Année politique Suisse 1986 : Economie / Crédit et monnaie / Banken
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Gelder ausländischer Politiker
Mit dem vorläufigen Verzicht auf eine Teilrevision ist auch die Forderung nach der Verankerung der Sorgfaltspflichtvereinbarung (SVB) bei der Entgegennahme von Geldern im Bankengesetz gescheitert. Die Nationalbank kündigte an, dass sie sich an der auf den 1. Oktober 1987 fälligen Erneuerung dieser 1977 im Anschluss an den Skandal um die Filiale Chiasso der SKA erstmals unter den Banken abgeschlossenen Konvention nicht mehr beteiligen werde. Ihre Teilnahme an dieser privatrechtlichen Vereinbarung erachte sie nicht für nötig und sie gehöre auch nicht in ihren Aufgabenbereich. Die Bankiervereinigung beabsichtigt, die SVB als reine Standesregel zu konzipieren und sie wegen des Ausscheidens der Nationalbank um Sanktionsbestimmungen zu ergänzen. An der umstrittenen Regelung bei der Abwicklung von Geschäften über Anwälte und Treuhänder will sie jedoch festhalten. Diese besagt, dass die Banken auf eine Identitätsüberprüfung verzichten können, wenn eine schriftliche Zusicherung über die Bekanntheit des Mandanten sowie über die Rechtmässigkeit der Herkunft der Gelder vorliegt. Für die Eidgenössische Bankenkommission ist diese Ausnahmebestimmung allerdings unhaltbar. Falls sie in den neuen Standesregeln nicht gestrichen wird, will die Kommission in Zukunft, gestützt auf die im Bankengesetz enthaltene Vorschrift der einwandfreien Geschäftsführung, eine generelle Identitätsfeststellung durch die Banken verlangen [13].
Dass die Bankenkommission bestrebt ist, die ihr vom Bankengesetz eingeräumten Kompetenzen weiter als bisher zu fassen, zeigte sich bei der Blockierung der auf Schweizer Konten liegenden Gelder von Marcos und Duvalier. Nach dem Ende Februar erfolgten Sturz des philippinischen Präsidenten Marcos und dessen Flucht ins amerikanische Exil hatten ihn Vertreter der neuen Regierung und der Massenmedien beschuldigt, während seiner Amtszeit illegal erworbene Vermögenswerte ins Ausland und insbesondere auch in die Schweiz transferiert zu haben. Die Bankenkommission machte die Banken auf ihre Sorgfaltspflicht im Umgang mit eventuell kriminell zustandegekommenen Einlagen aufmerksam und wurde daraufhin von einer Bank über einen möglicherweise bevorstehenden Vermögensabzug orientiert. Da zu diesem Zeitpunkt ein Rechtshilfegesuch der philippinischen Regierung noch nicht angekündigt war, verordnete der Bundesrat am 24. März, gestützt auf den aussenpolitischen Kompetenzartikel 1028 BV, eine vorsorgliche Blockierung der Marcos-Konten. Zwei Tage später teilte die Bankenkommission mit, dass es nicht mit der bankengesetzlichen Vorschrift der einwandfreien Geschäftsführung vereinbar wäre, vor Abklärung der Rechtslage den Transfer von Vermögenswerten der Marcos-Familie zuzulassen; sie forderte die Banken ausserdem zur Meldung allfälliger Konten auf. Als rund einen Monat später ein formelles Rechtshilfegesuch eingereicht wurde, konnte die notrechtliche Blockierung durch die im Bundesgesetz über die internationale Rechtshilfe vorgesehene Sperrung ersetzt werden. In der Mehrzahl der Kommentare wurde das Vorgehen des Bundesrats und der Bankenkommission als notwendig für die Wahrung des Ansehens des Landes und auch des Finanzplatzes beurteilt. Namentlich die Banken zogen demgegenüber die ausreichenden rechtlichen Grundlagen für diese Entscheide in Zweifel, und sie wiesen darauf hin, dass der Bundesrat noch 1979 anlässlich des Sturzes des Schahs von Persien ein solches Vorgehen abgelehnt hatte. Im Falle des gestürzten haitischen Diktators Duvalier erübrigten sich aussergewöhnliche Schritte der Regierung und des Aufsichtsorgans. Die offizielle Ankündigung der Einreichung eines Rechtshilfegesuchs durch die neuen Behörden erlaubte dem Bundesamt für Polizeiwesen die vorsorgliche Sperrung der in Frage kommenden Konten, noch bevor das eigentliche Gesuch eintraf [14].
