Année politique Suisse 1985 : Infrastructure, aménagement, environnement / Protection de l'environnement
 
Luftreinhaltung
Keiner der Teilbereiche des Umweltschutzes gelangte in jüngster Zeit dergestalt in den Blickpunkt einer breiten Öffentlichkeit wie die Luftreinhaltung. Die Messresultate des Nationalen Beobachtungsnetzes für Luftfremdstoffe (NABEL) bestätigten, dass die — zum überwiegenden Teil «hausgemachte» — Luftverschmutzung in der Schweiz unverändert hoch ist und in Städten und Agglomerationen die für den Gesundheitsschutz des Menschen massgebenden Immissionsgrenzwerte teilweise erheblich überschreitet. Alarmierende Ozon-Konzentrationen traten im Sommer in der Region Basel auf. Dieses aggressive Gas wird durch photochemische Prozesse aus Stickstoffoxiden und in Reaktion mit Kohlenwasserstoffen bei starker Sonneneinstrahlung gebildet und durch den Wind auch über grosse Distanzen verfrachtet. Die höchsten Ozonwerte werden unter anderem deshalb nicht in den Städten und entlang von Autostrassen registriert, sondern in deren Umgebung und in entfernteren Gebieten. Ein vom Nationalrat überwiesenes Postulat forderte den Bundesrat daher auf, Massnahmen wie drastische Verkehrsbeschränkungen an «Ozonwetter»-Tagen zu prüfen, um die negativen Einflüsse auf die Schutzwälder zu mildern. Ebenfalls als Postulat überwies die Volkskammer eine Motion der CVP-Fraktion, die den Aufbau eines Smog-Alarmsystems verlangte. Die Verbindung der Schweizer Ärzte (FMH) warnte vor zunehmenden Erkrankungen der Atemwege, vor allem bei Kindern, und plädierte für wirksame Dringlichkeitsmassnahmen zur Verminderung der Luftbelastung.
Mit einem Bericht zuhanden der zuständigen Behörden informierte das Bundesamt für Umweltschutz (BUS) über Gesundheitsrisiken und Sanierungsmöglichkeiten von Gebäuden mit asbesthaltigen Spritzbelägen. Das Asbest-Inventar umfasst 73 Sportstätten und 4000 Gebäude, die saniert werden sollen. Da Spritzasbest seit 1975 nicht mehr verwendet wird und da der einzige Schweizer Asbestproduktehersteller bis 1990 vollständig auf asbestfreie Erzeugnisse umstellen will, verzichtete die Landesregierung darauf, ein Asbestverbot in der Verordnung über umweltgefährdende Stoffe zu verankern, wie dies etwa der SGB gefordert hatte [8].
Der Bundesrat beschloss, die Luftreinhalteverordnung (LRV) auf den 1. März 1986 in Kraft zu setzen. Die LRV, die den Schutz der Menschen, Tiere und Planzen sowie des Bodens vor schädlichen Luftverunreinigungen zum Ziel hat, gilt auch im internationalen Vergleich als gesetzgeberisches Pionierwerk: Über die Begrenzung des Schadstoffausstosses bei der Quelle sowie kontinuierliche Messungen und Kontrollen will sie verhindern, dass lufthygienische Belastungslimiten überschritten werden. Dabei unterstellt sie sämtliche Anlagen vergleichsweise rigorosen Emissionsbegrenzungen, legt die Sanierungsfristen für Altanlagen abgestuft nach ihrem Luftbelastungsgrad verbindlich fest und überzieht somit den gesamten Produktionsapparat der Schweizer Wirtschaft mit einem Netz von Umweltschutzanforderungen. Ausgehend vom Vorsorgeprinzip nennt die LRV rund 150 stoffbezogene Grenzwerte, die unabhängig vom Ausmass vorhandener Luftverschmutzung eingehalten werden müssen. Dabei trägt sie allerdings den technischen und betrieblichen Möglichkeiten sowie der wirtschaftlichen Tragbarkeit Rechnung, indem sie gewisse Erleichterungen vorsieht. Treten trotz vorsorglicher Reduzierung des Schadstoffausstosses übermässige Immissionen auf, so können im Fall einer einzelnen Anlage die Emissionsgrenzwerte ergänzt oder weiter verschärft werden; bei einer Vielzahl von Emissionsquellen hat die kantonale Vollzugsbehörde einen Massnahmenplan zu erstellen, der angibt, auf welche Weise die Luftbelastung unter die Immissionsgrenzwerte zurückgeführt werden kann. Vorgesehen sind dabei auch bauliche, betriebliche und verkehrslenkende oder -beschränkende Massnahmen. Für Fahrzeuge und Verkehrsanlagen enthält die LRV, die sich weitgehend auf stationäre Industrie- und Gewerbeanlagen beschränkt, allerdings nur allgemein formulierte vorsorgliche Emissionsbegrenzungen, da deren Konkretisierung Sache der Verkehrsgesetzgebung ist. Im Rahmen der LRV senkte der Bundesrat auch den im Vorjahr beschlossenen maximalen Schwefelgehalt im Heizöl «extra leicht» erneut, so dass dieser ab Mitte 1987 nur noch, 0,2% betragen darf. Auf die ursprünglich vorgesehene weitergehende Reduktion (auf 0,15%) wurde mit Rücksicht auf die einheimischen Raffinerien verzichtet [9].
