Année politique Suisse 1985 : Infrastructure, aménagement, environnement / Sol et logement
 
Raumplanung
Bundesrat und Parlament äusserten im Berichtsjahr ihren Unmut über die large Befolgung des seit 1980 geltenden Bundesgesetzes über die Raumplanung (RPG) in den Kantonen. Nachdem 1984 erst drei Kantone der Pflicht zur Erstellung von Richtplänen nachgekommen waren — 1985 konnte neu nur der Richtplan von Uri genehmigt werden —, bestätigte eine ungehaltene Bundesrätin Kopp in ihrer Beantwortung der Einfachen Anfrage Loretan (fdp, AG), dass dem RPG auch in verschiedenen anderen Punkten nicht oder nur ungenügend Folge geleistet werde; namentlich bezüglich der Baubewilligungen ausserhalb von Bauzonen werde in weiten Teilen des Landes das Gesetz allzu locker gehandhabt [1]. Um solchen Missständen zu begegnen, legten das EJPD und das EVD einen Entwurf zur Revision der RPG-Verordnung vor. Mit dem Kernstück der geplanten Ergänzung, dem bundesrätlichen Sachplan über die Fruchtfolgeflächen, soll der Schutz des ackerbaufähigen Landes verbessert werden. Der Sachplan geht — aufgrund des Ernährungsplans 80 — von einer erforderlichen Gesamtfläche für die Schweiz von 450 000 ha aus und legt die Anteile der einzelnen Kantone fest. Die Verordnung verlangt von den Kantonen, im Rahmen ihrer Richtpläne die Fruchtfolgeflächen und Bauzonen nach Gemeinden auszuweisen. Sollte der vom Bund vorgeschriebene Kantonsanteil an Fruchtfolgeflächen nicht erreicht werden, so müssten innerhalb von Bauzonen unüberbaubare Gebiete als sogenannte Planungszonen ausgeschieden werden; nötigenfalls kann der Bundesrat auch selber vorübergehend entsprechende Nutzungszonen festlegen. In der Vernehmlassung erfuhr der Grundsatz der vorgeschlagenen Verordnung — der verstärkte Schutz des für die Ernährung nötigen landwirtschaftlichen Bodens — breite Zustimmung. Abgelehnt wurde der Entwurf von den Bauwirtschafts- und Hauseigentümerverbänden, dem Schweizerischen Gewerbeverband, dem Redressement national, der Liberalen Partei sowie den Kantonen Obwalden und Waadt. Sie befürchteten eine Verknappung und damit eine Verteuerung des Baulandes und verwarfen die Vorlage als zu zentralistisch; ferner zweifelten sie die Rechtsgrundlage für einen derartigen ordnungspolitischen Eingriff an, der das Prinzip des Grundeigentums zu untergraben drohe. Die Frage nach der gesetzlichen Grundlage stellten auch SP, EVP, POCH, die Schweizerische Gesellschaft für ein neues Bodenrecht und der WWF. Ihrer Meinung nach sollten diese Massnahmen, die sie — im Gegensatz zu den erwähnten Kritikern — begrüssten, mit einem dringlichen Bundesbeschluss und nicht auf dem Verordnungsweg eingeführt werden ; um das Kulturland längerfristig zu schützen, solle zudem das RPG teilrevidiert werden. Heftig kritisiert wurden ferner die Grundsätze zur Ausscheidung von Bauzonen. Die FPD und das Redressement national sowie zwölf Kantone wollten den betreffenden Artikel ganz oder teilweise streichen. Ebenfalls umstritten waren die Bestimmungen für Ausnahmebewilligungen ausserhalb der Bauzone; die bürgerlichen Parteien und sieben Stände lehnten diese rundweg ab [2].
