Année politique Suisse 1984 : Enseignement, culture et médias / Enseignement et recherche
 
Forschung
Der Gegensatz zwischen einer Sparpolitik, welche den Bundeshaushalt in absehbarer Zeit sanieren möchte, und einer Politik der Förderung der Forschung, welche gerade in Zeiten eines wirtschaftlichen Strukturwandels — namentlich auch im Hinblick auf die internationale Konkurrenz — erhöhte Bedeutung besitzt, prägte die parlamentarischen Beratungen zum Bundesbeschluss über die Beiträge an die Institutionen der Forschungsförderung (1984-1987). Im Vorjahr hatte der Ständerat dem bundesrätlichen Kreditvorschlag von insgesamt 783 Mio Fr. zugestimmt, der Nationalrat hingegen hatte den Betrag an den Schweizerischen Nationalfonds (SNF) von 739 Mio Fr. auf 849 Mio Fr. und jenen an die Krebsforschung von 23,6 Mio Fr. auf 26,9 Mio Fr. erhöht. Der Ständerat beharrte auf dem Primat der Haushaltsanierung; nur gerade bei der Krebsforschung hiess er die nationalrätliche Erhöhung gut. Indem er seinen Beschluss als definitiv erklärte, veranlasste er den Nationalrat zum Nachgeben [39]. Ein ähnlicher Interessenkonflikt kam in der Frage des weiteren Einbezugs der Forschungssubventionen in die Sparmassnahmen zum Ausdruck. Während der Ständerat dem Antrag des Bundesrates auf Beibehaltung der 10%igen Kürzung der Forschungsgelder über 1986 (20 Mio Fr. pro Jahr) hinaus folgte, beharrte der Nationalrat auf der Aufhebung dieser Sparmassnahme [40]. Unbestritten war demgegenüber die Beteiligung des Bundes am Forschungszentrum für Mikroelektronik in Neuenburg mit einem Verpflichtungskredit von 42 Mio Fr. (1984-87) und einem Kredit von 12,5 Mio Fr. für den Erwerb von entsprechenden Liegenschaften [41].
Als erheblichen Eingriff in die Freiheit der Forschung empfanden an der Geschichtswissenschaft interessierte Kreise das Urteil des Zürcher Obergerichts gegen die Verfasser einer Publikation über ausserparteiliche Rechtsgruppen in der Schweiz. Der ehemalige Nationalrat und Wirtschaftsberater R. Eibel hatte 1980 gegen die Autoren geklagt, weil er sich unter anderem durch die Behauptung, das Redressement national habe 1936 das Erbe des frontistischen «Bundes für Volk und Heimat» angetreten, in seinen persönlichen Verhältnissen verletzt fühlte. Ein für den Kläger günstiges erstinstanzliches Urteil wurde 1984 vom Zürcherischen Obergericht bestätigt und insofern verschärft, als es Eibel unabhängig vom Wahrheitsgehalt der eingeklagten Äusserungen ein Recht auf Persönlichkeitsschutz zugestand. Verbände aus dem Bereich der Medien und der Geschichtsforschung sowie Historiker, Schriftsteller und Publizisten protestierten entschieden gegen dieses Urteil, weil dadurch eine Bearbeitung zeitgenössischer Fragen unter Nennung von Personen verunmöglicht werde. Die ins Unrecht versetzten Autoren haben ans Bundesgericht appelliert [42].
Um ein Opfer von Publikationszwang und Erfolgsdruck scheint es sich im «Fall Illmensee» an der Universität Genf zu handeln. Die zur Überprüfung der Forschungsarbeiten des umstrittenen Biologieprofessors eingesetzte internationale Untersuchungskommission stellte in ihrem Bericht zwar gravierende Fehler fest, wies aber den Vorwurf der bewussten Fälschung zurück. Obwohl die Universität Genf daraufhin das Anstellungsverhältnis von Prof. Illmensee bestätigte, stellten der SNF und andere Geldgeber ihre Zahlungen ein [43].
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W.S.
 
[39] BBl,1984, I, S. 908 ff. ; Amtl. Bull. NR, 1984, 5.150 ff. ; 281 ff. ; Amtl. Bull. StR, 1984, 5.1;106; NZZ, 1.2.84; 8.2.84; 6.3.84; TLM, 10.3.84; TA, 14.3.84; BaZ, 16.3.84; 21.3.84. Für einen Überblick über die verschiedenen Institutionen von Bildung und Forschung wie auch zur Rolle des SNF in der Forschungspolitik siehe : W. Holl/I. Rieser, Die Forschungspolitik des Nationalfonds im Kontext der schweizerischen Forschungspolitik, Bern 1983. Vgl. ferner Schweizerischer Wissenschaftsrat, Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses/Encouragement de la relève scientifique, Bern 1984; wf, Kurzinformationen, 35, 27.8.84; TA, 6.9.84; Vat., 8.9.84. Siehe auch SPJ, 1983, S. 170.
[40] BBl, 1984, I, S. 1253 ff.; III, S. 1473 ff. ; Amtl. Bull. NR, 1984, S. 877 ff.; 1514 ff.; Amtl. Bull. StR, 1984, S. 556; 567 ff.; 669 f. Vgl. SPJ, 1983, S. 170 wie auch oben Teil I, 5 (Sparmassnahmen).
[41] BBl, 1984, I, S. 1106 ff.; Amtl. Bull. NR, 1984, S. 916; Amtl. Bull. StR, 1984, S. 167 ; NZZ, 1.3.84; 13.4.84; 25.4.84; 14.6.84; Suisse, 1.3.84; 24 Heures, 1.3.84.
[42] J. Frischknecht u.a., Die unheimlichen Patrioten. Politische Reaktion in der Schweiz, Zürich 1979; dies., Die unheimlichen Patrioten. Ergänzungsband 1979-1984, Zürich 1984 (vgl. auch das Vorwort im Ergänzungsband, welches die Auseinandersetzungen mit Eibel darstellt); NZZ, 18.4.84; 19.4.84; 13.11.84 ; 29.11.84 ; 15.12.84 ; Ww, 17, 26.4.84; 28, 12.6.84; Bund, 13.11.84; BaZ, 13.12.84; JdG, 18.12.84; Allgemeine Geschichtsforschende Gesellschaft der Schweiz, Bulletin, 22, Dez. 1984, S. 3 ff. Eibel war 1937-1942 Sekretär des Redressement national.
[43] 24 Heures, 16.2.84; 24.2.84; 25.2.84; 29.2.84; JdG, 17.2.84; 25.2.84;1.3.84 (Stellungnahme des Rektorats) ; 19.3.84; 20.3.84; 23.3.84; 17.4.84; 11.5.84; 19.5.84 (Stellungnahme Illmensees); BaZ, 25.2.84; NZZ, 20.3.84; Ww, 12, 22.3.84; 13, 29.3.84; 19, 10.5.84;.25, 21.6.84. Vgl. auch die grundsätzlichen Artikel zum Problemkreis Seriosität der Forschung und Erfolgsdruck: JdG, 30.5.84; BaZ, 21.7.84; SZ, 16.10.84; sowie A. Fölsing, Der Mogelfaktor — Die Wissenschaftler und die Wahrheit, Zürich 1984; W. Broad / N. Wade, Betrug und Täuschung in der Wissenschaft, Basel 1984. Vgl. ferner SPJ, 1983, S. 170.