Année politique Suisse 1987 : Partis, associations et groupes d'interêt / Associations et autres groupes d'interêt
Arbeitnehmer
Die Gewerkschaften gehörten zu den
Verlierern der eidgenössischen Wahlen vom Herbst 1987. Die auf den Listen der Sozialdemokraten kandidierenden Vertreter des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB) wurden zum Teil von Repräsentanten des linksintellektuellen Flügels überholt und in einigen Fällen gar aus dem Nationalrat verdrängt. Die schlechte Mobilisierung der Basis wurde primär auf die gute Wirtschaftslage und die Dominanz der Umweltproblematik in der Wahlkampagne zurückgeführt. Die Gewerkschaften kritisierten aber auch die SP, welche bei ihrem Werben um neue Wählerschichten die traditionelle Stammwählerschaft vernachlässigt habe
[19].
Von einer grösser gewordenen Kluft zwischen dem SGB und der SPS zu reden wäre jedoch falsch. Ihre Parolen zu den eidgenössischen Volksabstimmungen stimmten in 6 von 7 Fällen überein (ja zum Doppelten Ja, zu "Bahn 2000", zur Mutterschaftsversicherung und zu Rothenthurm, nein zu den Revisionen des Asyl- und des Ausländergesetzes). Die einzige Differenz betraf ausgerechnet eine sozialdemokratische Initiative: Da beim SGB die nötige 2/3-Mehrheit für ein Ja zum Rüstungsreferendum knapp verfehlt wurde, gab er keine Parole aus. Der SMUV empfahl aus beschäftigungspolitischen Gründen sogar die Ablehnung
[20].
Für die Arbeitnehmerorganisationen bildete weiterhin die Frage, wie sie sich gegenüber den Bestrebungen zu einer Flexibilisierung der Arbeitszeiteinteilung verhalten sollen, ein wichtiger Diskussionspunkt. So hielt beispielsweise der Schweiz. Kaufmännische Verein fest, dass den Angestellten und ihren Organisationen dabei ein Mitbestimmungsrecht eingeräumt werden müsse; bei der sogenannt variablen Arbeitszeit (Arbeit auf Abruf) sei sogar eine gesetzliche Regelung erforderlich
[21].
Die
Zahl der Mitglieder stieg beim SGB zum ersten Mal seit 1980 wieder an, und zwar um 1441 (0,3%) auf 442 637. Den absolut grössten Zuwachs verzeichnete die seit 1986 ohnehin mitgliederstärkste Gewerkschaft Bau und Holz (GBH), bei welcher sich die Auseinandersetzungen um die Erneuerung des Landesmanteltarifvertrages im Bauhauptgewerbe werbewirksam ausgewirkt haben dürften. Da bei den Frauen der Mitgliederanstieg nur geringfügig grösser war als bei den Männern, sind sie mit einem Anteil von bloss 12% nach wie vor stark untervertreten. Der Christlichnationale Gewerkschaftsbund (CNG) konnte mit einem Zuwachs von 1 737 (1,6%) seinen Mitgliederbestand auf 107 453 ausbauen. Trotz dem Strukturwandel in der Wirtschaft und entgegen dem längerfristigen Trend in der Arbeitnehmerbewegung musste demgegenüber die Vereinigung der schweiz. Angestelltenverbände (VSA) eine leichte Mitgliedereinbusse in Kauf nehmen. Angesichts der Klagen über ein Schwinden des gewerkschaftlichen Bewusstseins im Zusammenhang mit dem wachsenden materiellen Wohlstand und der Verlagerung vom Industrie- zum Dienstleistungssektor überraschte eine Berechnung, welche ergab, dass der Organisationsgrad der unselbständig Erwerbenden in der Schweiz im Jahre 1985 mit rund 30% gleich hoch war wie zu Beginn der fünfziger Jahre
[22].
[19] SGB, 29.10.87; Ww, 19.11.87; siehe auch oben, Teil I, 1e (Eidg. Wahlen: Resultate für den NR).
[20] Vgl. die entsprechenden Sachzusammenhänge oben sowie die Dokumentation zu den Parolen der Parteien und Verbände im FSP, Bern.
[21] Bund, 27.6.87; NZZ, 29.6.87. Eine ähnliche Position vertrat auch der VHTL(BaZ, 14.9.87). Siehe dazu auch SPJ, 1986, S. 262.
[22] H. Anderegg, "Mitgliederentwicklung der schweizerischen Gewerkschaften im Jahr 1987 – und ein Blick auf die Entwicklung seit dem Zweiten Weltkrieg", in Gewerkschaftliche Rundschau, 80/1988, S. 90 ff.
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