Année politique Suisse 1988 : Infrastructure, aménagement, environnement / Protection de l'environnement
 
Umweltschutzgesetzgebung
Zur Konkretisierung und Ergänzung des Umweltschutzgesetzes (USG) wurden die Arbeiten an weiteren Ausführungserlassen betreffend Lärm, Abfall, umweltgefährdende Stoffe und Katastrophenschutz fortgeführt und die Vernehmlassungen vorbereitet. Eine Motion von Nationalrätin Spoerry (fdp, ZH) über die Erfolgskontrolle in der Umweltschutzgesetzgebung wurde auch vom Ständerat überwiesen [14].
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Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung
Der Bundesrat setzte die Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) auf den 1. Januar 1989 in Kraft. Sie konkretisiert Artikel 9 des USG, mit dem die UVP als wichtiges Instrument der Umweltvorsorge 1985 eingeführt worden war. Die Verordnung regelt nun im Detail das UVP-Verfahren und verlangt dabei einen Bericht über die zu erwartenden Auswirkungen einer geplanten Anlage auf die Umwelt. Im Anhang führt sie die prüfungspflichtigen Anlagetypen verbindlich auf und setzt Schwellenwerte, ab denen die Prüfungspflicht beginnt. Von der UVP versprechen sich die Behörden eine vorbeugende Umweltschutzwirkung, weil bereits bei der Planung eines Grossprojekts die Folgewirkungen für die Umwelt umfassend abgeklärt und Schutzmassnahmen berücksichtigt werden müssen, wodurch sich irreversible Schäden und das Risiko planerischer Fehlinvestitionen vermindern lassen.
Gegenüber dem Vernehmlassungsentwurf enthält die UVP-Verordnung mehr kantonale Kompetenzen und verbessert das Verhältnis zwischen UVP und Raumplanung. Neu eingeführt wurde eine Voruntersuchung, mit der festgestellt werden soll, welche Umweltauswirkungen wichtig und damit vertieft zu untersuchen sind. Kann bei einem überschaubaren Vorhaben bereits aufgrund der Voruntersuchung die Vereinbarkeit mit den geltenden Umweltschutzvorschriften nachgewiesen werden, erübrigt sich die aufwendigere Hauptuntersuchung. Der Bericht und der Entscheid der zuständigen Behörde sind öffentlich zugänglich zu machen, dagegen können die Begründung, und die Stellungnahmen der beteiligten Amter – anders als im Entwurf noch vorgesehen – nur noch im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens eingesehen werden. Zahlreiche Anderungen gegenüber dem Entwurf erfuhr die Liste der UVP-pflichtigen Anlagen, die nicht zuletzt auf Druck der Wirtschaftsverbände von ursprünglich 86 auf 71 Anlagetypen zusammenschrumpfte. Gestrichen wurden beispielsweise Konserven- und Reinigungsmittelfabriken, Verzinkereien, Solarenergieanlagen oder Bergrestaurants, neu aufgenommen dagegen Beschneiungsanlagen und Vergnügungsparks [15].
Die Umweltorganisationen zeigten sich enttäuscht über die UVP-Verordnung, welche die gehegten Erwartungen nach einem wirkungsvollen und unbürokratischen Instrument zum Schutz der Umwelt nicht zu erfüllen vermöge. Sie kritisierten, dass gegenüber dem Vorentwurf einige substantielle Abstriche vorgenommen worden seien. So erschwere die Nichtveröffentlichung der Stellungnahmen von Umweltschutzfachstellen die Einflussnahme der Öffentlichkeit auf geplante Projekte und zwinge die Umweltorganisationen, Einsprachen vorbeugend einzureichen, um Akteneinsicht zu bekommen. Mit der allzu starren Auflistung der Typen und der Grösse von Anlagen, welche einer UVP unterliegen, verhindere die Verordnung zudem, Rücksicht auf besondere Umstände zu nehmen [16].
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Ergänzung der Stoffverordnung
Auf den 1. Juli trat ein zusätzlicher Anhang zur Stoffverordnung (StoV) mit Vorschriften über die sogenannten Antifoulings (Unterwasseranstriche) in Kraft. Damit wurden Schutzanstriche für Schiffe, Stege und Bojen gegen Unterwasserbewuchs bewilligungspflichtig und teilweise verboten. Da in den letzten Jahren organo-zinnhaltige Antifoulings mehr und mehr die ökologisch verträglicheren Kupferbronzefarben verdrängt und zu einer starken Belastung der Seen geführt haben, dürfen solche Wirkstoffe künftig in Antifoulings nicht mehr enthalten sein [17].
