Année politique Suisse 1987 : Infrastructure, aménagement, environnement / Transports et communications
 
Generelle Verkehrspolitik
Nach der parlamentarischen Verabschiedung der koordinierten Verkehrspolitik (KVP) im Vorjahr wurden in der schweizerischen Verkehrspolitik 1987 wiederum wichtige Akzente gesetzt. Die Sorge um die Umwelt führte zu einem breiten Konsens in bezug auf die Förderung des öffentlichen Verkehrs und äusserte sich nicht zuletzt in der Zustimmung des Volkes zur "Bahn 2000". Obwohl Massnahmen zur Einschränkung des privaten Motorfahrzeugverkehrs auch hierzulande auf grossen Widerstand stossen, nimmt die Schweiz mit ihren Bemühungen um eine umweltverträglichere Verkehrspolitik in Europa eine führende Stellung ein [1].
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Transitprobleme
Von der Schaffung eines EG-Binnenmarktes im Jahr 1992 werden grosse Auswirkungen auf die europäische Verkehrspolitik erwartet. Die vorgesehene Verkehrsliberalisierung und das erwartete Anschwellen der Güterströme führten 1987 zu einem verstärkten Druck der EG-Staaten auf die Transitländer Osterreich und Schweiz. Gefordert wird die freie Durchfahrt für den europäischen Schwerverkehr im Nord-Süd-Transit und dabei insbesondere der Abbau der bestehenden Restriktionen [2]. Eine Heraufsetzung der schweizerischen Gewichtslimiten von 28 t auf die in Europa üblichen 40 t und eine Lockerung oder gar Aufhebung des Nachtfahrverbots kommen jedoch für den Bundesrat aus verkehrspolitischen und umweltschützerischen Gründen nicht in Frage. Zur Lösung der europäischen Transitprobleme schlägt die Schweiz eine Umlagerung der Verkehrsströme von der Strasse auf die Schiene vor. Als Sofortmassnahme will sie den kombinierten Verkehr (Huckepack und Grosscontainer) fördern und gleichzeitig den Bau einer neuen Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) vorantreiben [3].
Laut einer Erhebung des Stabes für Gesamtverkehrsfragen nahm der alpenquerende Schwerverkehr durch die Schweiz 1987 erneut um 10% zu. Er war damit fast zweieinhalbmal stärker als 1979, im Jahr vor der Eröffnung des Gotthard-Strassentunnels. Mehr als die Hälfte des Schwerverkehrs kam aus dem Ausland. Die Zahl der Lastwagen, Lasten- und Sattelzüge stieg am Gotthard zwischen 1981 und 1987 von 680 auf 1770 pro durchschnittlichen Werktag [4].
Der Kanton Uri empfand diese Situation als unhaltbar und verlangte härtere Massnahmen zur Eindämmung des Schwerverkehrs. In einer internen Studie prüfte die Urner Regierung die Erhebung einer Tunnelgebühr für Lastwagen, eine leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe sowie die Ausdehnung des Wochenend- und Nachtfahrverbots. Als kurzfristige Massnahme versuchte sie, den Schwerverkehr mit verstärkten Gewichts- und Ruhezeitkontrollen einzuschränken [5]. Eine Verlagerung des Nord-Süd-Verkehrs vom Gotthard auf den San Bernardino erfolgte nach der Unwetterkatastrophe im Sommer. Wegen Reparaturen an der schwer beschädigten Autobahn blieb die Gotthardroute für den Transit-Schwerverkehr für mehrere Monate geschlossen. Aus dieser Notsituation erhoffte man sich namentlich in Uri auch ein erzwungenes Umdenken und die Verlagerung des Gütertransits auf die Schiene [6].
Im Zusammenhang mit den Verkehrsstaus während der Sommermonate und der Überlastung der Transitachsen durch den Schwerverkehr verlangten die Automobilverbände einmal mehr den Bau einer zweiten Autotunnel-Röhre durch den Gotthard. Das Lastwagengewerbe (Astag) verband diese Forderung mit dem Begehren nach einem Eisenbahnbasistunnel Amsteg—Biasca. Diese Anliegen wurden vom Basler Autojournalisten Böhi durch die Lancierung von zwei Volksinitiativen konkretisiert [7]. Der Bundesrat, die grossen Parteien sowie die Anliegerkantone lehnten eine zweite Autotunnel-Röhre nach wie vor strikte ab. Ihrer Ansicht nach würden damit die Verkehrsprobleme auf der N 2 nicht gelöst, sondern nur zusätzlicher Verkehr angezogen [8].
