Année politique Suisse 1986 : Infrastructure, aménagement, environnement / Transports et communications
 
Strassenverkehr
Zur Reduktion der Luftbelastung durch den Strassenverkehr wurden weitere Vorschriften erlassen. Wie weiter unten ausgeführt, verschärfte der Bundesrat die Abgasnormen auch für schwere Dieselfahrzeuge und motorisierte Zweiräder, so dass nun der Bereich der Motorfahrzeugabgase umfassend geregelt ist [11]. Da den technischen Möglichkeiten zur Reduktion der Schadstoffemissionen bald einmal Grenzen gesetzt seien, forderten der VCS und verschiedene Umweltorganisationen erneut die Einschränkung des privaten Motorfahrzeugverkehrs. Der Bundesrat verzichtete allerdings darauf, drastische Massnahmen wie Treibstoffrationierung, Öko-Bonus oder motorfahrzeugfreie Tage im Rahmen des Luftreinhalte-Konzepts vorzuschlagen, da sie politisch gegenwärtig kaum realisierbar seien. So gab der Nationalrat einer Standesinitiative des Kantons Bern, welche die Vorbereitung einer Treibstoffrationierung verlangte, keine Folge [12].
Die im Vorjahr als Sofortmassnahme gegen das Waldsterben in Kraft gesetzte Reduktion der Höchstgeschwindigkeiten auf National- und Hauptstrassen (Tempo 120/80) beschäftigte Parlament und Offentlichkeit 1986 weiter. Während Vertreter der Automobilisten die auch von der hängigen Volksinitiative «Pro Tempo 130/100» angestrebte Wiedereinführung der alten Limiten verlangten, forderten Umweltschutzkreise erneut Tempo 100 auf Autobahnen. Der Nationalrat verwarf jedoch entsprechende Vorstösse und lehnte auch eine Motion Oehler (cvp, SG) ab, welche die Zuständigkeit für Geschwindigkeitsbegrenzungen vom Bundesrat auf das Parlament übertragen wollte. Zur Verkehrsberuhigung wurde ferner die Festsetzung der Höchstgeschwindigkeit in Wohnquartieren auf 30 km/h verlangt. Der Nationalrat entsprach diesem Anliegen insofern, als er eine Kommissionsmotion betreffend Erleichterung des Verfahrens bei der Einführung von Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Gemeinde- und Quartierstrassen überwies [13].
Gegenüber dem Vorjahr wurden auf den Schweizer Strassen wieder mehr Menschen getötet und verletzt. Bei einer Zunahme der gesamthaft registrierten Verkehrsunfälle um 5,8% verzeichnete die Unfallstatistik 1034 Tote (+ 13,9%) und 30 320 Verletzte (+1,7%). Dabei ereigneten sich deutlich mehr Unfälle auf Autobahnen (+17%). Die alarmierende Zunahme der schweren Verkehrsunfälle wurde auf die gesunkene Disziplin der Motorfahrzeuglenker und die mangelnde Einhaltung der Geschwindigkeitsbeschränkungen zurückgeführt. Überdurchschnittlichen Risiken sind im Strassenverkehr neben Kindern und Betagten die Zweiradfahrer ausgesetzt. Die Schweizerische Konferenz für Sicherheit im Strassenverkehr (SKS) startete eine Aktion «Sicherheit für Zweiradfahrer», um das erhöhte Unfallrisiko dieser Verkehrsgruppe zu senken. Mit Kundgebungen «für mehr Platz auf der Strasse» forderten der VCS und lokale Velo-Interessengemeinschaften (IG-Velo) am 7. Nationalen Velotag ebenfalls mehr Rücksicht auf den Zweiradverkehr [14].
