Année politique Suisse 1986 : Enseignement, culture et médias / Enseignement et recherche
 
Forschung
Die Bemühungen des Bundes, den Rückstand der schweizerischen Forschung im Bereich der neuen Technologien wettzumachen, bewegen sich auf zwei Ebenen: Einerseits werden landesintern Kredite für neue Stellen und Infrastrukturen bereitgestellt, andrerseits wird die Beteiligung schweizerischer Institute und Firmen an internationalen Projekten gefördert. Zu den genannten Massnahmen gehören die oben erwähnten Sonderkredite zugunsten der Ausbildung und Forschung in Informatik und Ingenieurwissenschaften. Im gleichen Sinne bestimmte der Schweizerische Nationalfonds (SNF) für 1987 beinahe zwei Drittel seiner Mittel für Forschungsprojekte aus den Gebieten der Biologie, Medizin, Mathematik und Exakte Naturwissenschaften [27]. Auf der Ebene der internationalen wissenschaftlichen und technologischen Zusammenarbeit stand im Berichtsjahr die Beteiligung der Schweiz am Unternehmen EUREKA (Europäische Forschungszusammenarbeit auf den Gebieten der Hochtechnologie) im Vordergrund. Ende 1986 waren bereits 16 Schweizer Firmen und Forschungsinstitute zur Mitarbeit zugelassen. Für den Bundesrat stellte sich trotzdem die Frage einer Änderung der bisherigen, nur die Forschungsinstitute berücksichtigenden Subventionspraxis, die auch finanzschwächeren Unternehmen die Beteiligung an EUREKA ermöglichen soll. Gegen eine solche staatliche Unterstützung der inländischen Unternehmen sprach sich der Vorort des Schweizerischen Handels- und Industrievereins (SHIV) aus und begründete dies mit der Gefahr von neuen Subventionstatbeständen [28].
Die konfliktreichen Beziehungen zwischen Persönlichkeitsschutz und Forschungsfreiheit lagen erneut schweizerischen Gerichten zur Beurteilung vor. Im Jahre 1983 hatte der Berner Geschichtsprofessor und alt SVP-Nationalrat Walther Hofer in einem Artikel über den Reichstagsbrand den 1961 verstorbenen Zürcher Wilhelm Frick, einen Hauptinitianten der «Eingabe des 200» aus dem Zweiten Weltkrieg, als Vertrauensanwalt einer Gestapo-Abteilung bezeichnet. Darauf wurde der Autor von den Nachkommen des Angegriffenen wegen übler Nachrede verklagt und nach einem bis vor das Bundesgericht gezogenen Verfahren verurteilt. In einer Erklärung solidarisierten sich namhafte Persönlichkeiten mit Professor Hofer und gaben ihrer Befürchtung Ausdruck, dass mit solchen Gerichtsurteilen das öffentliche Interesse an Aufklärung und wissenschaftliche Wahrheitsfindung immer mehr privaten Schutzinteressen geopfert werde, was eine kritische Geschichtswissenschaft verunmögliche [29].
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W.S.
 
[27] Wissenschaftspolitik, 15/1986, S. 81 ff. (Jahresbericht des SNF 1985). Zur Änderung der Förderungspolitik des SNF : NZZ, 6.9.86 ; siehe auch Bilanz, 1986, Nr. 5 ; BaZ, 21.11.86 ; 1.12.86 ; Presse vom 9.12.86. Gegen die Tendenz des SNF, geistes- und sozialwissenschaftliche Projekte einerseits und Forscherinnen andrerseits zu benachteiligen, protestierte der Verein feministische Wissenschaft Schweiz (siehe oben : Hochschule). Vgl. auch Schwarzmann, Der Schweizerische Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, Zürich 1985; Schweiz. Wissenschaftsrat, Forschungspolitische Früherkennung: Kurzfassung der Expertisen, Band 1, Bern 1986; ETH Zürich, Forschung 1983-1985, Bericht der Institute, Zürich 1985 ; Universität Basel, Forschung—Entwicklung — Beratung, Basel 1985; Universität Bern, Forschungsberichte 1985 (Berichtsperiode 1983-1984), Bern 1985; R. Albonico u.a., Nutzniesser und Betroffene von Wissenschaften, Zürich 1986; Civitas, 41/1986, S. 155 ff . , 259 ff . und 349 ff . ; SHZ, 16, 22.4.86. Vgl. auch Gesch. ber., 1986, S. 121 ff . und SPJ, 1983, S. 170; 1985, S. 176.
[28] BBl, 1986, I, S. 564 ff. (Grundsatzerklärung EUREKA); SHIV, Schweizerische Forschungs- und Bildungspolitik im Konflikt zwischen dem Möglichen und dem Wünschbaren, 1986 ; Bundesamt für Bildung und Wissenschaft, «Die Beteiligung der Schweiz an der internationalen wissenschaftlichen und technologischen Zusammenarbeit», in Wissenschaftspolitik, 15/1986, S. 243 ff.; SHZ, 5, 30.1.86 ; 45, 6.11.86 ; BaZ, 30.6.86 ; 2.7.86 ; NZZ, 1.7.86; 15.8.86; Ww, 35, 28.8.86; TA, 18.12.86. Siehe auch die Interpellation Couchepin (fdp, VS) betreffend die internationale wissenschaftlichen Zusammenarbeit: Amtl. Bull. NR, 1986, S. 1109 f. und Gesch. ber. 1986, S. 123 f. und 337. Vgl. auch oben, Teil I, 4 a (Konjunkturpolitik).
[29] NZZ, 30.10.86; 5.11.86; 14.11.86; 14.12.86; 5.3.87 (Solidaritätserklärung); Bund, 13.11.86; 6.12.86. Vgl. auch SPJ, 1985, S. 176.