Année politique Suisse 1987 : Economie / Politique économique générale
Wirtschaftssystem
Bei den Diskussionen um das optimale Wirtschaftssystem standen weiterhin die Vorschläge, wie sich eine umwelt- und menschengerechte Produktionsweise realisieren liesse, im Vordergrund. Dabei war teilweise auch die Hoffnung auf die Anwendung neuer Technologien, welche eine ökologische Produktion ohne Wohlstandseinbussen ermöglichen könnte, herauszuhören. Den Schwerpunkt der Debatte bildete aber die Weiterentwicklung von Methoden zur Quantifizierung der sogenannten externen Kosten. Dahinter steht die Idee, mit Umweltabgaben und ähnlichen Steuerungsinstrumenten den Produzenten und Konsumenten materielle Anreize für ein umweltgerechteres Verhalten zu bieten. Als neue Bezeichnung für ein derart konzipiertes Wirtschaftssystem wurde der Begriff "öko-soziale Marktwirtschaft" geprägt. Der Einbezug von externen Kosten in das Kalkül des marktwirtschaftlichen Denkens bildete eines der Hauptthemen der Jahresversammlung der Schweizerischen Gesellschaft für Volkswirtschaft und Statistik am 7. Mai in Montreux. Nicht nur diese Veranstaltung, auch die Schaffung eines Lehrstuhls für Wirtschaftsethik an der Handelshochschule St. Gallen stellten Indizien für eine Renaissance der Ethik und Moral im wirtschaftswissenschaftlichen Denken in der Schweiz dar
[1].
Auf politischer Ebene wächst zwar ebenfalls die Überzeugung, dass von
marktwirtschaftlichen Steuerungsinstrumenten zumindest ebenso gute Resultate
für den Schutz der Umwelt zu erwarten sind, als von der bis heute vorwiegend praktizierten Politik der Gebote, Verbote und Auflagen. Die breite praktische Verwirklichung lässt aber noch auf sich warten. Der von einer Motion Fetz (poch, BS) geforderte verbindliche Auftrag an den Bundesrat, mittelfristig ein Abgabesystem für den gewerbsmässigen Gebrauch von Gütern der Natur (Luft, Boden, Wasser etc.) einzuführen, ging dem Nationalrat zu weit. Immerhin überwies er den Vorstoss als Postulat, und stellte damit der Regierung die Aufgabe, einen Bericht über die Zweckmässigkeit eines derartigen Abgabesystems zu verfassen. Nachdem sich die linken und grünen Parteien schon seit längerer Zeit für Lenkungsabgaben im Bereich der Umweltpolitik eingesetzt hatten, gewann dieses Instrument in den letzten beiden Jahren auch in den Reihen der FDP zunehmend Unterstützung. Der Schweizerische Gewerbeverband meldete demgegenüber seine grundsätzliche Opposition gegen deren Einführung an
[2].
Eine Motion Braunschweig (sp, ZH), welche die Schaffung von rechtlichen Grundlagen und Institutionen zur Untersuchung und Beurteilung der Folgen neuer Technologien für Mensch und Umwelt forderte, wurde vom Nationalrat ebenfalls nur als Postulat überwiesen
[3].
Die
Schattenwirtschaft sei für die Schweiz ein untergeordnetes Problem und zusätzliche Massnahmen zu ihrer Bekämpfung drängten sich zur Zeit nicht auf. Dies geht aus einem Bericht hervor, den der Bundesrat im Auftrag des Parlaments ausarbeiten liess. Mit einem geschätzten Anteil von 3—6% des Sozialprodukts ist die versteckte Wirtschaft in der Schweiz von wesentlich geringerer Bedeutung als in andern Industriestaaten. Als wichtige Gründe dafür gibt der Bericht die im internationalen Vergleich massvolle Belastung der Erwerbstätigkeit durch Steuern und Abgaben an. Zudem Sorgten Steuer- und Einwanderungsgesetze sowie Arbeitsinspektorate für eine wirksame Bekämpfung. Allerdings wird auch die Gefahr erwähnt, dass die erhöhte Regelungsdichte, wie sie zum Beispiel mit dem Ausbau der Altersvorsorge und mit der neuen Umweltschutzgesetzgebung eingetreten ist, vermehrt zum Ausweichen auf Erwerbstätigkeiten führen könnte, die vor dem Staat verheimlicht werden, um Vorschriften und administrative Auflagen zu umgehen
[4].
[1] Schweiz. Gesellschaft für Volkswirtschaft und Statistik: NZZ, 9.5.87; Schweizerische Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik, 123/1987, (Nr. 3), S. 249 ff. Lehrstuhl für Wirtschaftsethik: TA, 1.10.87. Zum Begriff öko-soziales System vgl. NZZ, 26.5.87 (Prof. F. Jaeger) und Lit. Vgl. auch TA, 13.6.87 (neue Technologien und Ökologie) und SPJ, 1986, S. 64 f. (Qualitatives Wachstum).
[2] Motion Fetz: Amtl. Bull. NR, 1987, S. 268 und 1431 ff. Zur FDP siehe unten, Teil IIIa (Freisinnige Partei) und SPJ, 1986, S. 252. Gewerbeverband: "Umweltpolitische Lenkungssteuern — Ja oder Nein?", in Gewerbliche Rundschau, 1987, Nr. 1, S. 1 ff. und SGZ, 9.4.87, sowie unten, Teil Illa (Unternehmer: Gewerbe). Zum Thema der Lenkungsabgaben siehe auch Bilanz, 1987, Nr. 6, S. 23 f. und unten, Teil I, 6d (Umweltpolitk) sowie SPJ, 1986, S. 65.
[3] Amtl. Bull. NR, 1987, S. 1432 f.
[4] BBl, 1987, II, S. 1217 ff.; vgl. auch TA, 10.6.87 und unten, Teil I, 7d (Politique à l'égard des étrangers).
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