Année politique Suisse 1988 : Infrastructure, aménagement, environnement / Sol et logement
Mietwesen
Die mehrheitlich auf den 1. August um 0,25% auf 5% reduzierten Hypothekarzinssätze hätten theoretisch zu einer Mietzinsreduktion von 3,38% führen müssen. Der Handlungsspielraum des seit Oktober 1987 geltenden Bundesbeschlusses über Massnahmen gegen Missbräuche im Mietwesen ist jedoch derart bemessen, dass er über das blosse Hypothekarzinsgefüge hinausgeht, da noch weitere Kostengrössen für die Mietzinsgestaltung massgeblich sind. Trotz entsprechenden Aufrufen der Mieterverbände erhöhte sich der Mietpreisindex gegenüber dem Vorjahr um 2,9%, wobei namentlich durch Renovationen und Modernisierungen bedingte Mietpreiserhöhungen bei älteren Gebäuden vermehrt ins Gewicht fielen. Die Mieten neuerstellter Wohnungen verteuerten sich um 8%.
Während die Zahlen des BIGA, bei denen untere Einkommensklassen untervertreten sind, für die durchschnittliche finanzielle Belastung durch den Mietzins einen Anteil von 13,5% des Einkommens ausweisen, ergaben Zahlen aus einer repräsentativen und detaillierten Befragung von 4 600 Haushalten (sogenannter Mikrozensus), dass diese 1986 im Durchschnitt für die Miete (inklusive Nebenkosten) einen Viertel des Lohns aufwenden mussten. Zunehmend verteuernd wird sich auch der Umstand auswirken, dass der Anteil der überalterten und sanierungsbedürftigen Wohnungen in den nächsten 20 bis 30 Jahren auf rund 600 000 steigen wird; insbesondere die Sanierungskosten für die qualitativ nicht über alle Zweifel erhabenen Hochkonjunkturbauten der 60er und frühen 70er Jahre werden auf die Renditen drücken bzw. die Mieten steigen lassen
[23].
Im März erfolgte im Raume Bern, nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Abstimmung über die "Stadt-Land-Initiative", die
Gründung des Hausvereins Schweiz, welcher im Sinne eines alternativen Hauseigentümerverbands die Interessen jener Boden- und Wohnungsbesitzer wahrnehmen will, welche Häuser und Land vornehmlich zum Eigengebrauch und nicht zur Kapitalanlage halten. Die neue Organisation beabsichtigt die Schaffung eines Modellmietvertrags auf Grundlage der sogenannten Kostenmiete, die Beratung seiner Mitglieder über den umweltschonenden Unterhalt der Liegenschaften, die Entwicklung neuer Konzepte zur Eigentumsförderung und die Erarbeitung von Vorschlägen zu einer steuerlich differenzierten Behandlung von "spekulativem" und "nichtspekulativem" Bodenbesitz. Der Schweizerische Hauseigentümerverband bekundete keine Angst vor der neuen Konkurrenz und betonte, dass die Mehrheit seiner 124 000 Mitglieder mit der Zielgruppe des Hausvereins identisch sei und er auch deren Anliegen vertrete
[24].
Die Revision des achten Titels des Obligationenrechts über das Miet- und Pachtrecht trat 1988 in die parlamentarische Phase. Grundlage dazu bot der vom Volk im Dezember 1986 als Gegenvorschlag zu einer zurückgezogenen Volksinitiative gutgeheissene Verfassungsartikel 34septies und im besonderen die Vorlage des Bundesrats aus dem Jahre 1985. Der eher vage Verfassungsartikel lässt dem Gesetzgeber etlichen Spielraum für dessen Ausführung; die Kommentare auf die Kommissions- und Plenumsberatungen des Ständerats konstatierten allgemein eine vermieterfreundliche Tendenz, welche in erster Linie die Vertragsfreiheit in den Vordergrund rücke. Der Schweizerische Mieterverband hält das zentrale Versprechen eines wirksamen Kündigungsschutzes für nicht erfüllt und betrachtet die vorgeschlagene Lösung sogar als Rückschritt hinter die geltende Regelung. Die Ständeratsversion entspreche deshalb dem Verfassungsauftrag nicht mehr. Die Vorlage des Bundesrates wurde im Plenum nur von den Vertretern der SP und des LdU sowie von vereinzelten Bürgerlichen verteidigt. Darüber hinausgehende Begehren wurden kaum gestellt.