Auf eine Änderung des RPG-Instrumentariums zielte eine vom Nationalrat überwiesene Motion des Präsidenten der Schweizerischen Stiftung für Landschaftsschutz und Landschaftspflege Loretan (fdp, AG) ab. Diese verlangte, dass der Schutz des landwirtschaftlichen Bodens von Massnahmen begleitet sein müsse, welche die Hortung des für den Wohnungsbau geeigneten Bodens verhindern und die effektive Überbaubarkeit von Bauzonen in neu festzulegenden Erschliessungsetappen gewährleisten. Eine Verschärfung des RPG forderte auch eine von 47 Parlamentariern unterzeichnete Motion Ruffy (sp, VD). Durch eine genauere Umschreibung der Bauzone solle eine zweckmässige Nutzung des Bodens gefördert und der Mehrwert, der durch die Planungsmassnahmen entsteht, abgeschöpft werden. Der Bundesrat bezweifelte in seiner Stellungnahme, dass mit einem verschärften RPG Entwicklungen wie Baulandverteuerung und Eigentumskonzentration bekämpft werden könnten. Der Nationalrat überwies den Vorstoss nur als Postulat. Die Notwendigkeit, das RPG mit griffigeren Vollzugsinstrumenten zu versehen, betonte auch Bundesrätin Kopp, welche eine Revision des Bundesgesetzes ankündigte. Dabei sollen namentlich die Probleme der Umschreibung von Landwirtschafts- und Bauzonen, der Erschliessung von Bauland, der Landumlegung und der Sicherung des Vollzugs im Vordergrund stehen [3].
Aufsehenerregend und für eine konsequente Durchsetzung des RPG von Bedeutung war der Bundesgerichtsentscheid betreffend einen widerrechtlich ausserhalb der Bauzone erstellten Landsitz in Gontenschwil (AG). Das Bundesgericht stützte einstimmig die Verfügung des aargauischen Regierungsrates, wonach das Gebäude wieder abgerissen werden muss. Die Opposition in der Bevölkerung gegen die zunehmende «Verbetonierung der Landschaft» verzeichnete mit zwei gutgeheissenen Volksinitiativen Erfolge. Der Souverän des Kantons Schwyz stimmte der Initiative «für die Erhaltung unserer Schwyzer Landschaften» zu und belegte damit sämtliche Gebiete ausserhalb der Bauzone mit einem sofortige Baustopp. Mit der Annahme der sogenannten Patumbah-Initiative sprachen sich die Stadtzürcher Stimmbürger für die Zuweisung einer Liegenschaft mit grosser Grünfläche in die Freihaltezone aus und verhinderten so den Bau einer geplanten Alterssiedlung auf diesem Gebiet. Andere Volksinitiativen fanden in Abstimmungen keine Mehrheit. So lehnte etwa der Souverän von Baselstadt gegen die Empfehlung der Heimatschutzorganisationen die Erhaltung der Opéra-Bauten ab und genehmigte damit indirekt eine geplante Neuüberbauung. In der Stadt Zürich wurde die «Kasernen-Initiative» der SP, welche mit einem Gestaltungsplan die Gebäulichkeiten des Kasernenareals erhalten und der öffentlichen Nutzung zuführen wollte, abgelehnt. Die Zustimmung verweigerten die Stadtzürcher auch einer Zonenplanänderung, die die gesamten Baureserven der Stadt in die Freihaltezone übertragen wollte ; über diese Änderung musste abgestimmt werden, weil 1983 die Initiative der Nationalen Aktion (NA) «für die Erhaltung der öffentlichen Grünflächen» in einer Volksabstimmung angenommen worden war [4].
 
[1] Amtl. Bull. NR, 1985, S. 779 f. ; NZZ, 9.1.85 ; BaZ,19.3.85 ; BZ, 30.3.85 ; 12.9.85 ; AT, 19.6.85; Blätter für ein neues Bodenrecht, 1985, Nr. 25, S. 5 ff.; Raumplanung, Informationshefte, 1985, Nr. 2, S. 5 ff. Richtplan von UR: Vat., 10.12.85; zum genehmigten Richtplan von ZH siehe NZZ, 5.3.85; vgl. auch M. Baschung, «Zur Fristverlängerung für kantonale Richtpläne», in Raumplanung, Informationshefte, 1985, Nr. 1, S. 3 f.; Schweiz. Vereinigung für Landesplanung, 5 Jahre Raumplanungsgesetz, Bern 1985. Landesweite Beachtung fand das von der Landsgemeinde angenommene neue Baugesetz in AI, welches gegen die Hortung von Bauland Nutzungsfristen vorsieht und die gesamte Baufläche plafoniert (SGT, 12.2.85 ;19.3.85 ; 29.4.85 ; TA, 19.2.85). Die Stimmbürger des Kantons BE genehmigten das Baugesetz, gegen das grüne Gruppierungen und kleine Linksparteien das Referendum ergriffen hatten (Bund, 21.5.85; 28.5.85; 6.6.85; Berner Presse vom 10.6.85). Siehe auch M. Lendi, «Raumplanung und Raumordnung als politische Aufgabe», in Schweizer Monatshefte, 65/1985, S. 959 ff. (Entgegnung in ebenda, 1986, S. 162 ff.); M. Lendi / H. Elsasser, Raumplanung in der Schweiz. Eine Einführung, Zürich 1985; M. Lendi / S. Jörg, Rechtsfälle zum Raumplanungsrecht, Zürich 1985. Vgl. auch SPJ, 1984, S. 114 f.
