Année politique Suisse 1984 : Enseignement, culture et médias / Culture, langues, églises
Kirchen
Das Oberhaupt der Römisch-katholischen Kirche,
Papst Johannes Paul II., weilte vom 12. bis 17. Juni zu einem
Pastoralbesuch in der Schweiz, der ihn nach Lugano, Genf, Freiburg, Kehrsatz, Bern, Flüeli, Sachseln, Einsiedeln, Luzern und Sitten führte
[12]. Trotz minutiösen Sicherheitsmassnahmen gab sich der Papst sehr volksverbunden; in innerkirchlichen Fragen allerdings zeigte er sich eher unnahbar. Unter den Erwartungen etlicher Veranstalter blieb der Publikumsaufmarsch, was teilweise auf die verschiedentlich kritisierte fast lückenlose Fernsehübertragung zurückzuführen sein mag. Die heftigsten Einwände zum Papstbesuch wurden jedoch, namentlich von einigen protestantischen Organisationen, gegen den Empfang durch den Gesamtbundesrat vorgebracht; die Landesregierung rechtfertigte ihr Vorgehen mit dem Hinweis, dass der Papst als Staatsoberhaupt des als Völkerrechtssubjekt anerkannten Heiligen Stuhls empfangen werde
[13]. Um die besondere Situation der Kirche in der Schweiz kennenzulernen, traf sich Johannes Paul II. in organisierten Begegnungen mit Vertretern der Gläubigen, des Klerus, der theologischen Wissenschaft, der Jugend und der Ausländer. Eine ökumenische Dimension seiner Reise ergab sich zudem durch Kontakte mit andern Glaubensgemeinschaften: Der Papst besuchte den Sitz des Ökumenischen Rats der Kirchen in Grand-Saconnex und das orthodoxe Zentrum des Ökumenischen Patriarchats in Chambésy; in Freiburg traf er Repräsentanten des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds und im Ökumenischen Zentrum Kehrsatz begegnete er Vertretern der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen und des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbunds (SEK). Er ermunterte mit Nachdruck die Kirchen, den ökumenischen Dialog fortzusetzen und zu verstärken, und er unterstrich die Selbstveranwortung der Katholischen Kirche der Schweiz in dieser Frage. Zu konkreten Problemstellungen ergaben sich allerdings keine Fortschritte. Wohl im Wissen um entsprechende Schwierigkeiten veröffentlichte die Gesprächskommission der Evangelischen und der Römisch-katholischen Kirche der Schweiz ein Arbeitspapier, das Vorschläge für ein ökumenisches Amtsverständnis enthält und gemeinsame theologische Linien zeichnet; als übergeordnetes Ziel wird die gegenseitige Anerkennung der Kirchen angestrebt
[14].
Die vorgesehene
Neueinteilung der Bistümer hat zumindest vorderhand zu keiner zwischenkirchlichen Verstimmung geführt. Zwar äusserten verschiedentlich landeskirchliche Gremien und Kantonsregierungen Bedenken oder Einwände, wobei die Notwendigkeit einer Neueinteilung auf katholischer Seite selbst am stärksten in Zweifel gezogen wurde, namentlich in den Kantonen, die von der Neuordnung besonders betroffen sind
[15]. Zu den auch im Zusammenhang mit dem Papstbesuch am intensivsten diskutierten innerkirchlichen Fragestellungen zählt diejenige nach dem Priesteramt für Frauen. Eine ausserordentliche Nationalsynode der Christkatholischen Kirche beschloss, das Problem zuerst von einer internationalen Konferenz der altkatholischen Bischöfe behandeln zu lassen. Dagegen soll das Amt des Diakonates nun auch den Frauen offen stehen. Die aus privater Initiative entstandene Schweizerische Evangelische Synode (SES) setzte ihre Diskussionen an zwei weitern Versammlungen in Lausanne und Olten fort. Die Auseinandersetzungen scheinen allerdings erst in regional unterschiedlichem Mass in Gang gekommen zu sein. Eine Neubesinnung ähnlich wie die SES hat auch die von der Evangelisch-reformierten Kirche des Kantons Zürich offiziell initiierte «Disputation 84» zum Ziel
[16].
[12] Artikel im Vorfeld des Besuchs: NZZ, 17.5.84; 23.5.84; 6.6.84; 8.6.84; SGT, 25.5.84; Presse vom 29.5.84; Vat., 2.6.84; BaZ, 5.6.84; 6.6.84; 9.6.84; 12.6.84. Reise: Presse vom 13.-18.6.84 (am vollständigsten in Vat. und Lib.) und vom 29.6.84; vgl. SPJ, 1981, S. 162. In einer Umfrage der BaZ zum Jahreswechsel bezeichneten 6% der Befragten den Papstbesuch als wichtigstes Ereignis des Jahres, vgl. BaZ, 2.1.85.
[13] Kritik am Papstbesuch: NZZ, 2.4.84; 12.4.84; 7.5.84; 17.5.84; 23.5.84; 24 Heures, 2.4.84; 23.5.84; Vat., 19.5.84; TA, 28.5.84; AT, 5.6.84; Bund, 23.5.84; 12.6.84; BaZ, 1.6.84; BZ, 8.6.84. Der SEK distanzierte sich von den übrigen protestantischen Papst-Kritikern. Einfache Anfrage Günter (ldu, BE) zum Papstbesuch: Amtl. Bull. NR, 1984, S. 1025 f.; Presse vom 5.6.84.
[14] NZZ, 24.12.84; Freiburger Zeitschrift für Philosophie und Theologie, 31/1984, Heft 3; vgl. SPJ, 1983, S. 175 f.
[15] SGT, 27.9.84; 6.12.84;AT,13.11.84; Vat., 23.11.84; SZ, 8.12.84; Bund, 17.12.84;21.12.84; vgl. SPJ,1983, S. 176. Publikationen allgemein zur Kirche: Dossier «Katholische Schweiz: Volk und Kirche», in Civitas, 39/1984, S. 148 ff.; L. Carlen, «Zum Verhältnis von Kirche und Staat in der Schweiz nach dem neuen Kirchenrecht», in Civitas, 39/1984, S. 20 ff.; C. Möhl, «Angepasst aufpassen. Überforderte Kirchenpresse?», in Reformatio, 33/1984, S. 50 ff.
[16] Christkatholiken: BaZ, 27.5.84; 1.6.84; 4.6.84; Vat., 4.6.84; AT, 31.10.84; SZ, 10.11.84. SES: 24 Heures, 23.5.84; 4.6.84; 7.11.84; TA, 24.5.84; SGT, 1.6.84; NZZ, 4.6.84; 7.11.84; 19.11.84; Lib., 6.6.84; Vat., 6.6.84; vgl. SPJ, 1983, S. 175. «Disputation 84»: NZZ, 15.2.84; 29.3.84; 27.4.84; 7.5.84; 9.6.84; 6.7.84; 6.8.84; 21.11.84.
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