Année politique Suisse 1987 : Partis, associations et groupes d'interêt / Partis
Schweizerische Volkspartei
Nach der Berner Parteispenden-Affäre in ihrem Ruf angeschlagen und gemäss einer selbst angestrengten Image-Studie von der Bevölkerung als eine Partei betrachtet, die die Interessen der Jungen und der Städter schlecht vertrete, zog die Schweizerische Volkspartei (SVP) mit ungünstigen Voraussetzungen in den Wahlkampf. Sie setzte ihre Anstrengungen deshalb vor allem auf die Verstärkung einer seit einigen Jahren eingeleiteten
Öffnung der Partei. Als Zielgruppe wurde dabei vor allem der "einfache Mann", der "nach der Lösung der sozialen Frage politisch heimatlos" gewordene Arbeitnehmer (Ch. Blocher), ins Auge gefasst, der seit der Fusion mit den bürgerlich-sozialpolitisch ausgerichteten Demokraten ohnehin die Basiserweiterung der Partei ausmachte. Aber auch die Frauen blieben nicht unumworben, indem etwa in Bern eine Nationalratskandidatin auf einen bevorzugten Listenplatz gesetzt wurde. Mit dem Argument, eine gesonderte Frauenpolitik sei eine Apartheidpolitik, wurde am Parteitag jedoch ein "Schwerpunktpapier Frauen" nicht verabschiedet; die einzelnen, gemässigten Forderungen, die allerdings auch den Einbezug der Frauen in die Gesamtverteidigung beinhalteten, wurden gemäss ihrem jeweiligen Inhalt in die übrigen Schwerpunktpapiere eingefügt. Von diesem "Antiapartheid-Entscheid" nicht betroffen waren andere soziale Gruppen — die Behinderten, die Betagten, die Familie, die Jugend und die Arbeitnehmer —, die ihren gesonderten Platz im Programm behielten
[22].
Ansonsten zeigte jedoch das "Aktionsprogramm '87" Tendenzen der Offnung auch in thematischer Hinsicht. So will sich die SVP etwa bei der Revision des bäuerlichen Boden- und Erbrechtes dafür einsetzen, dass die Selbstbewirtschafter besser geschützt werden und der Bodenspekulation entgegengewirkt wird. Um die Verschmutzung der Umwelt zu vermindern, werden Gegenmassnahmen gefordert, die nach dem Verursacherprinzip finanziert werden sollen. Namentlich will die Partei die Einführung von Lenkungssteuern und Emissionsabgaben prüfen lassen und für den Schutz der Landwirtschaftsgebiete und der Fruchtfolgeflächen eintreten
[23].
Gerade diese neuen Themen trugen jedoch auch zu verstärkten Frontenbildungen zwischen dem Bauern- und dem Gewerbeflügel bei. Während sich die einen gegen ein Kernkraftwerk in Graben oder gegen die "Bahn 2000" wandten und die Bewilligungspflicht für den Kauf bäuerlicher Heimwesen sowie eine Preiskontrolle für den bäuerlich genutzten Boden befürworteten, setzten sich die anderen gerade für diese – für das Gewerbe lukrativen – Projekte ein, wiesen aber die Forderungen bezüglich der Bodenpolitik von sich
[24].
Dass die SVP, entgegen aller Prognosen, bei den
Nationalratswahlen unter den Bundesratsparteien am wenigsten Wähleranteile verlor (0,1 %; der Wähleranteil betrug noch 11%), wurde auf die genannte Politik der Offnung, von Parteipräsident A. Ogi auf volkstümliche Weise propagiert, und auf die überdurchschnittliche Mobilisierung der SVP-Anhängerinnen und Anhänger zurückgeführt, die ihrerseits mit dem Rücktritt des populären Bundesrates L. Schlumpf, aber auch mit den steten Unkenrufen im Vorfeld der Wahlen in Verbindung gesetzt wurden. Den zwei Mandatsgewinnen im Nationalrat (neu 25 Sitze) stand allerdings der Verlust des Zürcher Ständeratssitzes gegenüber. Dass die Politik der Öffnung ihr Ziel erreicht hatte, belegte auch die VOX-Analyse, gemäss welcher Defizite bei den Frauen, den Angestellten (nicht jedoch bei den Arbeitern) und in der mittleren und jüngeren Generation augenfällig wettgemacht worden sind
[25].
[22] BaZ, BZ und SGT, 16.1.87; Presse vom 17.1. und 19.1.87 (Programmparteitag); Presse vom 23.5.87 (Öffnung). Vgl. auch SPJ, 1986, S. 252.
[23] Aktionsprogramm '87 der SVP, Bern 1987. Vgl. auch SVP des Kantons Zürich (Hg.), Die Politik der SVP. Mit der SVP in die 90er Jahre, Zürich 1987.
[24] Ww, 20.8.87; TA, 22.8.87. Vgl. auch unten, Teil IIIb (Unternehmer: Gewerbe).
[25] Vgl. dazu oben Teil I, 1e (Eidg. Wahlen: Resultate für den NR bzw. den StR) sowie Lit. Longchamp/VOX, S. 22 fl.
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