[2] TA, 12.2.85; 17.7.85; 25.11.85; Presse vom 23. und 24.5.85; 31.12.85; NZZ, 4.10.85; 7.11.85; Vat., 24.10.85; BaZ, 24.12.85; M. Baschung, «Modifikationen am geltenden schweizerischen Bodenrecht», in Dokumente und Informationen zur schweizerischen Orts-, Regional- und Landesplanung (im folgenden abgekürzt als DISP), 1985, Nr. 79, S. 5 ff. H. Huber, «Zur Verfassungsmässigkeit der Landwirtschaftszone», in DISP, 1985, Nr. 82, S. 5 ff. Nach der Landwirtschafts-Zählung von 1980 bestehen nur noch 380 000 ha Ackerfläche. Vgl. auch Amtl. Bull. NR, 1985, S. 497 ff. (Motion Brélaz, écol., VD) und 1842 ff. (Interpellation Müller, fdp, ZH). Der BR genehmigte den Ausführungsplan zum Nationalen Forschungsprogramm Nr. 22 «Nutzung des Bodens in der Schweiz», das er 1983 beschlossen hatte (NZZ, 28.2.85). Der Nationale Forschungsrat gab 25 Projekte in Auftrag (Schweiz. Nationalfonds, Ausführungsplan für das Nationale Forschungsprogramm 22, Nutzung des Bodens in der Schweiz, Bern 1985; Nationales Forschungsprogramm «Boden», Bulletin, 1985, Nr. 1-3). Siehe auch E. Kopp, «Der Boden und unsere Zeit», in Documenta, 1985, Nr. 2, S. 10 ff. und eine Entgegnung in Blätter für ein neues Bodenrecht, 1985, Nr. 25, S. 2 ff. Vgl. im weiteren S. Bertolami, «Unser Boden ist nicht der letzte Dreck », in TAM, 21, 25.5.85 sowie unten, Teil I, 6 d (Boden) und II, 4 d. Siehe ferner M. Gfeller u.a., Berücksichtigung ökologischer Forderungen in der Raumplanung. Methodische Ansätze und Fallbeispiele, Zürich 1984; M. Schwarze u.a., Landschaft und natürliche Lebensgrundlagen. Anregungen für die Ortsplanung, Bern 1984; H: B. Peter (Hg.), Mitwirkung der Bevölkerung bei der Raumplanung: 24 praktische Beispiele, Bern 1985 ; Bodenkundliche Gesellschaft der Schweiz, Beurteilung und Schutz der Böden, Zürich 1985.
[3] Amtl. Bull. NR, 1985, S. 1816 ff.; Presse vom 3.5.85; 12.9.85; 31.12.85. E. Kopp, «Zur Weiterentwicklung des Bodenrechts», in Raumplanung, Informationshefte, 1985, Nr. 3; vgl. auch Schweiz. Vereinigung für Landesplanung, Bodenrecht, Bodenpreise und Raumplanung, Bern 1985. Zur Bodenspekulation: Blätter für ein neues Bodenrecht, 1985, Nr. 26. Uber 100 NR und StR aller Parteien gründeten eine «Parlamentarische Gruppe für Boden und Bodennutzung» mit dem Ziel, fraktionsübergreifend über die Bodenpolitik Diskussionen zu führen und Informationen auszutauschen (SGT, 31.12.85).
[4] Gontenschwil: AT, 9.5.85; 25.5.85; 29.11.85; NZZ, 1.11.85; 24.12.85; siehe auch U. Beeler, Die widerrechtliche Baute, Zürich 1984. Schwyz: Vat., 23.9.85; siehe ferner unten, Teil II, 4f. Zürich: TA, 1.3.85; 30.5.85; 6.9.85; 9.9.85; 14.9.85; 19.9.85; Zürcher Presse vom 11.3.85; 10.6.85; 23.9.85; NZZ, 29.5.85; 13.6.85; 12.9.85; 17.9.85; Vr, 6.9.85; Ww, 37, 12.9.85; Aktuelles Bauen, 1985, Nr. 4; vgl. auch SPJ, 1983, S. 120. Basel: BaZ, 10.5.85; 18.11.85; 26.11.85; 29.11.85; 2.12.85. Siehe ferner unten, Teil II, 4d.