Den Banken werden von einem Teil der Öffentlichkeit nicht nur ihre geschäftlichen Beziehungen zu einzelnen korrupten Staatsoberhäuptern, sondern generell zu Entwicklungsländern und Diktaturen vorgeworfen. Kritisiert wurden namentlich die Verbindungen der Grossbanken zu der von immer mehr Staaten und Privatfirmen wegen ihrer Rassenpolitik boykottierten Republik Südafrika. Vorsprachen hoher kirchlicher Amtsträger und die Gründung eines oppositionellen Aktionärskomitees bei der besonders involvierten SBG änderten nichts an der Haltung der Banken, die Geschäfte im bisherigen Rahmen weiterführen zu wollen [15].
 
[13] BaZ, 19.9.86; 17.10.86; NZZ, 27.9.86; TA, 17.10.86; wf, Dok., 51-52, 22.12.86; Amtl. Bull. NR, 1986, S. 2086 ; Schweiz. Bankiervereinigung, Jahresbericht, 74/1985-86, S. 54 f. ; Eidg. Bankenkommission, Jahresbericht 1986, S. 22 ff. NR Carobbio (psa, TI) fordert mit einer Motion eine rechtliche Regelung des Treuhänderberufs (Verhandl. B.vers., 1986, V, S.52). Vgl. auch SPJ, 1977, S. 69.
[14] Marcos: Amtl. Bull. NR, 1986, S. 126 f. und 1515 ff.; BaZ, 20.3.86; Presse vom 26.3.86; NZZ, 27.3.86; 1.4.86; 10.4.86 (Kritik); 22.4.86; 24.4.86 (Einreichung Rechtshilfegesuch). Zur Diskussion um die Zulässigkeit des Rechtshilfegesuchs vor der offiziellen Erhebung der Strafklage siehe JdG, 2.9.86; NZZ, 2.9.86; 11.10.86; Bund, 6.10.86 ; Presse vom 10.10.86. Zu den Verbindungen von Marcos zu den Schweizer Banken siehe 24 Heures, 21.10.86; 22.10.86; 28.10.86; Vr, 14.11:86; Bilanz, 1986, Nr. 12, S. 12 ff. Duvalier: NZZ, 16.4.86. Siehe zu beiden Fällen auch Eidg. Bankenkommission, Jahresbericht 1986, S. 25 ff.; Schweiz. Bankiervereinigung, Jahresbericht, 74/1985-86, S. 56 ff. Zum Iran vgl. SPJ, 1979, S. 49.
[15] Vr, 9.4.86 ; NZZ, 11.4.86 ; 25.6.86 ; SZ, 27.9.86 ; Solidarische Entwicklung, 1986, Nr. 4, S. 2. Der Bundesrat lehnte in seiner Antwort auf eine Interpellation Pitteloud (sp, VD) Sondervorschriften für die Geschäftsbeziehungen der Banken zu Diktaturen und Drittweltstaaten sowie deren Staatschefs ab (Amtl. Bull. NR, 1986, S. 488 f.). Vgl. auch B. Weyermann, Die Financiers der weissen Herren, Bern 1986. Siehe auch oben, Teil I, 2 (Droit de l'homme) und unten, Teil I, 8b (Kirchen).