Année politique Suisse 1987 : Enseignement, culture et médias / Médias / Radio und Fernsehen
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Lokale Rundfunkversuche
Die im Jahre 1982 erlassene Verordnung über lokale Rundfunk-Versuche (RVO), welche die Vorbereitung der künftigen Gesetzgebung im Rahmen des RTVG bezweckt, nennt im weséntlichen folgende Versuchsziele: Es soll abgeklärt werden, ob Bedürfnisse nach neuen Programmangeboten sowie nach bestehenden Programmangeboten in anderer Form oder Intensität bestehen und ob die neuen Angebote Auswirkungen auf andere Medien und auf das gesellschaftliche Leben haben. Im August 1987 veröffentlichte nun die vom EVED zur wissenschaftlichen Begleitforschung eingesetzte Arbeitsgruppe einen Zwischenbericht. In diesem wird zunächst festgehalten, dass von neuen Programmangeboten kaum gesprochen werden kann, dass also die Lokalradios in der Regel lediglich Variationen erprobter Radio-Formen und Sendungs-Inhalte verbreiten. Rund drei Viertel des gesamten Programmangebots werden mit dem Abspielen von Musiktiteln vorwiegend anglo-amerikanischer Herkunft bestritten. Im übrigen teilen die Lokalradios fast alles mit, was ihnen in akzeptabler Nachrichtenqualität zugetragen wird. Sie vervielfachen dadurch die Zahl der Nachrichten, bringen gegenüber den Zeitungen aber kaum einen Zugewinn an Vielfalt der Themen, so dass erwiesen scheint, dass die wirtschaftliche Konkurrenz die publizistische Vielfalt nicht erhöht. Ausserdem lässt sich bei fast allen Stationen eine zunehmende "Boulevardisierung" der Programme feststellen.
Die Lokalradios ziehen vor allem ein jüngeres, städtisches Publikum an. Immerhin hört aber doch rund ein Drittel der Bevölkerung regelmässig ein Lokalradio-Programm, auch wenn die tägliche Reichweite seit dem Anfangserfolg, der bis 1985 dauerte, im Sinken begriffen ist und nur rund einen Viertel des Wertes erreicht, den die SRG mit ihren Radioprogrammen erzielt. Gerade auf das Programmangebot der SRG scheinen die Lokalradios aber doch gewisse Auswirkungen gezeitigt zu haben, hatte diese doch mit der Schaffung je eines dritten Programms in der Deutsch- und der Westschweiz reagiert, welche, zusammen mit den nun ebenfalls in lockerer Form präsentierten Regionaljournalen, das zusätzliche Angebot direkt konkurrenzieren sollen. Kaum Auswirkungen wurden dagegen auf die Presse festgestellt, zu deren Lasten Umverteilungen von Werbebudgets befürchtet worden waren. Allerdings wird betont, dass Untersuchungen, die speziell die Situation von auflageschwächeren Zeitungen berücksichtigen, noch ausstehen. Auch befand sich das gesamte Werbevolumen während der Untersuchungsperiode in einem steten, konjunkturbedingten Wachstum, so dass die Auswirkungen der zusätzlichen Werbeträger auf die Regionalpresse noch kaum zu ermitteln sind.
Die hinter der RVO stehenden Grundgedanken, vorab also der Ausgleich von Informationsgefällen zwischen Zentren und Randregionen und die Stärkung der Informationsvielfalt auf der regionalen und lokalen Ebene, werden von den Lokalradios nur in sehr beschränktem Masse erfüllt. Trotzdem ist ihre Akzeptanz sowohl beim Publikum als auch unter den politischen Kräften bis zu dem Grad gestiegen, dass ihre Existenzberechtigung nicht mehr bestritten wird. Die Auseinandersetzungen um das RTVG dürften sich deshalb auf andere Ebenen verlagern, vorab um Fragen nach Kriterien für die Konzessionserteilung, nach der Finanzierung, dem Programmauftrag und den Reichweiten. So soll nach dem RTVG-Entwurf eine Konzession nur noch auf Vorschlag des Kantons erteilt werden, in dem sich das Versorgungsgebiet befindet, und das Sponsoring würde erlaubt sein. Der Entwurf verzichtet dagegen auf die in der RVO noch vorgesehene quantitative Umschreibung des Versorgungsgebietes [18].
Erwartungsgemäss hat der Bundesrat Ende 1987 die 1988 auslaufende RVO um zwei Jahre bis zum 31.12.1990 verlängert. Gleichzeitig hat er auch die Werbebeschränkungen gelockert, indem er die Branchenverbote weitgehend aufhob (Bankenwerbung sowie Stellen- und Liegenschaftenmarkt). Bis Mitte 1988 sollen auch wieder neue Konzessionsgesuche für Versorgungsgebiete eingereicht werden können, in denen bisher noch kein Veranstalter tätig war. Dieser Entscheid dürfte in erster Linie "Radio GRischa" zugutekommen, das nach einem von der Schweizerischen Bankgesellschaft gesponserten Kurzversuch im Sommer 1987 ein Konzessionsgesuch eingereicht hatte. Ausserdem hat auch der Ringier-Verlag ein Gesuch für ein "Radio Aargau" eingereicht, und auch in Basel existieren Pläne für eine Konkurrenzierung von "Radio Basilisk".
Um ihre finanzielle Basis zu erweitern, haben sich im Verlauf des Jahres auch neun Deutschschweizer und die sieben Westschweizer Lókalradios zu einen Werbepool zusammengeschlossen, obwohl das Bundesgericht im Frühjahr geurteilt hatte, dass eine Kooperation in Programm oder Werbung über eine Gesamtreichweite von vierzig Kilometer hinaus nicht zulässig sei, wenn es zu Wettbewerbsnachteilen für andere Lokalradiobetreiber komme. Dem Urteil war eine Klage des Lausanner "Radio L" vorausgegangen, das sich gegen eine Verfügung des EVED, die dem Sender die Zusammenarbeit mit der französischen Radiostation "Thollon" verbot, ans Bundesgericht gewandt hatte [19].
 
[18] Zur RVO: vgl. SPJ, 1982, S. 160 f.; AS, 1982, S. 1149 ff. Begleitforschung: vgl. Lit. Saxer und Schanne.
[19] Verlängerung der RVO: NZZ und TA, 8.12.87. Pläne für neue Lokalradios und Werbepool: Klartext, 7/1987, Nr. 5, S. 5 ff. Urteil des Bundesgerichts: Klartext, 7/1987, Nr. 4. S. 5 f.