Année politique Suisse 1988 : Chronique générale / Finances publiques
Finanzordnung
Das Jahr 1988 war in der Finanzpolitik von hitzigen und teilweise rüden Streitigkeiten geprägt. Sie drehten sich hauptsächlich um die künftige Ausgestaltung der indirekten Steuern und verdeckten dabei die Tatsache, dass die Parteien in ihren Vorstellungen einer künftigen Finanzordnung eigentlich einen erstaunlich hohen Grad an Konsens bereits gefunden haben. Man ist sich weit herum einig, dass die Bundes-Staatsquote (der Anteil der Bundesausgaben am Bruttoinlandprodukt BIP) auf dem seit einigen Jahren erreichten Stand von 9,5 bis 10% gehalten werden sollte, und Übereinstimmung herrscht auch beim Wunsch, den Anteil der indirekten Steuern bei den Bundeseinnahmen gegenüber den direkten zu erhöhen und dabei auch Dienstleistungen in die Besteuerung einzuschliessen. Angesichts dieser prinzipiellen Einigkeit wurde denn auch die Hoffnung geäussert, dass die Handlungsunfähigkeit bei der Revision der Warenumsatzsteuer (WUSt) und einer allfälligen Energiebesteuerung zugunsten einer ganzheitlichen neuen Finanzordnung überwunden werde
[1].
Der Bundesrat setzte sich in seiner
Legislaturplanung zum Ziel, auch die Finanzpolitik im Zeichen des qualitativen Wachstums zu gestalten. Insbesondere eine vermehrte Unterstützung von Bildung und Forschung schienen ihm für das Erreichen dieses Ziels angezeigt. Daneben soll eine neue, in dauerndes Recht überführte Finanzordnung so ausgestaltet sein, dass sie auf den wirtschaftlichen und ökologischen Entwicklungsprozess marktkonform einwirkt. Entsprechend möchte der Bundesrat eine Globalsteuerung der Ausgabenpolitik anstreben, wobei das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts und einer mittelfristig stabilen Staatsquote den Rahmen bildet. Auch die Einnahmenordnung sollte nicht nur transparent und administrativ einfach sein, sondern wirtschafts- und finanzpolitische Anliegen mit umweltpolitischen Zielsetzungen verknüpfen. Aus diesen Gründen hielt der Bundesrat daran fest, die geplante Aufhebung der auf Investitionsgütern und Betriebsmitteln erhobenen WUSt mit einer Energieabgabe von 10% zu kompensieren. Um eine grössere Wettbewerbsneutralität und eine Annäherung an das Steuersystem der Europäischen Gemeinschaft (EG) zu erreichen, sollen zudem auch die Dienstleistungen der WUSt unterstellt werden. Schliesslich soll bei der direkten Bundessteuer der Übergang zur einjährigen Gegenwartsveranlagung eine bessere Ausrichtung auf die Konjunktur bringen. Alle für die neue Finanzordnung nötigen Verfassungsänderungen möchte die Regierung zu einem Reformpaket zusammenfassen und, gemäss einer Aussage von Bundesrat Stich, im Jahr 1990 zur Abstimmung bringen
[2].
Das Parlament erachtete dieses Finanzpaket als überladen und wandte sich insbesondere gegen die vorgeschlagene
Energieabgabe von 10%. Aus diesem Grund überwiesen beide Räte eine Motion der Nationalrats-Kommission, die verlangt, dass vorgängig zu einer Vorlage für eine neue Finanzordnung ein Vorschlag zur Aufhebung der WUSt auf Investitionsgütern und Betriebsmitteln ("taxe occulte") unterbreitet werde. Zur Kompensation der daraus resultierenden Einnahmenausfälle sollen die Energieträger der WUSt unterstellt, baugewerbliche Leistungen zum Normalsatz von 6,2% besteuert und weitere Massnahmen ergriffen werden, um die restlichen Ausfälle auszugleichen. Als Bundesrat Stich trotzdem an der Option einer Energieabgabe festhalten wollte, wurde ihm von bürgerlicher Seite Sturheit und eine arrogante Missachtung des Parlamentswillens vorgeworfen. Schliesslich schickte das EFD vier Varianten zum Ausgleich der "taxe occulte" in die Vernehmlassung
[3].
Der Bundesrat rechnet für die kommenden Jahre mit einem geringfügig gebremsten Wirtschaftswachstum von jährlich 1,5% und mit einer leicht erhöhten Teuerungsrate von 2,5%. Dem nominalen Wirtschaftswachstum von 4% stehen gemäss der Finanzplanung jedoch steigende Ausgaben des Bundes von jährlich 4,6% und ein sinkendes Einnahmenwachstum gegenüber. Dass dieses mit einem durchschnittlichen Wachstum von 3,4% hinter dem Wirtschaftswachstum herhinkt, hängt mit den strukturellen Schwächen des Einnahmensystems zusammen. So wachsen die auf Gewichten erhobenen Zölle in Zeiten allgemeiner Inflation nicht im Gleichschritt mit den Preisen, und die Dienstleistungen werden von der WUSt nicht erfasst. Ausserdem belasten auch die 1987 beschlossenen Steuererleichterungen bei der direkten Bundessteuer sowie die markante Verflachung des Ertragswachstums bei der Verrechnungssteuer und den Stempelabgaben die Bundeskasse. Auf diese Weise wird einerseits die Zielgrösse von 10% für die Staatsquote bereits im Jahr 1989 erreicht - diese Ausschöpfung des wirtschaftspolitischen Handlungsspielraums bereits in konjunkturell starken Jahren ist eigentlich unerwünscht -, andererseits bringt aber das gebremste Einnahmenwachstum in der Planungsperiode auch wieder negative Rechnungsabschlüsse mit sich
[4].
[1] NZZ, 25.6.88. Vgl. auch Lit. Escher.
[2] BBl, 1988, I, S. 419 ff.; Ww, 7.4.88.
[3] Amtl. Bull. NR, 1988, S. 570 ff.; Presse vom 11.6.88; Amtl. Bull. StR, 1988, S. 320 ff.; Presse vom 21.6., 3.9. und 22.11.88. Zur Vernehmlassung siehe unten, Einnahmenordnung.
[4] Botschaft des Bundesrates... zum Voranschlag... für das Jahr 1989, S. 77 ff. Die hier (im Oktober) vorgelegten Zahlen weisen markante Differenzen zu den (im Februar) in der Legislaturfinanzplanung dargelegten auf. Im Februar hatte der Bundesrat für das Jahr 1991 noch mit einem Defizit von 986 Mio Fr. gerechnet. Vgl. BBl, 1988, I, S. 517 ff.; Gesch.ber. 1988, S. 295 und wf, Dok., 28.11.88. Vgl. auch SPJ 1987, S. 123 f.
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