Der Bundesrat verabschiedete die Botschaft zur Teilrevision des Strassenverkehrsgesetzes (SVG). Neben Bestimmungen zur Verkehrssicherheit wie dem Führerausweisentzug bei Vereitelung einer Blutprobe und dem Verbot von Radarwarngeräten sieht die SVG-Änderung insbesondere die Erhöhung der zulässigen Fahrzeughöchstbreite von 2,3 m auf die international anerkannte Norm von 2,5 m vor. Gegen die neue Breitenlimite setzten sich vor allem die Umweltschutzorganisationen zur Wehr: Für breitere Last- und Gesellschaftswagen müssten zwangsläufig Strassen in Wohnquartieren, in ländlichen Gebieten und zahlreichen Alpentälern ausgebaut werden. Zudem wurde befürchtet, dass auf Druck der Lastwagen-Lobby in einem zweiten Schritt auch die Gewichtslimite von 28 t der höheren EG-Norm (41 t ab 1992) angenähert würde. Eine Erhöhung des Fahrzeughöchstgewichts auf 35 t hätte nach einer ETH-Studie eine Verzehnfachung der Tonnage im Alpentransit über die Strasse zur Folge [15].
Die Neugestaltung der Strassenrechnung, welche unter anderem die Abschreibungsdauer von Strasseninvestitionen verlängert und die Kostenarten neu definiert, wurde vom Bundesrat im Sommer beschlossen, konnte allerdings für die Rechnung 1984 erst zum Teil berücksichtigt werden. Nach dem provisorischen Ergebnis der Kapitalrechnung ergab sich für den Motorfahrzeugverkehr 1984 ein Defizit von 520 Mio Fr., was einer Kostendeckung von 87,6% (80,6% nach der alten Berechnungsmethode) entspricht. Für den privaten Schwerverkehr wurde eine Kostenunterdeckung von 200 Mio Fr. (69% Deckung) geschätzt. Die Verwaltung ist ferner daran, ein Modell zu entwickeln, das es erlauben wird, künftig auch die externen Faktoren (Umweltschutz- und soziale Kosten sowie den volkswirtschaftlichen Nutzen) des Strassenverkehrs in die Rechnung einzubeziehen, wie dies von den Umweltschützern und den Förderern des öffentlichen Verkehrs wiederholt verlangt worden war [16].
 
[11] Abgasvorschriften: siehe unten, Teil I, 6d (Luftreinhaltung); vgl. NZZ, 27.3.86; 2.9.86; SGT, 24.6.86; BaZ, 3.9.86; VCS-Zeitung, 1986, Nr. 3, S. 9; BUS, Schadstoffemissionen des privaten Strassenverkehrs 1950-2000, Bern 1986. Weil sich viele Leute vor Inkrafttreten der strengen US-83-Abgasnormen (Oktober 1987) noch ein Modell ohne Katalysator sichern wollten, brachen die Autoverkäufe 1986 alle Rekorde (TA, 16.8.86; 29.12.86; BaZ, 19.8.86 ; BZ, 17.12.86). Zur Förderung der Einführung von Katalysator-Autos siehe Amtl. Bull. StR, 1986, S. 102 f. (als Postulat überwiesene Motion Bührer, sp, SH); Verhandl. B.vers., 1986, V, S. 103 f. (Motion Schäle, fdp, SH); BaZ, 16.1.86 ; Vat., 1.10.86. Siehe ferner F. Mühlemann, «Zur Zukunft des Autos», in Jahrbuch der Schweiz. Verkehrswirtschaft 1986, S. 113 ff. sowie SPJ, 1985, S.108 f.
[12] Verkehrsbeschränkungsmassnahmen : BZ, 3.4.86 (Studie zur Umlagerung der Fixkosten auf den Benzinpreis); TA, 27.6.86 (Benzinrationierung); BaZ, 1.8.86 (Situation in verschiedenen Städten); Presse vom 18.9.86 (Luftreinhalte-Konzept). Der BR teilte ferner der Berner Regierung mit, dass er dem Begehren nach 6 autofreien Sonntagen nicht stattgeben will (NZZ, 21.3.86; vgl. SPJ, 1985, S. 109, Anm. 11). Standesinitiative BE : Amtl. Bull. NR, 1986, S.1624 ff. und 1658; vgl. SPJ, 1985, S. 109, Anm. 11 und S. 235. Siehe auch R. Studer, «Strassenverkehr und Umweltschutz», in Jahrbuch der Schweiz. Verkehrswirtschaft 1986, S. 133 ff.
