Année politique Suisse 1988 : Infrastructure, aménagement, environnement / Protection de l'environnement / Umweltpolitik
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Umweltpolitische Schwerpunkte
Der Bundesrat stellte seinen Bericht über die Legislaturplanung 1987–1991 unter das Leitmotiv des qualitativen Wachstums, wie es in einem 1986 veröffentlichten Expertenbericht umschrieben worden war. Damit plädierte die Landesregierung für ein differenziertes Wirtschaftswachstum, das auf einer umweltschonenden, rohstoffund energiearmen Produktion basiert und dadurch letztlich zu einem Zuwachs an Lebensqualität führt. Um die notwendige Umorientierung zu erleichtern, sollen die bereits geschaffenen gesetzlichen Grundlagen im Bereich des Umweltschutzes durch staatliche Lenkungsmassnahmen ergänzt werden. Dabei ist namentlich die Einführung von Umweltabgaben – das heisst marktkonformen Anreizen zur Förderung eines vorsorglichen, die Umwelt schonenden Verhaltens – vorgesehen [1].
Bei der Debatte über die Legislaturplanung wünschte der Nationalrat, dass die Regierung die Leitidee des qualitativen Wachstums unter anderem insofern konkretisiere, als sie in jeder Botschaft an das Parlament die ökologischen Auswirkungen des jeweiligen Geschäfts darlege. Mit einem Postulat Müller (fdp, ZH) verlangte die Volkskammer vom Bundesrat ferner einen Bericht darüber, wie sich umweltwirksame Gesetze und Verordnungen sowie insbesondere auch Steuern, Abgaben und Subventionen auf das Umweltverhalten auswirken. Der Bericht soll zugleich Vorschläge für eine allfällige Revision bestehender Rechtsgrundlagen enthalten [2].
Als Schwerpunkte in der Umweltpolitik 1988 nannte die Landesregierung weitere Massnahmen zur Reduktion der Luftverschmutzung, zur Verminderung der Chemierisiken und zur Abfallbewirtschaftung, wobei Lenkungsabgaben ins Auge gefasst und die rechtlichen Grundlagen zu deren Einführung vorbereitet werden [3]. Auch die grossen Schweizer Umweltorganisationen traten mit ihren umweltpolitischen Zielvorstellungen an die Öffentlichkeit. Mit der Schrift "Umwelt Schweiz: Wege in die Zukunft" unterbreiteten sie eine Diskussionsgrundlage für übergreifende politische Massnahmen zum Schutz der Umwelt und schlugen entsprechende Strategien vor [4].
Im Rahmen des Europäischen Umweltjahrs 1987/88, das in der Schweiz im März mit einem feierlichen Akt abgeschlossen wurde, publizierten das Nationale Komitee, das Hochschulinstitut für öffentliche Verwaltung in Lausanne (IDHEAP) und das Bundesamt für Umweltschutz (BUS) einen Umweltrechtsvergleich Schweiz — EG. Danach sind die Schweizer Umweltschutzregelungen strenger und über Europa hinaus wegweisend [5]. Die Auswirkungen der europäischen Integration auf die schweizerische Umweltpolitik lösten daher eine breite Diskussion aus, und vor allem die Umweltorganisationen warnten vor einer Anpassung an die EG. Bundesrat Cotti betonte, dass die notwendige Annäherung an Europa eine glaubwürdige nationale Umweltpolitik nicht verhindern dürfe, sondern es vielmehr darum gehe, die internationale Zusammenarbeit zu intensivieren, um fortschrittlichen Strategien in der europäischen Umweltschutzpolitik zum Durchbruch zu verhelfen [6].
Im Rahmen einer Verwaltungsreorganisation legte der Bundesrat auf den 1. Januar 1989 das Bundesamt für Umweltschutz (BUS) mit dem Bundesamt für Forstwesen und Landschaftsschutz (BFL) zum neuen Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) zusammen. Diese Massnahme wurde von verschiedener Seite kritisiert, da man einen damit verbundenen Leistungsabbau befürchtete. Mehrere parlamentarische Vorstösse forderten, das BFL nicht aufzulösen, sondern es im Gegenteil auszubauen. Der Bundesrat machte jedoch von seiner Organisationskompetenz Gebrauch und erklärte, dass im Mittelpunkt der Verwaltungsreorganisation im Bereich der "grünen" Bundesämter die Absicht stehe, eine einheitliche und starke Umweltpolitik des Bundes durch den konzentrierten Einsatz der Ressourcen sicherzustellen [7].
 
[1] BBl, 1988, I, S. 395 ff.; siehe dazu oben, Teil I, 1c (Regierung). Expertenbericht: vgl. SPJ 1986, S. 64 f.
[2] Debatte: Amtl. Bull. NR, 1988, S. 493 ff., insbesondere S. 540 und 559 (überwiesenes Kommissionspostulat). Postulat Müller: Amtl. Bull. NR, 1988, S. 899.
[3] Presse vom 6.2.88. Zum Instrument.der Lenkungsabgaben in der Umweltpolitik siehe Bund, 4.7.88; BZ und TA, 8.9.88; Umweltschutz in der Schweiz, Bulletin des BUS (im folgenden zitiert als BUS-Bulletin), 1988, Nr. 1, S. 1 ff.
[4] Presse vom 6.9.88; NZZ, 7.9.88; Vr, 9.9.88; vgl. Lit. WWF.
[5] Umweltjahr: NZZ, 23.3.88; Suisse, 1.4.88; Presse vom 2.4.88; vgl. SPJ 1987, S. 165. Umweltrechtsvergleich: SHZ, 14.7. und 8.9.88; BaZ, 30.8.88; BZ, 11.11.88; vgl. Lit. Schwager.
[6] Vat., 22.6.88 (Rede von BR Cotti); NZZ, 24.6. und 28.10.88; TA, 22.7.88; BaZ, 26.11.88.
[7] Amtl. Bull. NR, 1988, S. 262 und 1501 ff.; Amtl. Bull. StR, 1988, S. 330 ff.; Verhandl. B.vers., 1988, II, S. 42, 73 und 102; SoZ, 12.6.88; Presse vom 30.6.88; BZ, 24.12.88 ; BUS-Bulletin, 1989, Nr. 1, S. 1; zum BUS vgl. AT, 28.6.88. Siehe auch oben, Teil I, 1c (Verwaltung) und 4c (Forstwirtschaft).