Année politique Suisse 1984 : Infrastructure, aménagement, environnement / Protection de l'environnement
 
Abfall
Als Nachwirkung der 1983 abgeschlossenen gesamtschweizerischen Abfallerhebung kam vor allem in Expertengruppen eine Diskussion über die Bewirtschaftung von Abfällen auf [20]. Dabei stehen sich zwei Strategien als Alternativen zur dominierenden, jedoch zunehmend problematischeren Kehrichtverbrennung gegenüber. Einerseits brachten Befürworter einer Abfallverwertung die Kompostierung wieder ins Gespräch oder favorisierten ein wirtschaftlich orientiertes Recycling nicht nur von Glas und Altpapier, sondern auch von Kunststoffen und Altöl. Anderseits wurde angesichts der seit 1970 zweieinhalb Mal so grossen Kehrichtmenge pro Kopf der Bevölkerung eine grundsätzliche Wende angestrebt. Im Sinne einer Kausaltherapie soll Abfall überhaupt vermieden werden. Im Zentrum stehen dabei die Verpackungen sowie ein Verbot von Cadmium, Quecksilber in Batterien, PVC und PCB [21].
In der Öffentlichkeit kam die Diskussion über Abfälle gesamtschweizerisch erst zaghaft auf. Die Kontroverse entzündete sich am Systemwechsel bei den Filtern in Kehrichtverbrennungsanlagen, der mit dem Inkrafttreten der Ausführungsbestimmungen zum Umweltschutzgesetz voraussichtlich zwingend sein wird. Die Befürworter der neuen «Nassreinigung» von Rauchgas wiesen auf die Rückstände an Schwermetallen in der Kaminluft hin, die durch das bisherige Verfahren nicht verringert werden könnten. Ihnen stellten sich nicht nur diejenigen, welche die «Trockenreinigung» als unproblematisch ansahen gegenüber, sondern auch Kritiker, die angesichts der national zu erwartenden Investitionen von rund 500 Mio Fr. und des weiterhin ungelösten Problems der Lagerung der Schlacke in Sondermülldeponien eine Abfallsortierung für lohnender hielten [22]. Zu diesem Zweck wurde in Leibstadt (AG) eine zentrale Versuchsanlage in Betrieb genommen. Auf eine Interpellation von Nationalrat W. Biel (ldu, ZH) hin, der das wirtschaftlich betriebene Recycling von Bundesseite her fördern wollte, äusserte sich der Bundesrat jedoch negativ; die sortierten Komponenten wie Kompost oder Brennstoffe enthielten vorläufig noch zuviele Schadstoffe, um eine Weiterverwendung zu verantworten. Abgewartet werden sollen auch die Ergebnisse eines Grossversuchs in Hinwil (ZH), bei dem Altpapier, Metall und Glas an der Quelle vom übrigen Abfall getrennt eingesammelt werden. In diesem Sinne nahm die Landesregierung auch eine Motion von Nationalrat S. Bircher (sp, AG) als Postulat entgegen [23].
Spürbar nachgelassen hat die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit gegenüber den Dioxin-Fässern aus dem Seveso-Unfall, die in Basel gelagert wurden. Zwar wurde zu Jahresbeginn ein Zeitplan erstellt, wonach im Anschluss an eine Testphase zwischen Oktober und Dezember sämtliches Gift und die verwendeten Hilfsmittel verbrannt werden sollten. Bald schon zeigte sich aber, dass die Annahmen bezüglich der Kapazität und der Sicherheit des Verbrennungsofens nicht genügten, so dass 1984 noch keine Bewilligung für die Vernichtung des gesamten Inhalts der 41 Seveso-Fässer erteilt werden konnte [24].
 
[20] BUS. Abfallerhebung, Bern 1984; vgl. auch SPJ, 1983, S. 131 sowie Bund, 31.1.84; BaZ, 21.4.84.
[21] Überblick: Bund, 23.10.84; NZZ, 14.11.84; TAM, 50, 22.12.84; SUG-Bulletin, 1985, Nr. 1, S. 3 ff. Abfallverwertung: BUS, Kompostierung, Bern 1984 (vgl. auch TA, 10.7.84; SGU-Bulletin, 1984, Nr. 1, S. 16 ff.) sowie Aktion Saubere Schweiz, Abfall und Recycling, Zürich 1984 (vgl. auch NZZ, 20.12.84) und wf, Dok., 4, 23.1.84. Abfallvermeidung: NZZ, 1.11.84; BUS, Cadmium in der Schweiz, Bern 1984 sowie BUS, Ökobilanzen von Packstoffen, Bern 1984 (Presse vom 25.4.84; TA, 24.5.84; 21.9.84).
[22] Zürich: TA, 1.3.84; 9.6.84; TAM, 50, 22.12.84. Bern: BZ, 24.9.84.
[23] NZZ, 1.3.84; 7.6.84; TAM, 50, 22.12.84; Amtl. Bull. NR, 1984, S. 996; S. 1401 ff. (vgl. auch Presse vom 6.11.84).
[24] BaZ, 24.2.84; 28.11.84; 24 Heures, 11.6.84; 18.11.84; vgl. auch SPJ, 1983, S. 130 f.