Année politique Suisse 1987 : Economie / Agriculture / Einkommenssicherung
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Eingabe an den Bundesrat
Obschon der SBV aufgrund der oben dargestellten Kosten- und Ertragsrechnung ein Einkommensmanko der Landwirtschaft bezüglich des Paritätslohnanspruchs von rund 600 Mio Fr. reklamierte, verzichtete er bei seiner Eingabe an den Bundesrat auf grössere finanzielle Forderungen. Dies namentlich auch deshalb, weil die stetig wachsende Produktion bei stagnierenden Absatzmöglichkeiten zu einer Verstopfung der Märkte geführt hat und die Stimmung in der Bevölkerung — wie die deutliche Verwerfung des Zuckerbeschlusses von 1986 zeigte — gegenüber der bisherigen Landwirtschaftspolitik eher ablehnend ist. Ebenfalls mag der Generationenwechsel beim SBV, der mit der Wahl von Melchior Ehrler zum neuen Direktor stattfand, eine Rolle gespielt haben.
In seinem Begehren an den Bundesrat setzte der SBV daher verbandsintern auf Selbsthilfemassnahmen in den Bereichen Fleisch und Milch sowie Brotgetreide, Obst und Wein und bat den Bundesrat um eine entsprechende Unterstützung; damit sollte vorerst der Markt saniert werden. Flankierend zu diesen Selbstbeschränkungen verlangte der SBV erneut protektionistische Massnahmen zum Schutz des Inlandmarktes vor billigen ausländischen Importprodukten. Mit dem Verzicht auf das Begehren nach einer Erhöhung des Milchpreises verband der SBV die Bitte an die Landesregierung, von der vorgesehenen, zweiten administrativen Kürzung der Milchkontingente (um 300 000 Dezitonnen) zugunsten einer freiwilligen Stilllegungsaktion abzusehen. Kernstück der Eingabe des SBV an den Bundesrat war die Forderung nach der Einführung von Tierhalterbeiträgen für kleine und mittlere bäuerliche Familienbetriebe im Umfang von 200 Mio Fr.; diese müssten allerdings gewisse Kriterien wie jene der bodenabhängigen und tierischen Produktion erfüllen. Die Kosten sollten vorab aus den Preiszuschlags-Einnahmen auf importierten Futtermitteln gedeckt werden. Als weiteren Punkt nennt die Eingabe die Unterstützung der ökologischen Bestrebungen in der Landwirtschaft: So sollen etwa die Anbauprämien für Körnermais mit Untersaat, welche die Bodenerosion verhindert, heraufgesetzt werden. Die wenigen Preisforderungen betrafen unter anderem eine Erhöhung der Preise für Speisekartoffeln und Eier von Hühnern aus Bodenhaltung.
In der Presse wurde diese Eingabe des SBV weitgehend positiv kommentiert: Namentlich wegen dem gezeigten Willen zur Selbsthilfe, der Öffnung gegenüber den Direktzahlungen sowie der vermehrten Förderung der ökologischen Landwirtschaft war von einem eklatanten Sinneswandel und einer Trendwende beim SBV die Rede [9].
 
[9] Vat., 4.4.87; Presse vom 8.4.87; LID-Pressedienst, 1489, 10.4.87; wf, KK, 15, 13.4.87. Die Grüne Fraktion reichte eine Motion ein, wonach die durch Luftverschmutzung bewirkten bäuerlichen Einkommensverluste in der pflanzlichen Produktion (ca. 10%) gemäss Treibstoffzollgesetz kompensiert werden sollen (Verhandl. B.vers., 1987, IV, S. 32; siehe auch LID-Pressedienst, 1484, 6.3.87; 1510, 4.9.87; NZZ, 9.3. und 16.10.87; SoZ, 19.4.87). Vgl. ferner SPJ, 1986, S. 97 und 99.