Année politique Suisse 1985 : Partis, associations et groupes d'interêt / Partis
Freisinnig-demokratische Partei
Die Freisinnig-demokratische Partei (FDP) zeigte kaum jene grössere Geschlossenheit, die ihr Präsident B. Hunziker bei seinem Amtsantritt im Vorjahr als wünschbar erklärt hatte. Der Zürcher Industrielle U. Bremi, der für 1986 zum neuen Präsidenten der freisinnigen Bundeshausfraktion gewählt wurde, trug dieser Tatsache Rechnung und gab der politischen Intensität innerparteilicher Auseinandersetzungen vor einem bloss scheinbaren Konsens ausdrücklich den Vorzug. Bestehende Meinungsverschiedenheiten kamen auch in einem lebhafteren Verlauf der gesamtschweizerischen Delegiertenversammlungen zum Ausdruck. Im Januar unterlag die Opposition gegen eine Kantonalisierung der Stipendien nach langer Diskussion nur knapp, im April diskutierte man mit hoher und reger Beteiligung weiblicher Mitglieder über «Frau und Gesellschaft», und als kontrastreich wurde im August auch die Debatte über Eherecht, Schuljahrbeginn und Innovationsrisikogarantie (IRG) charakterisiert. Gerade die Ja-Parole zum Eherecht liess nicht nur einzelne Kantonalorganisationen, sondern auch die Hälfte der Parteisympathisanten ausscheren
[18].
In den ersten Monaten des Jahres fühlte sich die FDP noch von einer Reihe kantonaler Wahlerfolge getragen. Der freisinnige Politologe U. Klöti warnte freilich davor, die mit dem Wertewandel zusammenhängenden neuen Themen (Umweltschutz, Abrüstung) zu vernachlässigen und sich in einen Neo-Konservativismus zurückzuziehen. Mit der erstmaligen Lancierung einer Volksinitiative bekundete zwar die Landespartei eine ungewohnt offensive Haltung; der Inhalt des Begehrens — höhere Steuerabzüge für Ehepaare und Familien — entsprach aber nicht nur den Wünschen der Ehefrauen und Mütter, sondern auch der neokonservativen Tendenz, den Staat kurz zu halten
[19]. Wahlniederlagen in der Westschweiz bremsten im Herbst den Erfolgskurs. In Genf hatten innere Spannungen bereits im Frühjahr zum Rücktritt des als progressiv geltenden Parteipräsidenten P. Tschopp geführt. In einzelnen Kantonen kam es zu Dissidenzerscheinungen, und zwar auf dem rechten wie auf dem linken Flügel
[20].
[18] Hunziker: SPJ, 1984, S. 216. Bremi: NZZ, 11.12.85; TA, 11.12.85 (Wahl); BZ, 12.12.85 (Intensität und Konsens); vgl. auch TA, 17.4.85. Delegiertenversammlungen: Presse vom 28.1.85 (Stipendien; vgl. oben, Teil I, 8a, Hochschulen); Presse (insbes. TA) vom 22.4.85 (Frau und Gesellchaft); Presse (insbes. NZZ) vom 19.8.85 (Eherecht, Schuljahrbeginn und IRG; vgl. oben, Teil I, 7d, Politique familiale, 8a, Primar- und Mittelschulen und 4a, Strukturpolitik). Gegen die Eherechtsvorlage nahmen die Kantonalparteien von SZ und TG Stellung (Dokumentation im Forschungszentrum für schweiz. Politik). Zum Wahlverhalten der Parteisympathisanten vgl. Vox, Analyse der eidgenössischen Abstimmung vom 22. September 1985, Zürich 1985, S.11.
[19] Wahlerfolge: TA, 17.4.85; vgl. oben, Teil I, 1e. Neue Themen: U. Klöti, «Liberalismus vor neuen Werten und Themen», in Schweizer Monatshefte, 65/1985, S. 185 ff. Volksinitiative: Presse vom 22.4.85; Der Freisinn, Nr. 7/8, Juli/Aug. 1985; 24 Heures, 29.7.85; Presse vom 19.8.85; NZZ, 3.9.85; vgl. oben, Teil I, 5 (Direkte Bundessteuer).
[20] Wahlniederlagen: BZ, 18.12.85; vgl. oben, Teil I, 1e (Kantonale Wahlen, Genf; Kommunale Wahlen, Lausanne). Tschopp: 24 Heures, 7.3.85. Dissidenzerscheinungen : Bund, 22.8.85 (Austritt der Grossrätin R. Bär in BE; vgl. auch TA, 9.8.85); TA, 20.12.85 (Vorbereitung einer von Gewerbekreisen unterstützten wilden Kandidatur des Freisinnigen W. Knabenhans für die Zürcher Stadtexekutive).
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