Année politique Suisse 1986 : Economie / Politique économique générale
Konjunkturlage
Auch 1986 blieb in der Schweiz die Konjunkturlage zufriedenstellend. Erste offizielle Schätzungen rechneten mit
Wachstumsraten von 1,7% für das reale Brutto-Sozialprodukt und 2,8% für das reale Brutto-Inlandprodukt. Die Steigerungsraten lagen damit zwar unter den Vorjahreswerten (je 4,0 %) aber immer noch über dem langfristigen Trend. Ein wichtiger Wachstumsfaktor bildete mit einer Zunahme von 3,0% (1985: 1,5%) der private Konsum von Gütern und Dienstleistungen. Hier wirkte sich die gute Beschäftigungslage und der aus der niedrigen Teuerung resultierende Realanstieg der verfügbaren Einkommen der Privathaushalte aus. Fast im Gleichschritt mit dem Wirtschaftswachstum entwickelten sich die laufenden Käufe des Staates und der Sozialversicherungen (+1,6% gegenüber 2,3% im Vorjahr). Die sowohl absolut als auch relativ stärkste Expansion fand bei den Investitionen statt, die gesamthaft um 10,8% (1985: 5,1 %) zunahmen. Verantwortlich dafür waren die im Zeichen der guten Wirtschaftslage und des Technologiewandels getätigten Ausrüstungsinvestitionen (+14,1%; 1985: 10,4%). Der reale Anstieg der Ausgaben für Bauten blieb mit 3,2 % (1985: 2,9%) relativ bescheiden, im Wohnungsbau ergab sich sogar eine Stagnation. Die Exporte büssten 1986 ihre Rolle als ausschlaggebender Wachstumsmotor ein. Infolge des Ölpreiszerfalls und der Höherbewertung des Frankens gegenüber dem Dollar entwickelten sich die Ausfuhren nach den Olfdrderstaaten und den USA rückläufig. Der weiterhin gute Absatz von Gütern und Dienstleistungen auf dem europäischen Markt vermochte allerdings diese Einbussen mehr als wettzumachen: insgesamt resultierte ein Wachstum von 3,0% (1985: 8,3%). Von der kräftigen Belebung der inländischen Nachfrage profitierten auch ausländische Anbieter, welche ihre Verkäufe um 7,6% (1985: 5,0%) erhöhen konnten. Obwohl das Volumen der Importe deutlich stärker zunahm als dasjenige der Ausfuhren, reduzierte sich infolge des Dollar- und Erdölpreiszerfalls das Handelsbilanzdefizit. Da sich der positive Saldo der Dienstleistungsbilanz etwa auf Vorjahreshöhe hielt, und derjenige der Arbeits- und Kapitaleinkommen nur unbedeutend abnahm, ergab sich ein weiterer Anstieg des Ertragsbilanzüberschusses auf rund 13,9 Mia Fr. (1985: 12,8)
[7].
Die
Beschäftigungslage verbesserte sich weiter. Der Zuwachs der beschäftigten Personen fiel mit 28 200 resp. +1,0% sogar noch deutlicher aus als im Vorjahr (18 600 resp. +0,8%). Somit gelang es innert zwei Jahren, den zwischen 1982 und 1984 erfolgten Arbeitsplatzabbau zu rund zwei Dritteln zu kompensieren. Dass der Beschäftigungsanstieg bei den Frauen erneut stärker ausfiel als bei den Männern (1,4 % resp. 0,8 %), kann als Indiz für die Knappheit an Arbeitskräften gewertet werden. Diese Beurteilung des Arbeitsmarktes wird auch gestützt durch die Tatsache, dass sich die zusätzlich Beschäftigten per saldo fast ausschliesslich aus ausländischen Erwerbstätigen rekrutierten. Die verbleibende Arbeitslosigkeit hatte zum überwiegenden Teil strukturelle Gründe. Die Zahl der vollständig oder teilweise Arbeitslosen reduzierte sich im Jahresdurchschnitt auf 25 714, was einem Anteil an den Beschäftigten von 0,8% entsprach. Entgegen dem langfristigen Trend der Verlagerung der Arbeitsplätze vom 2. in den 3. Sektor trugen 1986 beide Wirtschaftssektoren zum Beschäftigungsanstieg bei. Im industriellen Bereich, dessen Beschäftigtenzahl insgesamt um 1,3% expandierte, verzeichneten wiederum der Maschinen-, Apparate- und Fahrzeugbau (+ 3,0%) und die Chemie (+ 1,7%) die grössten Zuwachsraten. Überdurchschnittliche Werte registrierten im weitern die Metallindustrie (+1,5 %) und die Gruppe Kunststoff/Kautschuk/Leder (+ 1,4%). In der Textil- und in der Bekleidungsindustrie (–0,5 resp. -2,1%) und auch im Baugewerbe (–0,4%) wurde der Arbeitsplatzabbau weiter fortgesetzt. Im Dienstleistungssektor (insgesamt 1,1 % mehr Beschäftigte) wiesen lediglich der Detailhandel und das Reparaturgewerbe rückläufige Zahlen auf (–0,1 resp. -0,7%). Einmal mehr fand die grösste Ausweitung des Personalbestands bei den Banken (+6,1 %) statt; diese Branche zählte 1986 rund 40% mehr Beschäftigte als 1975
[8].