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Förderung des öffentlichen Verkehrs
Im Interesse einer umweltgerechten Verkehrspolitik wurden die Anstrengungen zur Förderung des öffentlichen Verkehrs fortgesetzt. Um neue Kunden zu gewinnen und bisherige Strassentransporte auf die Schiene zu bringen, gewährten die SBB Tarifreduktionen für den Huckepackverkehr und erhöhten das Transportangebot [9]. Umlagerungseffekte erhofft man sich auch von der Unterstützung des Baus privater Anschlussgeleise, wie sie aufgrund des 1985 in Kraft gesetzten Treibstoffzollgesetzes möglich ist. Um diese Anschlüsse baurechtlich den Strassen gleichzustellen, ist eine Revision des mehr als 100 Jahre alten Anschlussgleisgesetzes geplant. Der Bundesrat gab im Berichtsjahr seinen Entwurf dazu in die Vernehmlassung [10].
Die im Vorjahr beschlossenen tarifpolitischen Massnahmen, insbesondere die Reduktion des Halbtaxabonnements auf 100 Fr., führten im Personenverkehr zu einem vermehrten Umsteigen auf die öffentlichen Verkehrsmittel. Im selben Sinn wirkten sich die Umweltschutzabonnemente im öffentlichen Nahverkehr aus [11].
 
[1] Zur KVP vgl. SPJ, 1986, S. 118. Zur "Bahn 2000" siehe unten (Eisenbahnverkehr).
[2] NZZ, 22.5., 8.10., 17.10. und 10.11.87; BaZ, 26.5., 14.10. und 8.12.87; SHZ, 8.10.87; JdG, 8.12.87; vgl. auch Lit. Zum EG-Binnenmarkt siehe oben, Teil I, 2 (Institutions européennes). Zu den Auseinandersetzungen wegen der Schwerverkehrsabgabe (Lastwagenstreit mit Italien) siehe SPJ, 1986, S. 119 f. sowie oben, Teil I, 2 (Relations bilatérales).
[3] Presse vom 23.5.87; Ww, 16.7.87; NZZ, 3.11.87; siehe auch Amtl. Bull. NR, 1987, S. 232 ff. und 1529 f. sowie Gesch.ber., 1987, S. 361 ff. Zur NEAT siehe unten (Eisenbahnverkehr).
[4] Vat., 8.4.88. Siehe auch Vat., 24.1.87; TA, 27.1. und 24.3.87.
[5] BaZ und Vat., 24.1.87 (Studie); Bund, 5.2.87; TW, 6.2. und 12.5.87; TA, 13.7. und 20.7.87.
[6] LNN, 28.8., 5.9., 9.9. und 10.9.87; Presse vom 4.9.87; NZZ, 5.9., 10.9. und 12.9.87; Vat., 9.9., 10.9. und 23.9.87; TA, 11.9.87; BüZ, 17.9.87. Siehe auch die dringliche Interpellation Cavelty (cvp, GR): Amtl. Bull. StR, 1987, S. 487 ff. Siehe ferner unten, Teil I, 6d (Umweltschutzpolitik).
[7] BaZ und 24 Heures, 26.6.87; SoBlick, 19.7.87; CdT und TA, 14.9.87 (Astag); Blick, 28.9.87 (TCS). Initiativen: BBl, 1988, I, S. 98 f.; Bund, 29.9.87; Vat., 12.1.88.
[8] BaZ, 24.7.87 (Parteien); LNN, 18.9.87 (Anliegerkantone); BZ, 16.11.87 (Bundesrat); vgl. TA, 12.8.87. Siehe auch Amtl. Bull. NR, 1987, S. 1447 ff.
[9] Presse vom 15.8.87; TA, 15.10.87; SBB, Geschäftsbericht 1987, Bern 1988, S. 18 ff.
[10] NZZ, 3.7.87; vgl. SPJ, 1985, S. 116 und 1986, 118 f. Zum Treibstoffzollgesetz siehe SPJ, 1985, S. 106.
[11] Siehe dazu SPJ, 1986, S. 119 sowie unten (Agglomerationsverkehr und Eisenbahnverkehr).