Année politique Suisse 1986 : Partis, associations et groupes d'interêt / Partis
 
Freisinnig-demokratische Partei
Die Freisinnig-demokratische Partei (FDP), die in den Nationalratswahlen von 1983 zur stärksten Landespartei aufgestiegen war, blieb von Abbröckelungserscheinungen nicht verschont. Die Fortsetzung der Reihe von kantonalen und kommunalen Wahlmisserfolgen, die im Herbst 1985 in der Westschweiz begonnen hatte, gab zur Deutung Anlass, dass der Slogan «Mehr Freiheit und Selbstverantwortung — weniger Staat» seine Wirkung verloren habe, ja bei einem Teil der Wähler zur Belastung geworden sei. Parteipräsident B. Hunziker plädierte denn auch für eine Öffnung der Partei gegenüber neuen Problemen und distanzierte sich von einer konservativen Haltung; vor allem aber wiederholte er seinen Ruf nach vermehrter innerer Geschlossenheit [8]. Als einen Problembereich, mit dem sich die Politik nunmehr zu befassen habe, signalisierte die FDP die neuen Technologien, denen sie eine ausserordentliche Delegiertenversammlung widmete. Die von dieser verabschiedeten Postulate betonten vor allem die Aufgabe des Staates, im Bildungswesen aller Stufen Voraussetzungen für den technologischen Fortschritt zu schaffen und die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu fördern. Im übrigen solle sich der Staat auf die Gewährleistung günstiger Rahmenbedingungen für die Wirtschaft beschränken, Monopolstellungen bei Regiebetrieben abbauen sowie rechtliche und administrative Hemmnisse reduzieren ; vor einer direkten staatlichen Technologieförderung wurde eher gewarnt. Von einer Verstärkung des umweltpolitischen Interesses in der FDP — zumal vor einem eidgenössischen Wahljahr — zeugte ein entsprechendes Manifest, das die Herbst-Delegiertenversammlung freilich erst teilweise genehmigte; die brisanten Postulate wurden noch einer parteiinternen Vernehmlassung unterstellt. Mindestens im Grundsatz fanden immerhin Lenkungsabgaben zur Schonung knapper Umweltgüter Zustimmung. Weitere Thesen und Grundlagenpapiere veröffentlichten Partei oder Fraktion zum Asylrecht, zur Finanz- und zur Energiepolitik [9]. Auf kantonaler Ebene hatte die FDP namentlich in Genf und Baselland sowie in der Stadt Zürich mit inneren Spannungen zu schaffen [10].
 
[8] NR-Wahlen 1983: vgl. SPJ, 1983, S. 32, 34, 39 und 219 f. Wahlmisserfolge: vgl. SPJ, 1985, S. 35 ff. sowie oben, Teil I, 1e (Kantonale Wahlen: Freiburg, Bern; Ersatzwahlen: Thurgau; Kommunale Wahlen: Zürich, Winterthur). Slogan : Sonntags-Blick, 11, 16.3.86 ; SZ, 22.7.86. Hunziker: SZ, 22.7.86 ; ferner Der Freisinn, 1986, Nr. 6; vgl. dazu SPJ, 1984, S. 216.
[9] Neue Technologien: Politische Rundschau, 65/1986, H. 2 und 3 (Postulate: H. 3, S. 3 f.); Presse vom 25.8.86. Umweltmanifest: Politische Rundschau, 66/1987, H. 1, S. 3 ff.; vgl. Presse vom 27.10.86; SGT, 29.10.86. Asylrecht: Politische Rundschau, 65/1986, H. 1, S. 2 f.; vgl. Presse vom 21.4.86. Finanzpolitik: vgl. oben, Teil I, 5 (Finanzpolitik). Energiepolitik: Politische Rundschau, 66/1987, H. 1, S. 31 ff.; vgl. NZZ, 27.9.86.
[10] Genf: 24 Heures, 30.1.86; LM, 19.2.86; L'Hebdo, 9, 27.2.86; JdG, 1.7.86; Suisse, 27.8.86. Baselland: BaZ, 29.1 1.86 ; 3.12.86 ; 5.12.86 (Austritt NR K. Flubachers, der aber in der Bundeshausfraktion bleibt). Zürich : NZZ, 7.1.86; 9.1.86; Ww, 2, 9.1.86; TA, 28.2.86 (Inserat); 13.3.86; 9.5.86 (erfolglose wilde Stadtratskandidatur von W. Knabenhans). Vgl. auch SPJ, 1985, S. 235. Über regionale Spannungen in der Tessiner Kantonalpartei vgl. G. Arigoni / P. Urio, «Aspects de la régionalisation du Parti Libéral-Radical du Tessin », in SJPW, 26/1986, S. 107 ff.