[13] Tempo 120/80: Amtl. Bull. NR, 1986, S. 633 ff., 638 f. (Motion Oehler), 639 ff. und 642 f.; SGT, 16.1.86; 12.2.86 ; 20.2.86 ; Presse vom 6.6.86 ; AT, 27.9.86 ; vgl. SPJ, 1984, S. 109 f. ; 1985, S. 109. Tempo 30 : TA, 28. I.86 ; Brückenbauer, 8, 19.2.86; BaZ, 20.6.86; BZ, 27.10.86; Umweltschutz in der Schweiz, 1986, Nr. 1, S. 40; Nr. 2, S. 30 ff.; T. Jaag, «Verkehrsberuhigung im Rechtsstaat», in Schweiz. Zentralblatt für Staats- und Gemeindeverwaltung, 87/1986, S. 289 ff.; vgl. auch die von der LdU/EVP-Fraktion eingereichte Motion für Tempo 30 in Wohnquartieren ( Verhandl. B.vers., 1986, II, S. 37; NZZ und Vat., 10.9.86). Kommissionsmotion: Amtl. Bull. NR, 1986, S. 632).
[14] Unfälle: Presse vom 27.2.86; BA für Statistik, Strassenverkehrsunfälle in der Schweiz 1986, Bern 1987; vgl. Bund, 6.6.86 (Entwicklung der Unfallbilanz 1970-1985); VO, 26, 3.7.86; Presse vom 20.8.86; NZZ, 4.9.86 ; VCS-Zeitung, 1986, Nr. 1, S. 11 ; Nr. 2, S.10. Auf Anfang 1987 wurden ferner neue Weisungen betreffend die Feststellung von Angetrunkenheit am Steuer erlassen (BaZ und NZZ, 14.11.86; vgl. auch BBl, 1986, III, S. 209 ff., v.a. S. 219 ff.). SKS-Aktion: NZZ, 20.3.86; BaZ, 22.3.86. Velotag: BaZ, 6.6.86; Presse vom 9.6.86; vgl. VCS-Zeitung, 1986, Nr. 3. Zum Internationalen Planungsseminar für Fahrradverkehr in Bern siehe Bund, 3.9.86; 5.9.86; BZ, 4.9.86; NZZ, 9.9.86.
[15] SVG-Revision: BBl, 1986, III, S. 209 ff.; Presse vom 28.8.86. Widerstand gegen breitere Lastwagen: Amtl. Bull. NR, 1986, S. 644f.; TA, 22.12.86; der VCS bekräftigte seinen Entscheid, das Referendum zu ergreifen, falls diese Neuerung vom Parlament genehmigt werde; vgl. SPJ, 1985, S. 110. ETH-Studie: Bund, 23.7.86; vgl. NZZ, 4.12.86. Siehe auch die von der LdU/EVP-Fraktion eingereichte Motion betreffend Überprüfung des SVG im Hinblick auf das Umweltschutzgesetz (Verhandl. B. vers., 1986, II, S. 37; NZZ, 7.10.86).
[16] SHZ, 3, 16.1.86; Presse vom 26.6.86; NZZ, 13.8.86; 31.10.86; BZ, 31.10.86 (Berücksichtigung externer Kosten); wf, Dok., 49, 8.12.86 (Ergebnisse 1984 der Eisenbahn- und Strassenrechnung); Die Volkswirtschaft, 59/1986, S. 674 ff. (Ergebnisse der Strassenrechnung 1984); Schweiz, Strassenverkehrsverband, FRS 1986, Bern 1987, S. 28 ff.; LITRA, Jahresbericht 1985/86, Bern 1986, S. 50 f.; P. Oswald, Übergang von fixen zu variablen Kosten im Motorfahrzeugverkehr: Analyseder Auswirkungen und Ansätze zur Ausgestaltung, Basel 1985 ; vgl. SPJ, 1985, S. 110.