Année politique Suisse 1987 : Infrastructure, aménagement, environnement / Protection de l'environnement / Luftreinhaltung
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Luftreinhalte-Konzept des Bundesrates
Das Parlament nahm Kenntnis vom Luftreinhalte-Konzept, das Mittel und Wege aufzeigt, wie die Schadstoffbelastung vermindert werden kann, und erteilte dem Bundesrat mit einer Motion den Auftrag, so rasch als möglich ein zusätzliches Massnahmenpaket vorzulegen, um bis 1995 nicht nur die Schwefeldioxid-, sondern auch die Kohlenwasserstoff- und die Stickoxid-Emissionen auf den Stand von 1960 senken zu können. Die Motion nennt eine Reihe von Massnahmen, die dabei im Vordergrund stehen, insbesondere auch solche, die früher abgelehnt und vom Bundesrat aus politischen Gründen nicht mehr weiter geprüft worden waren. Neben der Reduktion der Schadstoffemissionen des Motorfahrzeugverkehrs sieht die Motion finanzielle Anreize zur Verminderung des Brenn- und Treibstoffverbrauchs, die Uberwälzung der kantonalen Motorfahrzeugsteuern auf den Treibstoffpreis sowie die verstärkte Förderung des kombinierten Güterverkehrs, der alternativen einheimischen Energien und der internationalen Zusammenarbeit vor. Zudem soll die Regierung darlegen, wie der Vollzug beschlossener Massnahmen sichergestellt werden kann, und nötigenfalls die Kompetenzen der Kantone und Gemeinden erweitern. Mit 83:73 Stimmen hiess der Nationalrat diese Motion seiner vorberatenden Kommission gut, und der Ständerat stimmte ihr stillschweigend zu. In weiteren Vorstössen wurden dem Bundesrat zusätzlich zum Luftreinhalte-Konzept insgesamt 54 Massnahmen zur Prüfung überwiesen.
Verglichen mit der Walddebatte 1985, bei der die Räte die Erarbeitung des Luftreinhalte-Konzepts in Auftrag gegeben hatten, wurde nun in der Diskussion darüber ein wesentlich ausgeprägteres Problembewusstsein quer durch alle Parteien hindurch deutlich. Da das lufthygienische Ziel mit den im Luftreinhalte-Konzept vorgesehenen Massnahmen nicht erreicht werden kann und die Luftbelastung mit technischen Verbesserungen allein nicht in den Griff zu bekommen ist, gab sich nun – kurz vor den eidgenössischen Wahlen – auch die bürgerliche Mehrheit grün. Wenigstens verbal unterstützte sie Massnahmen, die sie bei früheren Debatten als nicht akzeptabel erachtet hatte. Allerdings überwies sie weitergehende Vorstösse vor allem der Linken und Grünen nur in der unverbindlichen Form von Postulaten. Unter Namensaufruf lehnte der Nationalrat die Prüfung einer Rationierung bzw. Kontingentierung von Benzin und Heizöl, eines Öko-Bonus oder motorfahrzeugfreier Tage mit 90:76 und die Einführung von Tempo 100 auf Autobahnen mit 90:77 Stimmen ab. Jedoch hiess er ebenfalls unter Namensaufruf mit 101:57 einen Eventualantrag betreffend Prüfung differenzierter Tempolimiten für Autos mit und ohne Katalysatoren gut. Der Ständerat seinerseits regte eine landesweite Aufklärungskampagne über die Gefahren der Luftverschmutzung und Verhaltensmöglichkeiten der Bevölkerung an und überwies auch eine Motion des Nationalrates (Schüle, fdp, SH), die Vorkehrungen zur Ausmerzung der schadstoffintensiven Altfahrzeuge verlangt. Er verzichtete jedoch ebenfalls auf einschneidendere Massnahmen und gab etwa der Standesinitiative des Kantons Bern betreffend Vorbereitung einer Treibstoffrationierung mit 20:6 Stimmen keine Folge.
Nicht zuletzt im Hinblick auf die Wahlen war vor allem die Debatte im Nationalrat von den Medien mit Interesse verfolgt worden. Ihr Ergebnis stiess in der Öffentlichkeit überwiegend auf Kritik und Enttäuschung. Während sich einzig die Automobilverbände zustimmend zu den Beschlüssen der grossen Kammer äusserten, wurden diese von den Umweltorganisationen, aber auch aus den Reihen der FMHArzteschaft scharf kritisiert. Vor allem stiessen sie sich daran, dass vom Bundesrat lediglich verlangt wurde, weitere Massnahmen zu studieren und deren Realisierbarkeit zu überprüfen, und dass einschneidende Massnahmen von FDP, SVP und grossen Teilen der CVP mit Hinweis auf die fehlende Akzeptanz blockiert würden, obwohl das grundsätzliche lufthygienische Ziel der Luftreinhalteverordnung unbestritten sei [21].
 
[21] Luftreinhalte-Konzept: SPJ, 1986, S. 142 f.; Presse vom 20.2. (NR-Kommission), 11.3. und 12.3.87; NZZ, 28.2.87, 30.5.87 (StR-Kommission). Debatte und weitere Vorstösse: Amtl. Bull. NR, 1987, S. 261 ff. und 300 ff., vgl. S. 565, 1034 und 1903; Amtl. Bull. StR, 1987, S. 269 ff.; Presse vom 13.3., 17.3. und 11.6.87. Zur Motion Fetz (poch, BS) betreffend Einrichtung eines Umwelt-Abgabensystems (Amtl. Bull. NR, 1987, S. 268 und 1431 f.) siehe oben, Teil I, 4a (Wirtschaftssystem). Reaktionen und Kommentare: Presse vom 18.3. und 21.3.87; wf, KK, 12, 23.3.87; NZZ, 27.3.87; BaZ und NZZ, 17.6.87 (BR-Parteien).