Année politique Suisse 1987 : Chronique générale / Finances publiques
 
Finanzordnung
Das herausragende finanzpolitische Ereignis des Jahres 1987 war die Steuerentlastung für Familien, die von den Räten auf bürgerliche Initiative hin kurz vor den Wahlen beschlossen wurde. Diese Massnahme war allerdings nicht in die Bemühungen um die anstehende dauerhafte Gestaltung der Bundesfinanzordnung eingebettet und überschattete, gerade weil sie nur punktuell angelegt war, die Grundsatzdiskussionen. Bei diesen standen marktwirtschaftliche Überlegungen im Vordergrund, wobei neben dem Einbezug von konjunkturellen Zielen vermehrt auch umweltpolitische Anliegen, die via Lenkungsabgaben verwirklicht werden können, in die Diskussion Eingang fanden.
Der Vorsteher des EFD, O. Stich, konkretisierte im Laufe des Jahres mehrmals seine Vorstellungen einer künftigen Finanzordnung. Um seinen Willen zu unterstreichen, den Haushalt langfristig auszugleichen und die Staatsquote (Anteil der Staatsausgaben am Bruttoinlandprodukt) zu stabilisieren, präsentierte er auf informellem Wege den Wortlaut eines möglichen Verfassungsartikels, der die Bundeseinnahmen auf 10%, in Ausnahmefällen auf 12% des Bruttoinlandproduktes (BIP) beschränken würde. Indem die Einnahmen an die Entwicklung des BIP geknüpft würden, könnte eine strukturelle Schwäche der Einnahmenordnung behoben werden: Ein guter Teil der Einkünfte, darunter namentlich die Zölle, werden nicht auf nominalen Werten, sondern auf Gewichten erhoben und unterliegen deshalb in Zeiten einer allgemeinen Teuerung einem Erosionsprozess. Dieser führte allein zwischen 1977 und 1986 dazu, dass der Anteil dieser Finanzquelle von rund 40% auf ungefähr 30% der Bundeseinnahmen sank.
Ein dauerndes Problem bildet nach wie vor auch die auf Investitionsgütern und Betriebsmitteln erhobene Warenumsatzsteuer (WUSt), die sich als Schattensteuer oder "taxe occulte" auf die Preise der produzierten Güter niederschlägt und deshalb als wettbewerbsverzerrend vor allem von wirtschaftsnahen Kreisen bekämpft wird. Sie macht mit rund 1,5 Milliarden Franken jährlich ungefähr einen Achtel der vom Bund erhobenen indirekten Steuern und Abgaben aus und kann deshalb, nach allgemeinem Konsens, nicht ohne Kompensation abgeschafft werden. Als möglichen Ersatz fasste Bundesrat Stich nun eine zehnprozentige Energieabgabe ins Auge, welche gleichzeitig auch als Lenkungssteuer bremsende Auswirkungen auf den Energieverbrauch zeitigen könnte. Die zehnprozentige Abgabe wurde auch in einem vom EFD in Auftrag gegebenen, von G. Bombach verfassten Gutachten als tauglich eingestuft, die Einnahmenausfälle zu kompensieren und die systemwidrige "taxe occulte" auszuschalten. Da infolge des erwähnten Steuerabbaus bei der direkten Bundessteuer bereits für das Jahr 1990 wieder ein Defizit zu erwarten sei, forderte der Finanzminister zur langfristigen Konsolidierung des Bundeshaushalts zudem die Ausdehnung der WUSt auf Dienstleistungen. Vereinfachungen bei der Administration und eine geringere Abhängigkeit von der Teuerung erhoffte sich Stich sodann von einem Ubergang zur einjährigen Gegenwartsbesteuerung [1].
Stichs Vorstellungen fanden im November anlässlich der traditionellen "Von-Wattenwyl-Gespräche" der Bundesratsparteien wenig Zustimmung, doch konnten ihnen noch keine konkreten Alternativen entgegengestellt werden. Einig waren sich die Teilnehmenden nur darin, dass in der neuen Legislaturperiode ein Konsens über die Ausgestaltung der Finanzordnung gefunden werden müsse. Insbesondere die zehnprozentige Energiesteuer wurde aber von den Bürgerlichen abgelehnt. Daneben wurden auch die Fragen gestellt, ob die Einführung einer Energieabgabe allenfalls mit einem neuen Energieartikel gekoppelt werden solle und ob die Finanzierung der AHV losgelöst von einer Energielenkungsabgabe sichergestellt werden könne. Sogar ein erneuter Versuch, eine Mehrwertsteuer-Vorlage zu lancieren, wurde wieder erwogen. Erste Antworten auf diese Fragen wollte man aber erst bei den nächsten Gesprächen geben [2].
