Année politique Suisse 1986 : Enseignement, culture et médias / Médias
 
Presse
Die Presse wird vorderhand ohne direkte staatliche Förderung auskommen müssen. Der Nationalrat beschloss mit 98 zu 65 Stimmen Nichteintreten auf eine entsprechende parlamentarische Initiative, die bereits 1978 eingereicht worden war. Die von der Nationalratskommission umgearbeitete Vorlage hatte einen verbindlichen Auftrag zu Förderungsmassnahmen vorgesehen, während ein bundesrätlicher Gegenvorschlag in dieser zentralen Frage nur mit einer Kann-Formulierung operierte. Dazu kam in letzter Minute eine vom Schweizerischen Verband der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger (SZV) initiierte und vom Zürcher FDP-Abgeordneten Lüchinger eingebrachte Variante, welche bloss eine Verfassungsgrundlage für die gegenwärtig mit Kosten von rund 250 Mio Fr. verbundene Verbilligung der Posttaxen schaffen wollte. Die letztlich obsiegenden Gegner jeglicher Presseförderung plädierten bloss für günstigere Rahmenbedingungen. Sie rekrutierten sich aus den meisten Vertretern von FDP, SVP, LP, NA und Grünen sowie einer starken Minderheit der CVP [5]. Zum negativen Entscheid hat vermutlich auch der Umstand beigetragen, dass das Zeitungssterben und die Pressekonzentration nicht mehr in demselben Masse voranschreiten und deshalb kaum mehr als akutes Problem wahrgenommen werden wie noch in den siebziger Jahren. Tatsächlich wies eine Studie nach, dass der Bestand an Tageszeitungen im Zeitraum von 1965–1985 im wesentlichen gleich geblieben ist (120 Titel). Der Nettoverlust von 30 Titeln wurde kompensiert durch die Schaffung von neuen Kopfblättern und durch die Umwandlung von zwei- oder dreimal wöchentlich erscheinenden Presseerzeugnissen in Tageszeitungen. Die unveränderte Gesamtzahl enthält aber immerhin rund 40 Kopfblätter. Die Konzentrationsbewegung in der Presselandschaft benachteiligte in erster Linie kleinere und mittlere Blätter mit einer erklärten politischen Tendenz und bevorzugte grosse Regionalzeitungen, die als Kopfblätter mit einem wirtschaftlich stärkeren Partner zusammenarbeiten [6].
Ums Überleben kämpft seit geraumer Zeit auch die SP-Presse. Ihre Partei zeigte sich vom Nichteintretensentscheid des Nationalrats besonders betroffen. Die Genossenschafter der Sozialdemokratischen Presseunion entschieden sich trotz der zu erwartenden Defizite gegen eine Liquidation und für die Weiterherausgabe von «Volksrecht»/«Freier Aargauer» sowie für die Lancierung einer einjährigen Kampagne zur Abonnentenwerbung. Gestützt wurde dieser Entscheid durch einen Beschluss der Zürcher Sektion der SP, für diesen Zeitraum eine Risikogarantie im Umfang der zu erwartenden Sozialplankosten zu übernehmen [7].
Im Gegensatz zur Parteipresse wurde für den Markt der Sonntagszeitungen ein noch nicht ausgeschöpftes Potential geortet. In der Deutschschweiz war auf diesem Gebiet bisher nur der «SonntagsBlick» präsent. Dazu gesellte sich im Dezember das «Neue Sonntagsblatt», das auf Initiative des Verlegers Beat Curti von sechs verschiedenen Verlagen («Basler Zeitung», «Berner Zeitung», «Bündner Zeitung», «St. Galler Tagblatt», «Vaterland» und «Züriwoche») getragen wird und entsprechend mit sechs verschiedenen Regionalausgaben operiert. Kurz vor der Realisation befand sich auch das Projekt einer «SonntagsZeitung» aus dem Hause des Tages-Anzeigers, die mehr dem nationalen Geschehen Beachtung schenken will [8].
 
[5] Amtl. Bull. NR, 1986, S. 105 ff. und 132 ff.; NZZ, 7.1.86 ; 25.2.86 ; BaZ, 25.2.86 ; 24 Heures, 25.2.86 ; TA, 6.3.86; Presse vom 7.3.86 und 11.3.86; vgl. SPJ, 1983, S. 178 und 1985, S. 183. Vom NR überwiesen wurde ein Postulat Graf (svp, ZH) betreffend Zeitungsverteilung durch die PTT, vgl. Amtl. Bull. NR, 1986, S. 962. Der SZV verweigerte der Schweiz. Journalisten-Union (SJU) weiterhin die Anerkennung als Vertragspartner, vgl. TA, 20.9.86. Publikationen zur Presse allgemein : J: P. Chenaux, La presse d'opinion en Suisse romande ou la bataille des idées, Genève 1986; O. Reck, Die Presse schreibt, macht und wird Geschichte, Aarau 1986.
[6] E. Bollinger, La presse suisse. Les faits et les opinions, Lausanne 1986; TA, 10.3.86; Vat., 7.7.86; SZ, 9.7.86. Bemerkenswerteste Konzentrationsbewegung in der Kommunikationsbranche war 1986 der Erwerb der Aktienmehrheit des traditionsreichen Buchunternehmens Payot SA durch die den Verlegern Lamunière und Nicole gehörende Distributionsgesellschaft Lousonna SA, vgl. Bund, 23.10.86. Neue Chefredaktoren von bekannteren Blättern wurden Peter Balsiger beim «Blick» und Marco Volken bei der «Ostschweiz», vgl. TA, 7.3.86; SGT, 1.4.86.
[7] TW, 24.5.86 ; 20.6.86; Vr, 30.5.86 ; 19.6.86 ; 3.7.86 ; 4.7.86 ; 31.10.86 ; TA, 2.7.86 ; 4.7.86 ; vgl. SPJ, 1985, S. 183.
[8] TA, 5.9.86; 23.10.86; Presse vom 17.9.86 und 8.12.86; BaZ, 23.10.86; 5.12.86; SGT, 5.12.86.