Die LRV wird zwar wegen der eingeräumten Fristen erst in den 90er Jahren ihre volle Wirkung zeitigen, doch darf sie als mittel- bis langfristig zentrales Instrument im Kampf gegen die Luftverschmutzung bezeichnet werden. Noch nicht vorlegen konnte der Bundesrat bis Ende Jahr das vom Parlament geforderte Luftreinhalte-Konzept, das festlegen soll, auf welchen Stand und mit welchen zusätzlichen Massnahmen die Luftqualität verbessert werden soll [10].
Um die Emissionen des Motorfahrzeugverkehrs einzudämmen, beschloss der Bundesrat, die strengen Abgasvorschriften US-83 für neu immatrikulierte Autos auf Oktober 1987 in Kraft zu setzen. Damit kam er der «Erklärung von Stockholm» zur raschestmöglichen Einführung von Katalysatoren und bleifreiem Benzin nach, welche die Schweiz zusammen mit sieben anderen europäischen Staaten unterzeichnet hatte. Gegenüber den für Oktober 1986 erlassenen schweizerischen Abgasvorschriften (AGV-86) reduziert die US-83-Norm den Schadstoffausstoss nochmals um 48-77%. Während Neuwagen zum überwiegenden Teil schon vor 1987 den strengen Normen entsprechen werden, belasten ältere Modelle sowie Dieselfahrzeuge und Mofas die Luft auch weiterhin erheblich. Bund und Kantone wurden deshalb aufgefordert zu prüfen, ob die Umrüstung der Altfahrzeuge durch Vorschriften oder durch Steueranreize forciert werden könne; für Dieselfahrzeuge verlangten mehrere parlamentarische Vorstösse strengere Emissionsvorschriften. Mit einer weiteren Verordnung regelte die Landesregierung auch die Abgaswartung: Ab 1986 müssen leichte Motorwagen jährlich bezüglich ihrer Abgasemissionen nachkontrolliert werden. Diese Neuerung soll den Kohlenmonoxid- und Kohlenwasserstoffausstoss um 20-30% verringern [11].
 
[8] NABEL: BZ, 25.11.85; Presse vom 14.12.85; BUS, Luftbelastung 1984, Bern 1985. Ozon/Smog: Amtl. Bull. NR, 1985, S. 1236 und 1245; BaZ, 19.1.85 ; TA, 19.1.85 ; 28.8.85 ; Vr, 20.2.85 ; Bund, 4.9.85 ; die erste auf der Höhe der Bannwälder installierte Ozonmessanlage bei Flüelen (UR) zeigte an Tagen mit Hochdruckwetterlagen zwischen Frühling und Herbst Werte an, die weit über der offiziellen Schädigungsgrenze lagen (TA, 8.6.85; NZZ, 17.6.85; 20.6.85). Luftverschmutzung und Gesundheit: NZZ, 6.2.85; 30.5.85; 12.11.85; Bund, 5.3.85; 4.10.85; LNN, 1.5.85; Presse vom 22.5.85; 8.11.85; Ww, 48, 28.11.85; SGU-Bulletin, 1985, Nr. 3; vgl. auch Verhandl. B.vers., 1985, IV, S. 45. Asbest : NZZ. 30.1.85 ; 21.3.85 ; 5.9.85 ; Presse vom 22.2.85 ; 19.4.85; Ww, 41,10.10.85 ; 43, 24.10.85; siehe auch NZZ, 5.7.85 (Informationsstelle Umweltgifte von SBN, SGU und WWF); BUS, Asbest in schweizerischen Sportstätten, Bern, 1985; W. Catrina, Der Eternit-Report, Zürich 1985.
[9] LRV: AS, 1986, S. 208 ff.; NZZ, 4.6.85; 5.12.85; 14.12.85; wf, Dok., 31, 5.8.85; Presse vom 17.12.85; Umweltschutz in der Schweiz, 1986, Nr. l ; vgl.. SPJ, 1984, S. 123. Die LRV wurde auch auf ausländische, insbesondere die bundesdeutschen Normen abgestimmt (BaZ, 26.7.85). Schwefelgehalt im Heizöl : 24 Heures, 19.3.85 ; BZ, 18.5.85 ; BaZ, 4.6.85 ; siehe auch SPJ, 1984, S. 104 und 122 sowie oben, Teil I, 6a (Produits pétroliers). Zu einer Reduktion des Schwefelausstosses um 30% bis 1993 verpflichtete sich die Schweiz zusammen mit 20 anderen Staaten, als sie in Helsinki ein entsprechendes UNO-Protokoll unterzeichnete (BaZ und TA, 10.7.85); vgl. auch SPJ, 1983, S. 128.
[10] Amtl. Bull. NR, 1985, S. 1976; BaZ, 26.7.85 ; Bund, 29.11.85 ; TA, 17. und 18.12.85. Siehe auch allgemein NZZ, 17.1.85;29.1.85; 14.2.85; Gottlieb-Duttweiler-Institut (Hg.), Saubere Luft. Von der Symptombekämpfung zu Strategien für die Zukunft, Rüschlikon 1985 (vgl. NZZ, 23.5.85; AT, 6.6.85).
[11] Abgasnormen: TA, 25.1.85; 22.3.85; 29.5.85; 6.7.85; 4.-6.9.85; BZ, 2.4.85; 5.7.85; Presse vom 17.9.85; siehe auch Amtl. Bull. NR. 1985, S. 134 ff., 164 ff., 1252 und 1287; vgl. SPJ, 1984, S. 110 und 122 sowie oben, Teil I, 6b (Strassenverkehr). Abgaswartung: AS, 1985, S. 1841 ff.; TA, 14,1.85; 2.3.85; 5.10.85; 14.11.85.