Von den Anträgen des Bundesrates passierten die Kommissions- und Plenumsverhandlungen unverändert: die Einschränkung des Verbots der Untermiete auf diejenigen Fälle, in denen dem Vermieter wesentliche Nachteile erwachsen; die Nennung nur noch eines zumutbaren Ersatzmieters im Falle eines vorzeitigen Auszugs; die Verlängerung der maximalen Erstreckung eines Mietverhältnisses von drei auf vier und bei Geschäftsräumen von fünf auf sechs Jahre; die Anfechtbarkeit der gegen Treu und Glauben verstossenden Kündigung, welche während eines hängigen Verfahrens oder vor Ablauf einer von zwei auf drei Jahre erweiterten Frist nach einem für den Vermieter negativen Entscheid nicht zulässig ist; die Einsetzung von kantonalen, regionalen und kommunalen Schlichtungsstellen, welche dem ordentlichen Richter vorgeschaltet sind, sowie die Grundsatzdefinition des missbräuchlichen Mietzinses, welcher dann gegeben ist, wenn ein übersetzter Ertrag aus dem Mietverhältnis erzielt wird oder wenn er auf einem offensichtlich übersetzten Kaufpreis beruht. Entgegen anderer Auffassung seiner Kommission hielt die kleine Kammer bei der Kündigung mittels eines amtlich genehmigten Formulars mit aufgedruckter Rechtsmittelbelehrung des Mieters an der Version gemäss Botschaft fest.
Hinter die Vorschläge der Landesregierung zurück ging der Ständerat: beim Verzicht von Vermieter und Mieter auf eine Verrechnung von Forderungen und Schulden aus dem Mietverhältnis; beim Recht des Mieters auf Hinterlegung des Mietzinses im Sinne eines Druckmittels zur Beseitigung von Mängeln; bei der Anfechtbarkeit von missbräuchlichen Anfangsmietzinsen, welche nur bei persönlicher und familiärer Notlage, Wohnungsnot und nichtdefinierten erheblichen Mietzinserhöhungen bei Mieterwechsel ohne entsprechende Aufwertung des Mietobjekts, aber generell auf Grundlage einer Auskunftspflicht.des Vermieters über die Höhe des Mietzinses im vorangegangenen Mietverhältnis möglich ist, sowie bei der Wiederaufnahme des Retensionsrechts bei Geschäftsräumen. Neu aufgenommen wurde die Bestimmung, wonach die Nichtigkeit einer Kündigung innerhalb der Sperrfrist bei dringendem Eigenbedarf des Vermieters, seiner nahen Verwandten und Verschwägerten nicht gegeben ist. In der Gesamtabstimmung im Ständerat wurde diese Version mit 29 zu 4 Stimmen bei Enthaltung der SP-Mitglieder angenommen
[25].
Auch die Kommission des Nationalrates befasste sich in erster Lesung mit dieser Materie und hielt in der Regel an den bundesrätlichen Vorschlägen fest oder ging sogar darüber hinaus, ohne jedoch die erneute Enttäuschung des Mieterverbandes verhindern zu können. Dieser hatte bereits zu Jahresbeginn gefordert, dass das Kriterium des Orts- oder quartierüblichen Mietzinses als Grund für Mieterhöhungen abgeschafft wird, was vom Schweizerischen Hauseigentümerverband als völlig unhaltbar zurückgewiesen wurde
[26].
Zur Revision des Miet- und Pachtrechts gehört auch die Überführung des bis längstens 1992 verlängerten Bundesbeschlusses über
Massnahmen gegen Missbräuche im Mietwesen (BMM), welcher seit 1987 für die ganze Schweiz Gültigkeit hat, ins ordentliche Recht. Entgegen dem Antrag des Bundesrates auf Schaffung eines Spezialgesetzes entschieden sich sowohl der Ständerat als auch die Nationalratskommission für die Integration des BMM ins Obligationenrecht
[27].
[23] Hypothekarzins, Mietpreisindex: BZ, 29.2.88; JdG, 10.3.88; 24 Heures, 22.4.88; NZZ, 4.5.88; SGT, 7.7.88; Die Volkswirtschaft, 62/1989, S.33 ff.; Bundesamt für Statistik, Mietpreiserhebung Herbst 1988, Bern 1988. Verhältnis Miete-Lohn: NZZ, 16.4. und 21.5.88; TA, 19.4. und 30.9.88.
[24] BZ, 19.3. und 21.3.88; TA, 22.3.88.
[25] Kommission StR: NZZ, 27.1., 30.3. und 6.6.88; BaZ, 27.1. und 6.6.88; TA, 12.2. und 7.6.88; Bund, JdG und TW, 30.3.88; 24 Heures, 27.5.88. Verhandlungen StR: Amtl. Bull. StR, 1988, S. 137 ff.; Presse vom 8.6. und 9.6.88; vgl. SPJ 1987, S. 162.
[26] Kommission NR: BaZ, 2.11.88; BZ, JdG und NZZ, 4.11.88. Mieterverband: Presse vom 20.1.88; NZZ, 22.1.88.
[27] Amtl. Butt. StR, 1988, S. 137 ff. und 185; NZZ, 4.1 1.88.
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