Année politique Suisse 1986 : Infrastructure, aménagement, environnement / Protection de l'environnement / Abfälle
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Sondermüll
Immer dringlicher wird das Problem der Entsorgung von Sondermüll. Zurzeit fehlen in der Schweiz sowohl leistungsfähige Verbrennungsanlagen als auch Deponiemöglichkeiten. Der Abfallexport ist jedoch langfristig keine Lösung. Um der ausserdem befürchteten illegalen Beseitigung von gefährlichen Abfällen entgegenzuwirken, forderte eine vom Nationalrat in Postulatsform überwiesene Motion Künzi (fdp, ZH) die Regierung auf, den Standort für eine Sonderabfallverbrennungsanlage verbindlich festzulegen. In seiner Antwort erklärte der Bundesrat, dass er mehr denn je von der Notwendigkeit neuer Verbrennungsanlagen für Sondermüll überzeugt sei, vorläufig aber auf die Privatwirtschaft zähle. Gestützt auf die im Leitbild für die schweizerische Abfallwirtschaft aufgestellten Grundsätze will er dem Parlament so rasch als möglich Vorschläge unterbreiten, mit denen die Rahmenbedingungen für eine leistungsfähige Sonderabfallentsorgung auf privatwirtschaftlicher Basis verbessert werden [25].
Um die — nach der Schliessung der Deponie Kölliken (AG) dringlich gewordene — kontrollierte Endlagerung von Sondermüll zu gewährleisten, schlug der Bund in Zusammenarbeit mit den Industriekantonen des Mittellandes fünf mögliche Deponiestandorte vor. Die betroffenen Gemeinden lehnten die Errichtung von Sonderabfalldeponien auf ihrem Gebiet jedoch entschieden ab. In seiner Stellungnahme zu einer Motion Spoerry (fdp, ZH) bekräftigte der Bundesrat, dass er nötigenfalls von seiner Kompetenz, selber solche Standorte zu bestimmen, Gebrauch machen werde [26].
Zur Überwachung des Verkehrs mit Sonderabfällen, einschliesslich der Ein-, Aus- und Durchfuhr, setzte der Bundesrat eine entsprechende Verordnung (VVS) auf den 1. April 1987 in Kraft. Die VVS ermöglicht die Kontrolle von Sondermüll vom Ort seiner Entstehung bis zur endgültigen Entsorgung, indem sie eine genaue Deklaration der abgegebenen Abfälle vorschreibt und von Betrieben, die Sondermüll zur Behandlung annehmen, eine kantonale Bewilligung verlangt. Damit will die VVS die Entsorgungswege von teilweise hochtoxischen Abfällen transparent machen und Gewähr für eine fachlich qualifizierte Entsorgung bieten [27].
 
[25] Amtl. Bull. NR, 1986, S. 1469 f. (Motion Künzi) und S. 1505 f. Siehe auch BZ, 23.1.86; BaZ, 15.2.86; WoZ, 17, 25.4.86; NZZ, 7.11.86. Zum Skandal um die illegale Lagerung von Giftmüll in Würenlingen (AG) siehe Presse vom 10.9.86; AT, 22.10.86; 28.10.86; Ww, 43, 23.10.86. Zum Problem der Entsorgung von Sonderabfällen, die im Haushalt anfallen siehe TA, 13.11.86; BaZ, 14.11.86.
[26] Im Rahmen der Präsentation der Vorstellungen des Bundesrates zur künftigen Sondermüllentsorgung wurden die Gemeinden Pieterlen (BE), Pfaffnau (LU), Hägendorf (SO), Ormalingen (BL) und Dietgen (BL) als mögliche Standorte für Sonderabfalldeponien bezeichnet (Presse vom 11.4.86). Reaktionen: NZZ, 12.4.86; 29.4.86 ; WoZ, 19, 17.5.86 ; BaZ, 7.7.86 ; Ww, 41, 9.10.86 ; Bund, 22.12.86 ; siehe auch SPJ, 1985, S. 131. Eine Denkpause bei der Suche nach neuen Deponien forderten namentlich auch Umweltschutzkreise; sie kritisierten das bundesrätliche Sonderabfallentsorgungskonzept, da es statt bei der Abfallverminderung erst bei der Entsorgung einsetze, und verlangten vom Bund Vorschläge, wie die Sondermüllmenge bis zum Jahr 2000 um die Hälfte reduziert werden könne (BaZ, 16.4.86 ; 28.6.86). Motion Spoerry: Verhandl. B.vers., 1985, V, S. 80; NZZ, 4.3.86 (Stellungnahme BR).
[27] AS, 1987, S. 55 ff.; Presse vom 13.11.86 ; siehe auch SPJ, 1985, S. 131, Anm. 20. Irrfahrten wie im Fall der Seveso-Dioxinfässer sollten künftig nicht mehr möglich sein. Zur internationalen Koordination bezüglich des Verkehrs mit Sonderabfällen siehe Gesch.ber., 1986, S. 104.