Année politique Suisse 1985 : Infrastructure, aménagement, environnement / Transports et communications / Eisenbahnverkehr
print
Betrieb
Kurz vor Jahresende verabschiedete der Bundesrat die Botschaft über den neuen Leistungsauftrag (LA) 1987 an die Bundesbahnen. Dabei erstattete er auch Bericht über den 1986 auslaufenden ersten LA von 1982, der — als Übergangslösung bis zur Neukonzeption der SBB-Unternehmensstruktur im Rahmen der Gesamtverkehrskonzeption — die unternehmerischen Zielsetzungen der SBB klar vom gemeinwirtschaftlichen Aufgabenbereich abgrenzte, um so den Zielkonflikt zwischen Unternehmensführung nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen und Dienst an der Allgemeinheit zu entschärfen. Die Exekutive kam zum Schluss, dass wesentliche Ziele des LA 1982 erreicht worden seien und die Trennung in einen markt- und einen gemeinwirtschaftlichen Bereich die Transparenz des Unternehmungsgeschehens erhöht habe. Obwohl die Auflagen des LA 1982 zu vermehrtem unternehmerischem Handeln der SBB geführt hätten, sei damit der angestrebte Rechnungsausgleich vor allem wegen der verkehrspolitischen Rahmenbedingungen auch langfristig nicht zu verwirklichen. Daher beantrage sie dem Parlament, mit dem LA 1987 die finanzielle Verantwortung für Infrastruktur und Betrieb der SBB zu entflechten. Analog zu den Verhältnissen im Strassenverkehr soll künftig der Bund die finanzielle Verantwortung für die Infrastrukturaufwendungen übernehmen, wobei die SBB einen Benützungsbeitrag entrichten und für den Betrieb verantwortlich sind. Der Infrastruktur ordnet der Bundesrat einen Grossteil der ortsfesten Anlagen (v.a. Schienennetz und Gebäude), nicht aber das Rollmaterial zu. Der Beitrag soll so festgesetzt werden, dass er unter Ausschöpfung aller unternehmerischer Kräfte erbracht werden kann. Abgesehen von dieser wesentlichen Neuerung wird die Grundstruktur des LA 1982 praktisch unverändert übernommen. Zusätzlich zum regionalen Personenverkehr anerkennt der LA 1987 neu auch den Huckepackverkehr als gemeinwirtschaftliche Leistung, die abgegolten wird. Im übrigen haben die SBB den Betrieb ohne Defizitdeckung durch den Bund zu finanzieren: Vermögen sie im marktwirtschaftlichen Bereich den Beitrag an die Infrastrukturaufwendungen nicht zu erwirtschaften oder verbleiben gar ungedeckte Betriebskosten, so müssen sie den Fehlbetrag in ihrer Rechnung ausweisen und auf das nächste Jahr vortragen. Mit dem LA 1987 soll somit die unternehmerische Leistung der SBB eindeutiger gemessen werden können als mit dem geltenden. Der Bundesrat geht zudem davon aus, dass durch die Entflechtung der finanziellen Verantwortung die Eigenwirtschaftlichkeit der SBB erreicht werden kann. Der LA 1987 soll — die Zustimmung des Parlaments vorausgesetzt — bis zum Inkrafttreten der Ausführungsgesetzgebung zu den Verfassungsartikeln über die KVP, längstens jedoch bis 1994 Geltung haben. An der derzeitigen Belastung des Bundeshaushaltes wird sich allerdings nur wenig ändern, rechnet man doch auch weiterhin per Saldo mit Bundesleistungen für die SBB von über 1 Mia Fr. Einzelne Pressekommentare beurteilten den LA 1987 denn auch als «Zahlenschieberei». Mehrheitlich wurden jedoch die neuen unternehmerischen Rahmenbedingungen für die Bundesbahnen begrüsst: Indem man die zwangsläufigen Defizite zum öffentlichen Aufwand umfunktioniere, werde die Bahn konkurrenzfähiger. Als konsequente Weiterführung des LA 1987 verstanden der VCS und der Schweizerische Eisenbahnerverband (SEV) das von ihnen vorgestellte Konzept eines «grünen Leistungsauftrags» für Unternehmungen des öffentlichen Verkehrs. Im Sinne einer ganzheitlichen Verkehrspolitik zielen ihre Vorschläge auf einen umfassenden, umweltgerechten Auftrag, der nicht nur die SBB, sondern alle öffentlichen Verkehrsmittel umfasst [25].
