anlässlich der Behandlung des Geschäftsberichtes (Amtl. Bull. NR, 1984, S. 676) sowie das überwiesene Postulat Carobbio, pss, TI (Amtl. Bull. NR, 1984, S. 1930 f.). Ebenfalls als Postulat überwiesen wurde eine Motion von alt NR Räz (svp, BE), welche die Ersetzung des bisherigen Indexes durch einen Preisindex für den Grundbedarf und einen zweiten für den Wahlbedarf forderte (Amtl. Bull. NR, 1984, S. 432 und SPJ 1982, S. 52). Zur Berechnung des Konsumentenpreisindexes und zu dessen Repräsentativität vgl. Die Volkswirtschaft, 57/1984, S. 308 ff. sowie V. Gawronski, «Haushalterhebung des BIGA. Was sagt die Erhebung aus?», in Die Volkswirtschaft, 58/1985, S. 47 ff; vgl. auch unten, Teil I, 7a (Salaires).