Année politique Suisse 1988 : Partis, associations et groupes d'interêt / Partis
 
Freisinnig-demokratische Partei (FDP)
Vom spektakulären Rücktritt der freisinnigen Bundesrätin Elisabeth Kopp – wir gehen darauf an anderer Stelle ein – wurde auch das Image der grössten schweizerischen Partei in Mitleidenschaft gezogen. Dass die Affäre eine Vertreterin des wirtschaftsnahen Zürcher Freisinns betraf, war nach Ansicht verschiedener Kommentatoren und auch einiger freisinniger Politiker kein Zufall. Die freisinnigen Nationalräte Salvioni (TI), Segond und Petitpierre (beide GE) beklagten, dass unter dem Einfluss der starken Zürcher Deputation die Wirtschaftspolitik und unternehmernahe Sichtweisen in der FDP-Fraktion im Bundeshaus dominieren würden, und dem Freisinn nahestehende Zeitungen verlangten gar eine Durchleuchtung des Zürcher Freisinns durch die nationale Partei [6].
Auf Ende April trat der Generalsekretär der FDP, Hans Rudolf Leuenberger, altershalber zurück. Er hatte während seiner 34jährigen Amtszeit vor allem als Organisator im Hintergrund gewirkt. Ersetzt wurde er durch den 41jährigen Volkswirtschafter und früheren Spitzensportler Christian Kauter. Der sich liberalem Gedankengut und Toleranz verpflichtet fühlende Kauter hatte bisher noch keine politischen Amter besetzt und war erst kurz vor seiner Wahl in die Partei eingetreten [7].
Die FDP empfahl die Verwerfung aller fünf Vorlagen, welche im Berichtsjahr den Stimmberechtigten zum Entscheid vorgelegt wurden. Dazu gehörte auch die im Parlament von den Freisinnigen mitgetragene Koordinierte Verkehrspolitik (KVP), welche die Delegierten gegen den Antrag des Parteivorstandes mit 142:20 Stimmen ablehnten [8].
Bei den Wahlen in die Parlamente der Kantone und der grösseren Städte setzte sich für die FDP der negative Trend der beiden Vorjahre fort; einzig in Schwyz konnte sie ihren Stimmenanteil verbessern. Wie die andern bürgerlichen Parteien verlor auch der Freisinn einen Teil seiner Wählerschaft an die erstmals auftretende Auto-Partei, wobei allerdings das Ausmass der Verluste sehr unterschiedlich ausfiel. Während die FDP im Kanton Schaffhausen einen Viertel und in der Stadt St. Gallen sogar fast einen Drittel ihrer Mandate einbüsste, konnte sie in der Stadt Bern ihre Position behaupten, obwohl auch hier die Auto-Partei zu den Wahlsiegern zählte [9]. Die Frage nach erfolgversprechenden Gegenstrategien, die sicher auch von lokalen Gegebenheiten abhängen, konnte die FDP noch nicht schlüssig beantworten. Immerhin zeigten die Parlamentswahlen in der Stadt Schaffhausen, dass ein programmatischer Schulterschluss mit der Auto-Partei zumindest kurzfristig keine Gewähr vor Stimmenverlusten bietet. Obwohl die FDP als einzige grosse Partei eine am gleichen Tag zur Abstimmung kommende Volksinitiative des Gewerbeverbandes für mehr Parkplätze unterstützte, verlor sie massiv Stimmen an die erstmals kandidierende Auto-Partei [10].
 
[6] SZ, 12.12. und 13.12.88; AT, 13.12.88; Ww, 15.12. und 22.12.88; TA, 17.12. und 22.12.88. Zum Rücktritt siehe oben, Teil I, 1c (Regierung).
[7] TA, 23.1.88; NZZ und Bund, 22.4.88; SZ, 23.4.88. Zu Leuenberger siehe auch Polnische Rundschau, 67/1988, Nr. 3, S. 3 ff.
[8] Delegiertenversammlung vom 23.4. in Lugano (NZZ, 25.4.88).
[9] Siehe dazu oben, Teil I, Kap. 1e.
[10] SN, 21.10. und 6.12.88. Vgl. dazu auch G. Weber in NZZ, 19.12.88 und unten, Auto-Partei.