Année politique Suisse 1988 : Eléments du système politique / Problèmes politiques fondamentaux et conscience nationale / Grundsatzfragen
Dass sich die turbulenten Ereignisse des Jahres 1968 zum zwanzigsten Mal jährten, bildete für manche den Anlass zu einem Rückblick auf dieses Jahr und zu einer Bilanz der 68er Bewegung. Während sich ehemalige " 68er" teilweise über das Scheitern ihrer damaligen Bemühungen und über den heutigen Rückzug ins Private beklagten, freuten sich Vertreter der liberalen Ideologie über ebendieses Scheitern und werteten es als Beweis für die Tauglichkeit des liberalen Staates
[5]. Neben den Zeichen von Frustration, Nostalgie und Häme, die zu vernehmen waren, wurden aber auch Versuche unternommen, die
politische und gesellschaftliche Wirkung jener Bewegung zu erfassen und über den Verbleib der damaligen Ideale nachzudenken. Dabei wurde nicht übersehen, dass die konkreten Forderungen der Studentenbewegung — vielleicht abgesehen von der Beendigung des Vietnam-Krieges — entweder nicht erfüllt oder aber mit dem Nachlassen des politischen Druckes in den 70er Jahren wieder rückgängig gemacht worden waren. Andererseits wurde jedoch auch argumentiert, dass "1968" zu, einem Symbol für einen Zeitabschnitt geworden sei, der eine Generation — analog zur "Aktivdienstgeneration" — mit einer gemeinschaftlichen Prägung des Bewusstseins und des Selbstverständnisses hervorgebracht habe. Die 68er Bewegung habe dadurch Tore geöffnet zu alternativen Lebenswerten und zu einer Gegenkultur, welche schliesslich zu den Trägern von neuen politischen Organisationen, von Feminismus und Okologiebewegung" geworden seien. Im weitern wurde auch darauf aufmerksam gemacht, dass der vor 20 Jahren angetretene "Marsch durch die Institutionen" zwar von seinem ursprünglichen Weg Richtung Sozialismus abgekommen sei, dass er aber doch die Wissenschaft, das Geistesleben und Teile der öffentlichen Verwaltung auf einen tendenziell progressiveren Kurs gebracht habe. Umstritten blieben die Fragen, inwieweit die zunehmende Distanz zu Traditionen und Konventionen Resultat des damaligen Aufbrechens von gesellschaftlichen Tabus sei, und inwiefern die Abkehr vom Streben nach der Verwirklichung von gesellschaftlichen Globalkonzepten hin zu punktuellem, von Betroffenheit geprägtem Handeln als Resultat der repressiven Reaktion auf die 68er Bewegung betrachtet werden könne, oder ob nicht beides vielmehr sozioökonomische Ursachen habe
[6].
[5] Zu 1968 vgl. SPJ 1968, S. 13 ff. Rückblicke mit teilweise wenig Distanz in Widerspruch, 8/1988, Nr. 15 (dazu WoZ, 12.8.88; TA, 17.11.88) und H. Bütler, in NZZ, 7.5.88.
[6] Rückblicke: TW, 18.4., 25.4., 2.5., 9.5., 16.5., 24.5., 30.5., 6.6., 20.6. und 27.6.88; WoZ, 29.4.88; NZZ, 2.7.88; BaZ, 7.5.88; Bund, 21.5.88.