Année politique Suisse 1987 : Enseignement, culture et médias / Culture, langues, églises
 
Das Verhältnis zwischen den Sprachgruppen
Eine ganze Reihe von Untersuchungen, Tagungen, Vorträgen sowie politischen Vorstössen und Massnahmen, die dem Verhältnis zwischen den verschiedenen Sprachgruppen gewidmet waren, zeigten auch 1987, dass diesem Problembereich nach wie vor viel Aufmerksamkeit geschenkt wird. Wie das Problem der Einführung des Fremdsprachenunterrichts auf Primarschulstufe hingegen zeigt, scheint die Deutschschweizer Mehrheit jedoch wenig geneigt zu sein, den gemachten Einsichten auch Taten folgen zu lassen. Wie zögernd die deutschsprachigen Kantone – ganz im Gegensatz zum Kanton Tessin und den Westschweizer Ständen – das Anliegen verfolgen, ist oben im Kapitel 8a im Abschnitt über die Primarschulen beschrieben.
Die gemachten Befunde fielen allerdings nicht immer gleich aus. Auf der einen Seite wurde eine wachsende Kluft zwischen den Sprachregionen diagnostiziert. Umfragen hatten nämlich ergeben, dass vorab die Jugendlichen eine zunehmende Affinität zum Englischen entwickeln, gleichzeitig jedoch immer weniger bereit sind, die Sprache des Nachbarn zu erlernen. Für die Westschweizer fällt dabei noch ins Gewicht, dass die Mundartwelle in der Deutschschweiz das Erlernen der deutschen Hochsprache als nutzlos erscheinen lässt. Ausserdem wurde auch festgestellt, dass persönliche Kontakte und Migrationsbewegungen über die Sprachgrenzen hinweg selten sind. Auf der anderen Seite ergab hingegen eine Rekrutenbefragung, dass die Schweizer auch über die Sprachgrenzen hinweg grosse Sympathien füreinander empfinden. Auch wenn die Zuneigung der Angehörigen der Mehrheit für die Minderheiten grösser ist als umgekehrt, wurde anlässlich eines Symposiums der Schweizerischen Akademie für Geisteswissenschaften (SAGW) doch auch betont, dass die Mehrsprachigkeit ein Element der nationalen Identität sei und somit also nicht nur trennend, sondern durchaus auch integrativ wirke [15].
Die anhaltende Sensibilität für sprachliche Probleme führte auch 1987 zu konkreten Massnahmen, um die Verständigung zwischen den Angehörigen verschiedener Sprachgruppen zu fördern. So wurde etwa der Sprachgebrauch der Bundesbediensteten zum Schutze der Minderheiten neu geregelt, und das EMD stellte in Aussicht, ab 1988 versuchsweise für fünf Jahre romanischsprachige Kompanien zu bilden. Eine von Bundesrat Cotti eingesetzte Expertenkommission soll zudem einen neuen Sprachenartikel für die Bundesverfassung ausarbeiten. Beim zweiten Gipfeltreffen der frankophonen Staaten, das dieses Jahr im kanadischen Québec stattfand, beteiligte sich die Schweiz jedoch erneut nur mit Beobachterstatus. Die Kritik fiel darob in der Westschweiz diesmal weniger harsch aus als 1986, und nach dem Gipfel wurde insbesondere die aktive Rolle, die der Schweizer Delegierte, Staatssekretär Edouard Brunner, gespielt hatte, lobend gewürdigt [16].
 
[15] Umfragen: Ww, 15.1.87; 24 Heures, 11.5.87. Rekrutenbefragung: CdT, Suisse, NZZ, 19.9.87. SAGW: Presse vom 15.6.87. Vgl. auch Analysen in: 24 Heures, 21.3.87; NZZ, 12.5.87; In Arbeit ist im Rahmen des Nationalfonds-Projektes NFP 21 noch die Studie über "Binnenwanderung, sprachliche Kontakte und Konversation" ( vgl. Zwischenbericht in: BaZ, 3.7.87).
[16] Bundesverwaltung: Presse vom 14.5.87. EMD: NZZ, 16.1.87. Zudem verlangt eine Motion Kurt Müller (fdp, ZH) Massnahmen, um den Kontakt zwischen den Sprachregionen zu fördern (Amtl. Bull. NR, 1987, S. 1440; Verhandl. B. Vers., 1987, S. 426.). Frankophonie-Gipfel: 24 Heures, 2.7.87; Le Démocrate, 13.7. und 11.8.87; Suisse, 14.7. und 11.8.87; TA, 17.8.87; NZZ, 29.8. und 8.9.87; Lib., 8.9.87; E. Brunner, "Francophonie: La Suisse s'engage", in Documenta, 1987, Nr. 3, S. 22 f. Vgl. auch oben, Teil I, 2 (Relations bilatérales); Lit. "Neue Helvetische Gesellschaft" sowie SPJ, 1986, S. 193 f.