Année politique Suisse 1985 : Enseignement, culture et médias / Enseignement et recherche / Hochschulen
In der Volksabstimmung über die
Aufhebung der Bundesbeiträge an die Stipendien der Kantone konnte der Souverän nicht nur über eine zentrale Massnahme des ersten Pakets zur Neuverteilung der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen befinden, sondern auch über die künftige Gestaltung der Stipendienpolitik überhaupt. Die Befürworter der Streichung der jährlichen Subventionen in der Höhe von 70-90 Mio Fr. an die kantonalen Stipendien betonten den staatspolitischen Charakter der Vorlage und erklärten die Abstimmung zur Probe aufs Exempel für die föderalistische Gesinnung. Bekämpft wurde die vorgeschlagene völlige Kantonalisierung der Stipendien von den Linksparteien, LdU, EVP, den Grünen und der NA sowie den Arbeitnehmer- und Jugendverbänden. Zur Hauptsache ging die gegnerische Kampagne vom «Komitee für gerechte Stipendien» aus, in welchem sich sämtliche grösseren Jugend-, Lehrlings- und Studentenverbände, die Jugendorganisationen auch der bürgerlichen Parteien und die Gewerkschaften zusammengeschlossen hatten. Dieses befürchtete, dass ein Rückzug des Bundes aus dem Stipendienwesen — trotz gegenteiliger Beteuerungen der EDK — in einigen Kantonen einen Abbau von Stipendien mit sich bringen würde; ihrer Meinung nach sollten aus sozialen und wirtschaftlichen Überlegungen die Stipendien vielmehr nach Mindestansätzen harmonisiert werden. Ein Patronatskomitee von 60 National- und Ständeräten aus sämtlichen Parteien — ausser der SVP und der NA — unterstützte diese jugendliche und linke Opposition gegen die Aufhebung der Ausbildungsbeiträge des Bundes
[30].
Die Stipendienvorlage wurde
von 52,4% der Stimmenden und mit einem klaren Ständemehr (14 1/2 : 8 1/2) verworfen. Zustimmung erhielt die Vorlage in den meisten Kantonen der Ost- und Zentralschweiz, wobei Appenzell Ausserrhoden mit 58,2% den höchsten Ja-Stimmenanteil realisierte. Die übrigen Kantone, vor allem jene, in denen die Linksparteien über eine gewisse Stärke verfügen, oder jene finanzschwächeren, welchen die Aufgabenneuverteilung per saldo finanzielle Mehrauflagen gebracht hätte, lehnten die Vorlage ab: Über 60% Nein-Stimmen wiesen die Kantone Freiburg, Genf, Tessin, Uri und Wallis auf; im Jura betrug der Nein-Stimmenanteil gar 81,5%. Einer Nachanalyse der Volksabstimmung zufolge hiessen mehr als zwei Drittel der Sympathisanten von FDP, LPS und SVP sowie 56% der CVP-Anhänger die Aufhebung der Ausbildungsbeiträge gut. Personen, die keiner Partei oder einer Mittelgruppe nahestehen, stimmten zu zwei Dritteln dagegen, während Anhänger der Linksparteien die Vorlage noch entschiedener ablehnten. Als Argumente für die Entscheidbildung wurden dieselben angegeben, die auch im Abstimmungskampf verwendet worden waren: Die Befürworter stimmten der Aufhebung der Subventionsbeiträge als einem Teil des gesamten Projekts der Aufgabenneuverteilung zu, die Gegner wiederum befürchteten von einem Rückzug des Bundes aus dem Stipendienwesen eine Verschärfung der regionalen und sozialen Unterschiede. Die Untersuchung betonte ferner, dass die Wirksamkeit des staatspolitischen Arguments «Renaissance des Föderalismus» überschätzt worden sei und dass dessen Verbindung mit einer sozialpolitischen Frage vielmehr einen «zentralistischen Gegenreflex» ausgelöst habe
[31].
Der Souverän des Kantons Solothurn stimmte einem neuen Stipendiengesetz zu. In Anlehnung an das Harmonisierungsmodell der EDK wurde am Grundsatz, Stipendien und nicht Darlehen zu gewähren, festgehalten, doch werden diese gezielter verteilt. Zugleich wurde die bisher ausgeschüttete Summe verdoppelt. Im Kanton Zürich hiess der Souverän in einer Volksabstimmung einen Beschluss des Kantonsrates gut, der die Staatsaufwendungen für ausländische Hoch- und Mittelschüler erhöht und gegen den die NA das Referendum ergriffen hatte
[32].
[30] Der FDP-Parteitag unterstützte die Vorlage mit 89:78 (Presse vom 28.1.85) der SVP-Parteitag mit 96 : 23 (Presse vom 4.2.85) und der CVP-Parteitag mit 125 : 87 Stimmen (Presse vom 11.2.85). Komitee für gerechte Stipendien: Zürcher Student/in, 27/28, 1.2.85; SGT, 6.2.85; Presse vom 13.2.85; Komitee für gerechte Stipendien, Bewährtes nicht gefährden, Bern 1985 (Argumentenkatalog und Quellenmaterial); EDK Erklärung zur Stipendienpolitik, 1984. Abstimmungskampf: VSS, Aktuell, 1985, Nr. 8; NZZ, 26.1.85; 18.2.85; Extra-Woka (Studentenschaft der Universität Bern), 1, 15.2.85 ; 2. 19.4.85 ; LNN, 16.2.85 ; BZ, 20.2.85 ; 25.2.85 ; CdT, 5.3.85. Vgl. auch SPJ, 1984, S. 161.
[31] Am 10. März 1985 verwarfder Souverän den Bundesbeschluss über die Aufhebung der Ausbildungsbeiträge mit 651 854 : 716 717. Presse vom 11.3.85; Extra-Woka (Studentenschaft der Universität Bern), 2, 19.4.85; Vox, Analyse der eidgenössischen Abstimmung vom 10. März 1985, Zürich 1985. Nach der Abstimmung reichte NR Carobbio (psa, TI) eine parlamentarische Initiative ein, mit der er im Stipendiengesetz für alle Kantone die Höhe der Stipendien harmonisieren, die Mindestbeiträge festlegen und die Voraussetzungen der Stipendiengewährung vereinheitlichen will (Verhandl. B.vers., 1985, I/II, S. 19).
[32] Solothurn : SZ, 27.3.85; 28.3.85; 21.6.85 ; 26.6.85; 1.7.85; vgl. auch EDK, Modell eines kantonalen Gesetzes betreffend Ausbildungsbeiträge, 1981. Verabschiedet wurden auch Teilrevisionen der Stipendiengesetze in BL (BaZ, 12.1.85; 30.1.85), JU (FAN, 29.3.85; 26.4.85) und LU (Vat., 5.3.85; 24.4.85). Zürich: Vr, 17.5.85; NZZ, 24.5.85; 31.5.85; 10.6.85; TA, 29.5.85; 10.6.85. Vgl. auch SPJ, 1982, S. 150; 1984, S. 161.
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