Année politique Suisse 1985 : Economie / Politique économique générale / Strukturpolitik
print
Innovationsrisikogarantie
Da der Gewerbeverband mit Unterstützung des Vororts erfolgreich das Referendum gegen die Innovationsrisikogarantie (IRG) ergriffen hatte, kam es auf dem Gebiet der Strukturpolitik im Berichtsjahr zu einer Volksabstimmung. Die Fronten waren spätestens seit der Parlamentsdebatte von 1984 bezogen und auch neue Argumente tauchten im Abstimmungskampf keine mehr auf. Von Anfang an war Idar, dass die Auseinandersetzung nicht die an sich geringe Summe zum Thema hatte, die der Staat zur Risikoabdekkung zur Verfügung stellen wollte, sondern die grundsätzliche Frage nach der Rolle des Staates im Wirtschaftssystem [11]. Nach den Befürwortern handelte es sich bei der angestrebten staatlichen Rückversicherung für die Anbieter von Risikokapital zugunsten technologisch fortschrittlicher Projekte um eine wichtige Hilfe für kleinere Unternehmen. Diese Massnahme würde ihrer Meinung nach nicht nur die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Gegenwart förden, sondern auch verhindern helfen, dass die Schweiz künftig im weltweiten Konkurrenzkampf ins Hintertreffen gerät [12]. In den Augen der Gegner sind derartige Stützungsmassnahmen völlig inopportun, da erstens kein technologischer Rückstand der einheimischen Industrie auszumachen sei und zweitens ernsthafte Probleme bei der Finanzierung von erfolgversprechenden Projekten nicht bestehen würden. Die Wirtschaft erwarte vom Staat keine Hilfestellung bei unternehmerischen Investitionsentscheiden, sondern Zurückhaltung in der Steuerpolitik, den Abbau von administrativen Vorschriften und die Förderung der Forschung und Ausbildung [13].
Von den Parteien und Verbänden sprachen sich die CVP, die SP, der Landesring und die PdA sowie die beiden Gewerkschaften SGB und CNG für die Innovationsrisikogarantie aus, FDP, SVP, Liberale, EVP, NA und POCH bekämpften sie ebenso wie der Vorort und der Gewerbeverband [14]. Am 22. September lehnte der Souverän die Vorlage mit 695 288 : 917 507 Stimmen recht deutlich ab. Eine klare Zustimmung ergab sich lediglich in den Kantonen Jura, Neuenburg, Genf und Tessin; damit zeigte sich einmal mehr, dass die deutschsprachige Schweiz staatliche Eingriffe ins Wirtschaftssystem spürbar kritischer beurteilt. Eine Nachanalyse auf Befragungsbasis ergab, dass die Stimmbürger über die IRG zwar angesichts des komplexen Inhalts recht gut informiert waren, dass sie sich in ihrer grossen Mehrheit davon jedoch kaum stark betroffen fühlten [15]. Nach der Abstimmung konnte als Fazit zumindest festgehalten werden, dass die Diskussion über die IRG dazu geführt hatte, dass gewisse Probleme kleiner und mittlerer Firmen bei der Beschaffung von Risikokapital erkannt und von Kantonal- und Geschäftsbanken entsprechende Lösungsmodelle ausgearbeitet worden sind [16].
 
[11] Referendum : BBl, 1985, I, S. 1433 ff. Vgl. SPJ, 1984, S. 86 f. In den meisten westlichen Industriestaaten gibt es IRG-ähnliche Institutionen (Suisse, 14.9.85). Zur direkten und indirekten Unterstützung der Wirtschaft durch den Staat in der Schweiz siehe die Artikelserie in TA, 6.2.85; 8.2.85; 12.2.85; 19.2.85; 22.2.85.
[12] K. Furgler, «Warum die IRG notwendig ist», in Documenta, 1985, Nr. 2, S. 21; SGB, 22, 8.8.85 (W. Jucker); 23, 29.8.85. In der Westschweiz sprachen sich auch einige Unternehmer für die Vorlage aus (Ww, 37, 12.9.85; FAN, 20.9.85).
[13] NZZ, 16.8.85 (Vorort); wf, Dok., 33, 19.8.85; F. Ebner, «Die Innovationsrisikogarantie: eine falsche Weichenstellung», in Schweiz. Monatshefte, 65/1985, S. 395 ff.; E. Tuchtfeldt, Innovation in der Marktwirtschaft, Zürich 1985; W. Hamm, Innovationsförderung gegen den Markt, Zürich 1985; L. von Planta, Mehr Freiraum — weniger Zwänge, Zürich 1985. Im Sinne einer allgemeinen Begünstigung von Risikokapital überwies der NR eine Motion Feigenwinter (cvp, BL), welche unter anderem die Aufhebung bzw. Reduktion der Emissionsabgabe bei der Bildung von neuem Risikokapital bei Aktiengesellschaften verlangt (Amtl. Bull. NR, 1985, S. 1351 ff.). Zur Belastung durch administrative Auflagen siehe U. Hunkeler, Zur Belastung der Klein- und Mittelbetriebe durch staatliche Regelungen, St. Gallen 1985.
[14] Zu den Parolen vgl. Dokumentation im Forschungszentrum für schweizerische Politik, Bern. Abweichende Losungen gaben folgende Kantonalsektionen aus: LdU/SH, CVP/ZG (Nein) sowie FDP/GE, SVP/GR, LP/NE, EVP/SG (Ja). Das Nein der POCH orientierte sich an wachstumskritischen Argumenten.
[15] BBl, 1985, II, S. 1433 ff.; Presse vom 23.9.85. Vox, Analyse der eidgenössischen Abstimmung vom 22. September 1985, Zürich 1985.
[16] Vgl. BaZ, 31.8.85; SHZ, 38, 19.9.85. Zur Attacke von StR Letsch (fdp, AG) auf das Bundesamt für Konjunkturfragen siehe oben, Teil I, 1c (Verwaltung). Im NR regte der Freisinnige Bonny (BE) mit einem Postulat die schwergewichtige Ausrichtung dieses Bundesamtes auf Fragen im Zusammenhang mit der Technologieförderung an (Verhandl. B.vers., 1985, V, S. 39).