Année politique Suisse 1986 : Economie / Agriculture
Forstwirtschaft
Der Zustand des Waldes verschlechterte sich 1986 massiv; nach der Sanasilva-Waldschadeninventur ist nun
bereits die Hälfte der Bäume in der Schweiz geschädigt, das sind 14% mehr als 1985. Besonders alarmierend sind die Verhältnisse im Berggebiet, wo der Anteil der geschädigten Bäume bereits auf 60%, auf der Alpensüdseite gar auf 65% gestiegen ist. Nach einer Studie der SGU wird das anhaltende Waldsterben im Berggebiet in den nächsten Jahren zu einer ernsthaften Bedrohung von Mensch und technischer Infrastruktur (Verkehrswege, Stauseen) führen. Die Schadenkosten dürften insgesamt auf gegen 44 Mia Fr. ansteigen: Dabei wird die Forstwirtschaft voraussichtlich für Zwangsnutzungen und fallende Holzpreise 12 Mia Fr. aufzuwenden haben ; für weitere 18 Mia Fr. müssen Schutzbauten erstellt werden, und die Schäden, welche durch erhöhte Naturgefahren entstehen, dürften auf 14 Mia Fr. zu stehen kommen. In der Tourismusbranche wiederum muss mit dem Verlust von 18 000, in der Industrie von 17 000 Arbeitsplätzen gerechnet werden
[25].
Um verstärkt gegen das Absterben der Wälder vorgehen zu können,
erhöhten die eidgenössischen Räte die forstlichen Subventionen beträchtlich. Für 1987 wurden 124 Mio Fr. bewilligt, das sind 18 % mehr als für 1986 und das Dreifache des Betrags von 1983. Diese Zunahme war — neben den 1985 beschlossenen Bundesbeiträgen zur Bekämpfung von Waldkrankheiten — eine Folge des im Berichtsjahr überwiesenen Postulats von Ständerat Lauber (cvp, VS), der eine grosszügigere Interpretation des Forstpolizeigesetzes (FpolG) forderte, um die Subventionen für Wiederherstellungsprojekte bei geschädigten Wäldern namentlich mit Treibstoffzollgeldern erhöhen zu können. Eine verstärkte Bundeshilfe, welche die Forstwirtschaft wie die übrigen Bereiche der Landwirtschaft immer mehr in ein Subventionsgeflecht einbindet, bildet auch einen zentralen Bestandteil des neuen FpolG, welches in die Vernehmlassung geschickt wurde. Weitere Grungedanken dieses Gesetzes sind die Erhaltung des Waldes in seiner Gesamtfläche und räumlichen Verteilung (quantitative Walderhaltung) und die Sicherstellung einer minimalen Bewirtschaftung. In der Vernehmlassung kritisierten vor allem die Gebirgskantone, dass die Vorlage zu zentralistisch sei und auf die regional verschiedenen forstlichen Gegebenheiten zu wenig Rücksicht nehme. Umstritten war auch die generelle Bewirtschaftungspflicht; namentlich Umweltschutzkreise befürchteten eine unerwünschte Erschliessung bisher ungenutzter Wälder. Ausserdem wurde eine explizite Erwähnung der qualitativen Bewirtschaftung des Waldes vermisst. Viele Vernehmlasser, darunter auch der Schweizerische Verband für Waldwirtschaft, wiesen darauf hin, dass die vorgeschlagenen forstpolizeilichen Massnahmen zwar zu begrüssen seien, dass diese aber letztlich nur begrenzte Wirkung hätten, solange nicht gegen die Ursache des Waldsterbens, die verschmutzte Luft, angegangen würde
[26].
Mit der Verschlechterung des Zustandes der Wälder vergrösserte sich auch die Zahl der defizitären Forstbetriebe (auf fast 50%). Hauptgrund für die seit 1983 roten Zahlen der Waldwirtschaft ist — als Folge von Zwangsnutzungen — die sogenannte Holzschwemme in Europa, welche das Preisniveau um 20% hat absinken lassen. Erneut erhoben daher die forstwirtschaftlichen Kreise ihre Forderung nach protektionistischen Massnahmen
[27].