Die Rationalisierungs- und Umstrukturierungsmassnahmen führten dazu, dass sich die
Produktion noch stärker entwickelte als die Beschäftigung. Der Index der industriellen Produktion erhöhte sich um 4% (198 5 : + 5 %). Der Modernisierungsprozess scheint in der Uhrenindustrie, wo trotz stagnierendem Personalbestand die Produktion um 12% ausgeweitet wurde, am schnellsten voranzuschreiten. Wichtige Wachstumsbranchen waren 1986 im weitern der Maschinen- und Apparatebau, die Papierindustrie (je + 8 %), das Graphische Gewerbe und die Holzindustrie (je + 6 %). Eine deutliche Abschwächung war hingegen bei der Chemie festzustellen (+ 2 % gegenüber + 6,1 % im Vorjahr). Dass sich die gesamthaft stagnierenden und in der Maschinenindustrie gar sinkenden Auftragseingänge nicht negativ auf die projektierten Investitionen ausgewirkt haben, weist auf das Bestreben der Industrie hin, mit den neuen technologischen Entwicklungen Schritt zu halten. Die Zahl der Planvorlagen für industrielle Betriebe erfuhr sowohl in bezug auf die Anzahl angemeldeter Projekte als auch auf das Raumvolumen nochmals eine Steigerung. Im Baugewerbe präsentierte sich trotz stagnierendem Wohnungsbau die Lage freundlicher als 1985: Umsätze, Auftragseingänge und Arbeitsvorrat nahmen wieder zu
[9]. Der Fremdenverkehr konnte das Vorjahresergebnis nicht mehr ganz erreichen. Verantwortlich dafür war der sinkende Dollarkurs und die Angst amerikanischer Staatsangehöriger vor Terroranschlägen in Europa. Das massive Ausbleiben von Gästen aus der USA konnte durch den vermehrten Zuspruch von Touristen aus dem europäischen Ausland und dem Inland nicht kompensiert werden. Die Zahl der Hotelübernachtungen sank um 1,5%
[10].
Trotz der kräftig expandierenden Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen erhöhten sich die
Preise nur geringfügig. Der Landesindex der Konsumentenpreise blieb mit einer Zunahme von lediglich 0,8% im Jahresmittel (1985: +3,4%) nahezu unverändert. Das stabile Preisniveau war im wesentlichen verursacht durch den Preiseinbruch auf dem Erdölmarkt und den Kursanstieg des Frankens. Während sich das Preisniveau für Importgüter um 4,5% zurückbildete, erhöhte sich dasjenige für Waren und Dienstleistungen aus dem Inland um 2,9%. Der Grosshandelspreisindex verringerte sich im Jahresmittel um 4,0%, wobei hier auch bei den Inlandwaren (– 1,3%) der Teuerungssockel zum Verschwinden gebracht werden konnte
[11]. Die 1985 vom Bundesrat mit den Vorarbeiten zur Revision des Konsumentenpreisindex beauftragten Stellen (BIGA und Kommission für Konjunktur- und Sozialstatistik) einigten sich auf grundsätzliche Zielvorgaben.. Danach soll der Index Massstab der allgemeinen Preisentwicklung der für Konsumenten bedeutsamen Waren und Dienstleistungen bleiben. Die Ausklammerung gewisser Preise aus gesundheits- oder umweltschutzpolitischen Motiven, wie dies ein vom Nationalrat überwiesenes Postulat Meier (na, ZH) wünscht, würde deshalb in diesem Konzept keinen Platz haben — genausowenig aber auch der vom Gewerkschaftsbund geforderte Einbezug der direkten Steuern
[12].
[7] Mitteilungen/Kommission für Konjunkturfragen, Nr. 305; 306, S. 24, Beilagen zu Die Volkswirtschaft, 60/1987, Heft 1 und Heft 3; SNB, Geschäftsbericht, 79/1986, S. 24 ff.; siehe auch Gesch.ber., 1986, S. 299 ff. Zur Währungsentwicklung und zum Aussenhandel siehe oben, Teil I, 2 und unten, Teil I, 4b (Währung).
[8] Die Volkswirtschaft, 60/1987, S. 142 ff. Zum Arbeitsmarkt siehe auch unten, Teil I, 7a (Marché du travail).
[9] Produktion und Auftragsbestand: Die Volkswirtschaft, 60/1987, S. 155 ff. Planvorlagen: Die Volkswirtschaft, 60/1987, S. 30 ff. Zur Lage der einzelnen Branchen vgl. auch SKA-Bulletin, 92/1986, Nr. 11/12, S. 9 ff. und SBG, Schweizerisches Wirtschaftsjahr 1986, Zürich 1986, sowie unten, Teil I, 6c (Wohnungsbau).
[10] Die Volkswirtschaft, 60/1987, S. 69 f. und S. 248 ff.
[11] SNB, Geschäftsbericht, 79/1986, S. 23; Mitteilungen/Kommission für Konjunkturfragen, Nr. 305, S. 7 f., Beilage zu Die Volkswirtschaft, 60/1987, Heft 1.
[12] Gesch.ber., 1986, S. 319; Amtl. Bull. NR, 1986, S. 459; SGB, 4, 30.1.86. Vgl. auch SPJ, 1985, S. 61. Siehe ferner G. Fischer / A. Kern, «Zur Problematik der Indexbindung: Fragwürdige Diktatur des Konsumentenpreisindexes», in Aussenwirtschaft, 41/1986, S. 483 ff.
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