Die eidgenössischen Räte verabschiedeten das Transportgesetz (TG), das die in verschiedenen Erlassen verteilten Bestimmungen über die Beförderung mit öffentlichen Transportunternehmungen systematisiert und zusammenfasst. Im wesentlichen ordnet das TG die Beförderungspflicht, die Auflage, Fahrpläne zu erstellen, sowie die Tarifpflicht und regelt das Rechtsverhältnis von Betreibern und Benützern sämtlicher öffentlicher Verkehrsträger mit Ausnahme der Luftfahrt und der Rohrleitungsanlagen. Den bestehenden Wettbewerbsverhältnissen im Verkehrswesen Rechnung tragend, wird die unternehmerische Freiheit der öffentlichen Verkehrsbetriebe gestärkt und gleichzeitig die volle Abgeltung für gemeinwirtschaftliche Leistungen garantiert. Im übrigen werden die Tarife nicht mehr behördlich genehmigt, sondern nur noch von Bundesamt für Verkehr beaufsichtigt. Damit überträgt das TG die Grundsätze des SBB-Leistungsauftrags auch auf die anderen Transporteure des öffentlichen Verkehrs — den PTT-Autoreisedienst, die Privat- und Luftseilbahnen sowie die übrigen konzessionierten Transportunternehmen — und ordnet das praktische Verkehrsrecht für den öffentlichen Bereich in das verkehrspolitische Gesamtkonzept ein [26]. Zur Förderung der konzessionierten Transportunternehmen bewilligte das Parlament ferner einstimmig die teuerungsbedingte Aufstockung des sechsten Rahmenkredits von 1981 um 129 Mio Fr. und ermöglichte dadurch vor allem den Privatbahnen die Realisierung der vorgesehenen Investitionen [27].
Der Verwaltungsrat der SBB hiess einen ausserordentlichen Investitionsplan im Gesamtbetrag von 870 Mio Fr. zur Steigerung der Attraktivität des öffentlichen Verkehrs gut. In den nächsten zehn Jahren werden demnach 320 Mio Fr. für zusätzliches modernes Rollmaterial und 550 Mio Fr. für bauliche Verbesserungen in 50 Intercity- und Schnellzugsbahnhöfen eingesetzt. Im Berichtsjahr wurde der Taktfahrplan durch punktuelle Angebotsverbesserungen im Binnen- wie im internationalen Verkehr ergänzt. Auf den Fahrplanwechsel im Frühjahr 1987 hin wollen die SBB zusammen mit ihren Partnern des öffentlichen Verkehrs das Fahrplanangebot grundlegend überprüfen und gleichzeitig den ersten Schritt in Richtung «Bahn 2000» unternehmen [28].
Mit dem neuen Stückgutkonzept «Cargo Domizil» konnten SBB und Privatbahnen nach Umstellungsschwierigkeiten ihre Position in diesem Marktsegment festigen. Ab Januar 1986 werden die Bundesbahnen den Wagenladungsverkehr unter dem neuen Namen «Cargo Rail» führen und gleichzeitig die Tarifstruktur einfacher und transparenter gestalten. Eine Zunahme konnten die SBB beim Huckepackverkehr, insbesondere beim Transit von Deutschland nach Italien, verzeichnen. Mit Unterstützung von Treibstoffzollgeldern werden sie dieses Angebot weiter ausbauen, um damit noch mehr Gütertransporte auf die Schiene zu lenken. In diese Richtung zielte auch eine Motion von Nationalrat Müller (fdp, ZH), die eine Revision des Anschlussgleisgesetzes aus dem Jahr 1874 forderte und von beiden Kammern überwiesen wurde. Der Anschluss weiterer Firmen an die Bahn wird den SBB und den Privatbahnen ein bedeutendes Verkehrsaufkommen erschliessen und als Beitrag an den Umweltschutz die Strassen vom Schwerverkehr entlasten [29].
Der Trend zur Verbesserung der Ertragssituation bei den Bundesbahnen hielt an: Die SBB-Rechnung für 1985, die mit einem Fehlbetrag von 281 Mio Fr. schloss, verzeichnete das kleinste Defizit seit 1974. Damit übertraf sie das bereits spürbar verbesserte Rechnungsergebnis 1984 um 23 Mio Fr., den Voranschlag 1985 gar um 140 Mio Fr. Dieses Ergebnis wertete die Leitung der SBB als Folge einer Vielzahl von unternehmerischen Anstrengungen auf der Ertrags- wie auf der Kostenseite. So stieg der Gesamtertrag gegenüber dem Vorjahr um 3,6% auf 3,87 Mia Fr., der Aufwand jedoch nur um 2,8% auf 4,15 Mia Fr. Neben der strengen Ausrichtung der Ausgaben auf das betrieblich Notwendige wirkte sich dabei auch die Reduktion des Personalbestandes aus. Denk verschiedener Marketing-Massnahmen und der Tariferhöhung vom Mai nahmen die SBB im Personenverkehr 6,4% mehr ein, wobei sich auch die Zahl der beförderten Passagiere um 3% auf rund 225 Mio Personen erhöhte. Als bemerkenswert wurde verzeichnet, dass die Erträge aus dem Personenverkehr (1,19 Mia Fr.) erstmals über den gegenüber 1984 praktisch gleich gebliebenen Einnahmen aus dem Güterverkehr (1,178 Mia Fr.) lagen. Die Aufwanddeckung konnte von 92,5% auf 93,2% verbessert werden. Den Bund kostete sein Regiebetrieb allerdings trotz des niedrigeren Defizits weiterhin rund 1,1 Mia Fr., leistete er doch 692 Mio Fr. an Abgeltungszahlungen für gemeinwirtschaftliche Leistungen und verzichtete auf 120 Mio Fr. für die Verzinsung des Dotationskapitals von 3 Mia Fr. Für 1986 rechnet der Voranschlag bei einem Defizit von 333 Mio Fr. mit einer leichten Verschlechterung des SBB-Betriebsergebnisses [30].