Weitere Anhänge zur StoV betreffend Asbest sowie Druckgaspackungen wurden vorbereitet. Nachdem in der Vernehmlassung zum Anhang Asbest vor allem die wirtschaftsfreundliche Regelung kritisiert worden war, wonach die krebserregenden Asbestfasern erst beim Vorliegen von geeigneten Ersatzstoffen verboten worden wären, ist nun vorgesehen, für die Substitution asbesthaltiger Produkte Fristen festzulegen und Asbest ab 1995 in der Schweiz nicht mehr zuzulassen. Dieser Kompromiss wurde vorbereitet durch eine Vereinbarung von Industrie, Gewerkschaften und Behörden, bis Ende 1994 auf Asbest freiwillig zu verzichten. Die Sanierung von Bauten mit asbesthaltigen Spritzbelägen soll ebenfalls bis Mitte der 90er Jahre abgeschlossen sein. Nach einer amtlichen Zwischenbilanz wurden bisher in rund einem Viertel der betroffenen Gebäude die gesundheitsschädlichen Beläge entfernt oder abgedeckt [18].
Der Vorschlag eines Verbots von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FKW oder FCKW) in Spraydosen ab 1991 wurde in der Vernehmlassung positiv aufgenommen. Ein Anhang zur StoV über FKW-haltige Druckgaspackungen, der nur noch wenige Ausnahmen vorsieht (z.B. Pharma-Produkte, für die ein FKW-freier Ersatz fehlt), soll 1989 in Kraft gesetzt werden. Dabei erleichterte der freiwillige Beschluss der Aerosolindustrie, bis Ende 1990 auf FKW weitgehend zu verzichten, das Vorgehen wesentlich. In den anderen Anwendungsgebieten der FKW (Kältetechnik, Schaumstoffe, Lösungsmittel) und im Brandschutz, wo Halone eingesetzt werden, wurden die Abklärungen im Hinblick auf eine Reduktion fortgesetzt. Zum Schutz der stratosphärischen Ozonschicht ist ein möglichst rascher Verzicht auf FKW unerlässlich. Der WWF verlangte deshalb ein totales FKW-Verbot bis 1995 und forderte den Bundesrat auf, sich auf internationaler Ebene für weitergehende Massnahmen, als sie im FKW-Protokoll von Montreal vorgesehen sind, einzusetzen [19]. Der Nationalrat überwies eine Motion der LdU/EVP-Fraktion in Postulatform, welche ein prinzipielles Verbot der chlorierten Kohlenwasserstoffe fordert, da auch die Fälle von Grundwasservergiftungen durch diese Stoffe weiter zunehmen. Der Bundesrat sprach sich für eine rasche Lösung des Problems aus, doch anstelle eines Verbots sieht er die Einführung von Lenkungsabgaben vor, um den Verbrauch von Lösungsmitteln generell zu verringern [20].
 
[14] Verordnungen: Gesch.ber. 1988, S. 123 ff.; siehe auch unten sowie unter den entsprechenden Stichwörtern. Motion Spoerry: Amtl. Bull. StR, 1988, S. 98; vgl. SPJ 1987, S. 166, Anm. 10. Zur kantonalen Umweltschutzgesetzgebung siehe unten, Teil Il, 4f.
[15] AS, 1988, S. 1931 ff.; Presse vom 20.10.88; siehe auch SZ, 7.9.88; BUS-Bulletin, 1988, Nr. 4, S. 1 ff.; SHIV (Vorort), Jahresbericht, 118/1987-88, S. 109; SPJ 1986, S. 141 (Vernehmlassungsentwurf) und 1987, S. 167. Zu ersten Erfahrungen mit der UVP siehe BUS-Bulletin, 1988, Nr. I, S. 4 ff.; NZZ, 18.3. und 31.5.88; BZ, 26.4.88; Bund, 15.8., 16.8., 19.8., 22.8. und 23.8.88.
[16] SGT und TA, 20.10.88; BZ, 24.10.88; SGU-Bulletin, 1988, Nr. 4, S. 19.
[17] AS, 1988, S. 911 ff.; BUS-Bulletin, 1988, Nr. 3, S. 34 ff.; Bund und NZZ, 13.5.88. Zur StoV siehe SPJ 1986, S. 141 und 1987, S. 167.
[18] Anhang Asbest: BZ, 14.11.88; NZZ, 10.12.88; vgl. SPJ 1987, S. 171. Vereinbarung: 24 Heures, 9.10.88; SGT, 11.10.88. Spritzasbestsanierung: Presse vom 19.7.88; vgl. SPJ 1985, S. 127 und 1986, S. 142, Anm. 11.
[19] Gesch.ber. 1988, S. 138; Presse vom 9.7.88; Vat. und 24 Heures, 6.12.88 (WWF); vgl. Amtl. Bull. NR, 1988, S. 421 f., 487, 740 f. und 1943 f. sowie SPJ 1987, S. 167. Zum Protokoll von Montreal siehe unten, Internat. Luftreinhaltepolitik.
[20] Amtl. Bull. NR, 1988, S. 883 f.