Année politique Suisse 1987 : Partis, associations et groupes d'interêt / Partis
Freisinnig-demokratische Partei
Programmatisch konnte sich in der Freisinnig-demokratischen Partei (FDP) die
progressive, ökoliberale Linie durchsetzen, was wohl hauptsächlich auf die für ökologische Anliegen günstig scheinende Stimmung im Wahlkampf zurückzuführen ist. So wurden an mehreren, publikumswirksam inszenierten Wahlparteitagen Thesen zum Umweltschutz, zur Landwirtschaft und zur Demokratie verabschiedet, die mehrheitlich als weitgehende Abkehr von der liberalen "Weniger-Staat"-Doktrin gewertet wurden. Allerdings musste sogar Parteipräsident B. Hunziker einräumen, dass sich die Fraktion im eidgenössischen Parlament wohl schwertun werde, die von der Partei gefassten Beschlüsse in die Tat umzusetzen. Trotzdem dürfen die genannten Thesen nicht nur als wahltaktische Köder aufgefasst werden, sondern auch als Hinweis, dass bei der FDP die im Vergleich zu anderen Parteien ausgeprägtere Geschlossenheit zunehmend gefährdet ist. Hinweise darauf fanden sich auch in den Kantonen Solothurn und Baselland, wo Kampfkandidaten aus der eigenen Partei zu Wahlen antraten
[8].
Das bereits im Vorjahr teilweise verabschiedete
Manifest zum Umweltschutz wurde an der Delegiertenversammlung vom Februar um einen Abschnitt über längerfristige Massnahmen ergänzt, nachdem sich in einem Vernehmlassungsverfahren die Kantonalsektionen dazu hatten äussern können. Die im Vorjahr als Grundsatz befürworteten Lenkungsabgaben zum Schutz knapper Umweltgüter wurden nun aber im einzigen konkret dafür vorgesehenen Bereich abgelehnt, indem sich die Delegierten mit grosser Mehrheit dagegen wandten, fossile Brenn- und Treibstoffe mit einer Abgabe zu belasten. Hinsichtlich der Elektrizätsgewinnung wurde eine restriktive Nutzung der Gewässer und ein Festhalten an der Kernenergie gefordert, solange diese nicht durch Alternativenergien ersetzt werden könne. Die Bevorzugung des Schienenverkehrs gegenüber demjenigen auf der Strasse und die Förderung von Elektromobilen stehen ebenso auf dem Programm wie der Wille, die Luftreinhalteverordnung bis zum Jahr 1995 durchzusetzen, wozu die Emissionen bis an die Grenze des wirtschaftlich Tragbaren zu reduzieren seien
[9].
Im Mai wurde an einem Wahlparteitag die Forderung nach dem fakultativen Referendum beim Bau neuer Kernkraftwerke nur knapp verworfen; kurz darauf präsentierte die FDP Thesen zur Landwirtschaftspolitik, die eine Extensivierung der Produktion unter Berücksichtigung ökologischer Aspekte beinhalteten, wozu Vorzugspreise für Qualitätsprodukte und staatliche Direktzahlungen an Landwirte gefordert wurden. Im August wartete die Partei schliesslich noch mit Thesen zur Demokratie auf, welche den Ausbau der Volksrechte und eine Aufwertung des Parlaments zum Thema hatten und konkret die Einführung der Einheitsinitiative und des Verwaltungsreferendums verlangten. Allerdings hatte sich die Fraktion noch kurze Zeit vorher gegen die Einführung der Gesetzesinitiative ausgesprochen. Dass die Nutzung der Volksrechte kein Kinderspiel ist, musste die FDP mit ihrer ersten im Alleingang lancierten Volksinitiative "für ehe- und familiengerechtere Bundessteuern" erfahren, als es ihr nur ganz knapp gelang, die nötigen Unterschriften zusammenzutragen
[10].
Obwohl die FDP bei den
Nationalratswahlen gegenüber 1983 (allerdings bei sinkender Wahlbeteiligung) lediglich einen bescheidenen Verlust an Wähleranteilen von 0,4% hinnehmen musste, wurde ihre Delegation von 54 auf 51 verkleinert; im Ständerat konnte sie ihre 14 Sitze halten. Mit 65 Mitgliedern blieb die FDP damit die stärkste Fraktion in der Bundesversammlung. Die Anhängerschaft der Partei setzt sich aus einem zunehmenden Anteil an Rentnern (rund ein Viertel), aber auch vermehrt aus jungen, gut ausgebildeten und aufstiegsorientierten Städtern zusammen, wie die VOX-Analyse ermittelte
[11].
[8] Zweifel an Durchsetzbarkeit des Programms: TA, 8.5.87 (Hunziker); Ww, 20.8.87; BüZ, 8.10.87; vgl. auch Ww, 9.7.87 (Felix Müller über die "Versöhnung des Freisinns mit dem Staat"). Siehe auch oben, Teil I, 1e (Eidg. Wahlen: Rücktritte; Wahlen in kantonale Regierungen). Konflikte eher persönlicher Art trug der Jungfreisinn aus (vgl. dazu AT, 11.3.87; BZ, 13.3.87).
[9] Presse vom 23.2.87. Das Manifest zum Umweltschutz ist abgedruckt in NZZ, 23.2.87 und in Politische Rundschau, 66/1987, Nr. 1, S. 3 ff. Vgl. auch: FDP, Grünbuch, o.O., 1987.
[10] Presse vom 11.5.87; NZZ, 16.5.87 (Wahlparteitag); Presse vom 27.5.87 (Landwirtschaft; vgl. dazu auch oben, Teil I, 4c, Agrarpolitik); Presse vom 5.8.87 (Thesen zur Demokratie; vgl. dazu auch oben, Teil I, 1c, Volksrechte); NZZ, 25.5.87 (Stellungnahme der Fraktion). Vgl. auch die Standortbestimmungen in Politische Rundschau, 66/1987, Nr. 1 (Umwelt-, Asyl-, Technologie-, Finanz-, Steuer- und Energiepolitik), Nr. 3 (Thesen zur Demokratie), Nr. 4 (Wirtschaftspolitik 1987-91). Zur Volksinitiative der FDP vgl. oben, Teil I, 5 (Einnahmenordnung).
[11] Vgl. oben, Teil I, 1e (Eidg. Wahlen: Resultate für den NR bzw. den StR); Lit. Longchamp/VOX, S. 22 ff.
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