 
[25] BBl, 1985, III, S. 658 ff.; TW, 12.1.85; 8.2.85; Vat., 16.1.85; Presse vom 25.1.85; 28.11.85; TA, 7.3.85; NZZ, 20.4.85 ; 30.11.85 ; wf, Dok., 11, 17.3.86; siehe auch W. Latscha, «Der Leistungsauftrag der Schweizerischen Bundesbahnen», in Jahrbuch der Schweiz. Verkehrswirtschaft 1985, S. 73 ff. sowie VCS/SEV, Der grüne Leistungsauftrag, Zürich 1985. Das Parlament überwies eine Standesinitiative des Kantons NE betreffend SBB-Politik und benachteiligte Regionen zur Kenntnisnahme an den BR (Amtl. Bull. NR, 1985, S. 1896; Amtl. Bull. StR, 1985, S. 269 f.). Zu den parlamentarischen Vorstössen betreffend Förderung des öffentlichen Verkehrs siehe oben (Generelle Verkehrspolitik). Vgl. SPJ, 1983, S. 112 ff.; 1984, S. 112 f.
[26] Amt. Bull. NR, 1985, S. 369 ff., 1550 und 1861; Amt. Bull. StR, 1985, S. 472 ff. und 608; BBl, 1985, II, S. 1318 ff.; vgl. SPJ, 1983, S. 115 f. Anträge im NR, mit dem TG die Beförderungspflicht für Stückgut wieder einzuführen sowie die im Leistungsauftrag verankerte unternehmerische Freiheit im Tarifbereich zu beschneiden, wurden abgelehnt.
[27] Amtl. Bull. NR, 1985, S. 670 ff.; Amtl. Bull. StR, 1985, S. 1 ff.; BBl, 1985, I, S. 872; vgl. SPJ, 1981, S. 108.
[28] Investitionsplan: Presse vom 8.10.85. Fahrplan: Presse vom 4.12.85; Gesch. ber., 1985, S. 329. Ausbau von SBB-Dienstleistungen: LNN und NZZ, 25.7.85; SBB, Geschäftsbericht 1985, S. 7 ff.; siehe auch Bilanz, 1985, Nr. 11, S. 36 ff.; Die Volkswirtschaft, 59/1986, S. 290 f. sowie NZZ, 2.4.85; 11.4.85; 13.4,85 (neues SBB-Speisewagen-Konzept).
[29] SBB, Jahresbericht 1985, S. 12 ff. «Cargo Domizil»: NZZ, 21.1.85; 1.3.85; 8.8.85; TA, 16.2.85; Bund, 19.3.85; 2.5.85; BZ, 9.7.85; SZ, 12.11.85; SHZ, 13, 27.3.86. «Cargo Rail»: TA, 28.12.85; SGT, 13.1.86. Huckepack: TA, 15.2.85; SGT, 21.3.85; Bund, 15.6.85. Anschlussgeleise: Amtl. Bull. NR, 1985, S. 1241; Amtl. Bull. StR, 1985, S. 665; NZZ, 9.5.85.
[30] Rechnung 1985: BBl, 1986, II, S. 243 ff.; Presse vom 1.3.86; wf, Dok., 19, 12.5.86; SBB, Geschäftsbericht 1985, Bern 1986. Zur Rechnung 1984 vgl. BBl, 1985, I, S. 1534 ff. ; Amtl. Bull. NR, 1985, S. 904 ff. ; Amtl. Bull. StR, 1985, S. 411 ff.; wf, Dok., 22, 3.6.85. Budget 1986: BBl, 1985, III, S. 328 ff.; 1986, I, S. 95 Amtl. Bull. NR, 1985, S. 1885 ff. ; Amtl. Bull. StR, 1985, S. 661 ff. ; wf, Dok., 46, 18.11.85. Tariferhöhung: NZZ, 18.4.85 ; 30.4.85; 21.5.85 ; Presse vom 3.5.85; TW, 10.5.85.