Année politique Suisse 1988 : Economie / Agriculture
 
Forstwirtschaft
Mit Erleichterung wurden die Resultate der diesjährigen "Sanasilva"-Studie aufgenommen, welche erstmals seit der ersten Waldschadeninventur von 1984 eine Erholung des Waldes belegen. Gegenüber dem Vorjahr ging der Anteil der kranken Bäume von 56% auf 43% zurück. Insbesondere die Laubbäume wiesen beträchtlich weniger Schäden auf, und die Erholung der Wälder war vor allem in der Südschweiz am ausgeprägtesten. Die Studie führt diese positive Entwicklung vor allem auf das seit der vorangegangenen Messung günstige Klima zurück; sie warnt jedoch davor, dieses Resultat als Trendumkehr zu betrachten, da nur längerfristige Untersuchungen die Entwicklung angemessen beschreiben könnten. Insbesondere der Bergwald sei nach wie vor in einem sehr schlechten Zustand [35].
Weitere im Berichtsjahr durchgeführte Studien warnten vor den hohen Folgekosten des Waldsterbens, etwa durch eine Zunahme der Lawinenniedergänge als Folge geschädigter Bannwälder oder durch eine Abnahme des Tourismus angesichts kranker Wälder und künstlicher Lawinenverbauungen. Eine historische Untersuchung zeigte, dass es auch in früheren Jahrhunderten schon kranke Wälder gab, dass jedoch heute die Bäume empfindlicher auf Stressfaktoren reagieren. Aus methodischen Gründen nicht für alle überzeugend fiel eine Studie der Eidgenössischen Anstalt für forstliches Versuchswesen (EAFV) aus, die belegte, dass die Emissionen von Kernkraftwerken keinen nennenswerten Einfluss auf das Waldsterben haben [36].
Der Bundesbeschluss über ausserordentliche Massnahmen zur Walderhaltung ("Borkenkäfer-Beschluss") passierte ohne Opposition beide Räte und kann, befristet bis 1992 oder zum Erlass des Waldgesetzes, auf Anfang 1989 in Kraft treten. Er ersetzt den 1984 erstmals erlassenen analogen Beschluss und ergänzt diesen vor allem hinsichtlich der neu geregelten Förderung des Jungwaldes. Zur Finanzierung wurden vom Parlament insgesamt 240 Mio Fr. bewilligt, die je zur Hälfte aus allgemeinen Bundesmitteln und aus der Treibstoffbelastung bereitgestellt werden. Anlass zu Diskussionen boten lediglich die Forderung nach einem Importschutz für Schweizer Holz sowie der Widerstand gegen Finanzhilfen des Bundes für die ungedeckten Bewirtschaftungskosten, was Befürchtungen hinsichtlich einer "Agrarisierung" des Waldes und einer Einladung zu unökonomischem Verhalten weckte. Der Nationalrat überwies zudem eine Motion Oester (evp, ZH), welche zur Unterstützung der Forstwirtschaft eine Föderung der Holzschnitzelfeuerungen fordert [37].
Beide Punkte dürften bei der Beratung des neuen Bundesgesetzes über Walderhaltung und Schutz vor Naturereignissen (Waldgesetz) erneut eine wichtige Rolle spielen. Das Gesetz, zu dem der Bundesrat Botschaft und Entwurf vorlegte, soll das Forstpolizeigesetz aus dem Jahre 1902 ablösen und den darin geregelten quantitativen Schutz der Wälder mit einem qualitativen ergänzen. Dabei soll auch die schlechte wirtschaftliche Situation der Forstbetriebe angemessene Beachtung finden, weshalb neben den Abgeltungen des Bundes für die Ausführung der von ihm vorgeschriebenen Aufgaben auch Finanzhilfen für individuell gewählte Massnahmen der Bewirtschafter vorgesehen sind [38].
Zu Einwänden seitens der Kantonsoberförster und mehrerer Motionäre und Interpellanten im Parlament führte die von Bundesrat Cotti zur Straffung der Führungsstruktur vorgenommene Eingliederung des Bundesamtes für Forstwesen und Landschaftsschutz in das Bundesamt für Umweltschutz, das neu Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) heisst. Die Opponenten fürchteten ein Absinken der Bedeutung und der Effizienz dieser Abteilung, was Cotti jedoch bestritt. Der Personalbestand der neuen Unterabteilung blieb der gleiche wie derjenige des alten Bundesamtes [39].
 
[35] Jahresbericht Sanasilva 1988, Eidg. Forstdirektion, Bern u. Birmensdorf 1989 (Methoden); Gesch.ber. 1988, S. 95 ff. (Ergebnisse); SGT und BZ, 27.7.88; BaZ, 27.8.88; Presse vom 25.11.88. Vgl. auch Lit. Schlaepfer sowie SPJ 1987, S. 119 f. und 166.
[36] Bund, BZ und NZZ, 9.5.88 (Lawinen); BaZ, 5.1.88; Bund, 6.1. und 20.2.88 (Tourismus); Lit. Pfister (Geschichte); EAFV, Waldschäden im unteren Aaretal - Schadauswertung in der Umgebung von Kernanlagen, Birmensdorf 1987; dazu: BaZ, 2.6. und 29.9.88; NZZ, 2.6.88.
[37] Amtl. Bull. StR, 1988, S. 92 ff.; Amtl. Bull. NR, 1988, S. 680 ff. und 971; BBl, 1988, II, S. 1150 ff. und III, S. 817; Presse vom 17.3. und 15.6.88. Verordnung zum Bundesbeschluss: AS, 1989, S. 2057 ff.; NZZ, 29.11.88. Motion Oester: Amtl. Bull. NR, 1988, S. 1171 f. und 1230.
[38] BBl, 1988, III, S. 173 ff.; Presse vom 30.6.88; NZZ, 16.7.88.
[39] NZZ, 8.6.88; Lib. und JdG, 16.6.88; Presse vom 30.6.88; Ww, 14.7.88; BZ, 24.12.88. Zu den parlamentarischen Vorstössen siehe unten, Teil I, 6d (Umweltpolitik). Vgl. auch oben, Teil I, 1c (Verwaltung) sowie Lit. zu Forstwirtschaft und Waldsterben.