Année politique Suisse 1988 : Eléments du système politique / Institutions et droits populaires / Gerichte
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Organisation der Bundesrechtspflege
Als Zweitrat behandelte der Ständerat die Revision des Gesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege. Hauptziel dieser Vorlage ist die Entlastung des Bundesgerichts, dessen Geschäftslast — gemessen an den erledigten Fällen — sich in den letzten fünfzehn Jahren verdoppelt hat. Weitaus am meisten zugenommen haben die staatsrechtlichen Beschwerden, d.h. die Klagen auf Verletzung verfassungsmässiger Rechte. Die Mehrheit des Ständerats war grundsätzlich einverstanden, dass die Beschwerdeflut eingedämmt werden muss. Das vom Bundesrat vorgeschlagene und von der Volkskammer gutgeheissene Annahmeverfahren ging ihr jedoch zu weit.
Die vorberatende Kommission hatte als Kompromisslösung ein Vorprüfungsverfahren für staatsrechtliche Beschwerden vorgelegt. Gemäss diesem von Ständerat Zimmerli (svp, BE) ausgearbeiteten Verfahren müsste sich das Bundesgericht weiterhin auch materiell mit jeder Beschwerde befassen. Nach einer summarischen Überprüfung könnten die Richter dann Nichteintreten mangels Erheblichkeit der Streitsache beschliessen. Als erheblich soll ein Fall gelten, "der von grundsätzlicher Bedeutung ist, vom Bundesgericht bisher noch nicht beurteilt wurde, erneuter Überprüfung bedarf oder wenn der angefochtene Entscheid von der Rechtssprechung des Bundesgerichtes abweicht". Auf verwaltungsrechtliche Beschwerden müsste das Gericht in jedem Fall eintreten. Im Ratsplenum vermochte sich dieser Vorschlag mit 26:17 Stimmen gegenüber dem Antrag auf Verzicht auf jegliche Beschränkungen durchzusetzen. Knapp abgelehnt (20:17 Stimmen) wurde hingegen der Antrag der Kommissionsmehrheit, auf die Erhöhung der Streitwertsgrenze von 8 000 auf 30 000 Fr. zu verzichten [29].
Die Chancen stehen gut, dass der Nationalrat im Differenzbereinigungsverfahren auf das Annahmeverfahren zugunsten der weniger restriktiven Lösung des Ständerats verzichten wird. Gegen Jahresende votierte seine vorberatende Kommission einstimmig in diesem Sinne [30].
Die vom Bundesrat als Überbrückungsmassnahme bis zur Inkraftsetzung des neuen Organisationsgesetzes vorgeschlagene Verlängerung der 1984 bewilligten 15 ausserordentlichen Ersatzrichterstellen für weitere drei Jahre wurde von beiden Räten diskussionslos gutgeheissen [31].
 
[29] Amtl. Bull. StR, 1988, S. 227 ff.; Presse vom 15.7.88. Siehe auch SPJ 1987, S. 30 f.
[30] NZZ, 25.11.88.
[31] Amtl. Bull. NR, 1988, S. 219 f.; Amtl. Bull. StR, 1988, S. 55 f.; AS, 1988, S. 1208 f.