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Anleihen
Die Bemühungen, dem Bundesrat die Kompetenz zur Aufnahme von Anleihen dauerhaft, statt jede Legislaturperiode befristet, zu übertragen, scheiterten. Im Vorjahr hatte der Ständerat eine entsprechende Gesetzesvorlage gutgeheissen, doch gelangte nun die Nationalratskommission zur Ansicht, eine solche dauerhafte Kompetenzübertragung sei verfassungswidrig. Eine darauf in Auftrag gegebene Expertise bestritt diese Verfassungswidrigkeit, falls dem Parlament eine Restkompetenz bleibe. Genau dies hatte die ständerätliche Vorlage vorgesehen, indem die Kompetenzdelegation durch einfachen Bundesbeschluss hätte zurückgenommen werden können. Trotzdem beschloss der Nationalrat, die Gesetzesänderung abzulehnen und überweis eine von der Kommission vorgeschlagene Motion, die eine entsprechende Verfassungsänderung anstrebte. Der Ständerat erachtete es darauf aber nach wie vor als besser, wenn die Vollmacht jederzeit und nicht erst am Ende einer Legislaturperiode zurückgenommen werden könne; er fand es ausserdem übertrieben, wegen einer solchen Bagatelle das Volk an die Urnen zu bemühen und blieb deshalb bei seiner Gesetzesvorlage ohne die Motion zu überweisen. Der Nationalrat liess sich nicht umstimmen, das Geschäft war somit erledigt. Einstimmig, doch nur mit 16 Stimmen, folgte der Ständerat danach dem Nationalrat und erteilte dem Bundesrat die Vollmacht, Anleihen aufzunehmen, für weitere vier Jahre [3].
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Finanzplanung für die Jahre 1989 bis 1991
Auch die mittelfristige Finanzplanung des Bundesrates wurde von den beiden Zielen bestimmt, das Haushaltsgleichgewicht zu wahren und die Bundesstaatsquote auf dem Niveau der letzten Jahre, also bei rund 10%, zu halten. Beide Ziele können gemäss der Planung bis 1991 erreicht werden, dies allerdings nur wegen des für das Jahr 1988 erwarteten Überschusses von 1,3 Milliarden Franken. Diesem wird nämlich im Jahr 1991 ein Milliardenverlust entgegenstehen, da die erwarteten Einnahmen lediglich um gut drei, die Ausgaben jedoch um rund fünf Prozent wachsen werden. Das geringere Wachstum der Einnahmen ist nach Ansicht des EFD auf mehrere Ursachen zurückzuführen. Bei der direkten Bundessteuer (DBSt) ist, auf Grund des vom Parlament beschlossenen Sofortprogramms zur steuerlichen Entlastung der Ehepaare, mit jährlichen Einnahmenausfällen von rund 365 Mio Fr. zu rechnen. Auf die Höhe der DBSt werden sich sodann ab 1989 auch der Ausgleich der kalten Progression und die auf der beruflichen Altersvorsorge gewährten Abzüge auswirken; daneben wird aber auch die Erosion der indirekten Steuern zu Buche schlagen, die bei den Zöllen teuerungsbedingt ist und bei der WUSt durch das überproportionale Wachstum des der Umsatzsteuer nicht unterstellten Dienstleistungssektors hervorgerufen wird [4].
 
[1] Zu den Vorstellungen Stichs: TW, 7.4.87; Presse vom 8.4. und 25.4.87; Bund und 24 Heures, 27.10.87; TA, 30.12.87; vgl. auch Lit. Stich. Zur Erosion der Bundeseinnahmen vgl. Lit. Jeanneret. Zum Gutachten Bombach siehe unten (Einnahmenordnung). Vgl. auch unten, Teil I, 6a (Politique énergétique) und SPJ, 1986, S. 86 ff.
[2] NZZ, 1.4. und 18.1 1.87.
[3] Amtl. Bull. NR, 1987, S. 412 ff. und 814 f.; Amtl. Bull. StR, 1987, S. 239 f. und 408 f.; BBl, 1987, S. 970.
[4] Gesch.ber., 1987, S. 276 f.