[25] Sanasilva: Sanasilva Waldschadenbericht 1986, Bern 1986; Presse vom 15.8.86 ; 28.11.86; AT, 29.10,86. SGU-Studie : SGU, Die wirtschaftlichen Folgen des Waldsterbens in der Schweiz, Zürich 1986 ; Vat., 4.2.86 ; LNN, 15.3.86; BaZ, 27.6.86; 5.9.86 ; NZZ, 2.9.86; TA, 3.9.86 ; vgl. auch die beiden Vorstösse von NR Künzi (fdp, ZH) betreffend Konsequenzen aus der Sanasilva-Studie und für Sondermassnahmen zugunsten der Forstwirtschaft (Amtl. Bull. NR, 1986, S. 1991 ff. und 2041 f.) sowie Amtl. Bull. NR, 1986, S. 451, 463 f. und 1002 ; NZZ, 21.6.86. Vgl. ferner W. Zimmermann, Erhaltung und Verbesserung des Waldzustandes: Katalog möglicher staatlicher Massnahmen, Zürich 1986; Ders., «Rückblick auf einige wichtige forstpolitischen Entscheide des Bundes im Jahre 1986», in Schweiz. Zeitschrift für Forstwesen, 138/1987, S. 321 ff.; BA für Umweltschutz, Ausgewählte Probleme in Waldböden (Nährstoffverhältnisse, Bodenversauerung, Verhältnisse im Wurzelraum, Schäden), Bern 1986; H. Leibundgut, Unsere Gebirgswälder, Bern 1986; BaZ, 24.4.86 ; NZZ, 21.6.86 ; 26.9.86; Ww, 36, 4.9.86; Vat., 28.11.86. Vgl. auch SPJ, 1985, S. 125 f. und unten Teil I, 6d (Umweltpolitik).
[26] Amtl. Bull. StR, 1986, S. 37 f.; AT, 17.6.86 ; 30.7.86 ; Bund, 17.6.86; NZZ, 17.6.86 ; 15.8.86 ; 27.8.86; Presse vom 29.12.86. Der Entwurf zum neuen FPoIG basiert auf dem bestehenden FPoIG von 1902, den Beschlüssen aus der Walddebatte der eidg. Räte von 1985 sowie dem Projekt der Neuverteilung der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen. Vgl. auch H. Wandeler, «Die Revision der eidgenössischen Forstgesetzgebung: Stand und Schwerpunkte», in Schweiz. Zeitschrift für Forstwesen, 136/1985, S. 662 ff.; Amtl. Bull. NR, 1986, S. 1052. Eine Standesinitiative des Kantons NE für eine quantitative Fixierung der Waldfläche wurde vom Parlament abgelehnt genauso wie eine ähnlich lautende Motion Berger, svp, VD (Amtl. Bull. NR, 1986, S. 152 ff.; Amtl. Bull. StR, 1985, S. 761; NZZ, 11.3.86). Weil die Volksinitiative «Kampf dem Waldsterben» — v.a. aus organisatorischen Gründen — nicht zustande kam, lancierte der Umweltschützer Franz Weber eine neue Initiative «Rettet unsere Wälder» mit demselben Inhalt (BBl, 1986, II, S. 85 f.; NZZ, 29.4.86; 6.5.86; TA, 29.4.86). Zum Entscheid des Bundesgerichts betreffend zulässige Rodung des Schutzwaldes in Crans-Montana siehe Schweiz. Zeitschrift für Forstwesen, 138/1987, S. 328 ff.; TA, 20.3.86 ; SGT, 21.3.86 ; 14.4.86 ; NZZ, 12.9.86 sowie unten Teil I, 7b (Sport). Vgl. ferner SPJ, 1984, S. 95 f.; 1985, S. 95 f. und 125 f. sowie unten Teil I, 6d (Umweltpolitik).
[27] BaZ, 19.8.86; 6.9.86; 22.10.86; Bund, 25.8.86; 4.12.86; LID, Press., 1460, 5.9.86; siehe auch Schweiz. Holzindustrie-Verband, 100 Jahre schweizerischer Holzindustrie-Verband: 1886-1986, Bern 1986; Der Monat, 1986, Nr. 5 ; BA für Statistik, Forstbetriebe nach Kantonen, Bern 1986 ; dass., Jahrbuch der schweizerischen Wald- und Holzwirtschaft 1985, Bern 1987; Die Volkswirtschaft, 59/1986, S. 769 ff. (Betriebszählung in der Waldwirtschaft 1985); 60/1987, S. 344 ff. (Holzwirtschaft 1986); Bund, 11.2.86; AT, 3.4.86; NZZ, 4.10.86. Zum Nationalen Forschungsprogramm 12 «Holz, erneuerbare Rohstoff- und Energiequelle» siehe NZZ, 20.1.86.
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