Année politique Suisse 1988 : Infrastructure, aménagement, environnement / Protection de l'environnement / Luftreinhaltung
Da heute gut 70% der Stickoxidemissionen in der Schweiz vom
Strassenverkehr stammen, ist zur Verwirklichung des Luftreinhaltekonzepts eine weitere Begrenzung des Schadstoffausstosses von Motorfahrzeugen vordringlich. Nachdem seit 1987 das Katalysator-Obligatorium für neue Personenwagen gilt, will der Bundesrat die Abgasemissionen der übrigen Fahrzeugkategorien ebenfalls drastisch reduzieren. Im Februar wurden die Abgasvorschriften für Motorräder (FAV 3) weiter verschärft. Die neuen Normen gelten für alle nach dem 1. Oktober 1990 hergestellten oder importierten Motorräder. Das Ziel, anfangs der 90er Jahre auch bei dieser Fahrzeugkategorie einen etwa gleichwertigen Abgasentgiftungsgrad zu erreichen wie bei den Personenwagen, kann mit dieser Massnahme allerdings nicht erreicht werden. Der Bundesrat kündigte daher bereits eine nochmalige Verschärfung der FAV 3 an
[29].
Von der Sache und der Zielsetzung her ebenfalls unbestritten war die vorgesehene weitere Verschärfung der Abgasvorschriften für schwere Motorwagen (FAV 2). Dagegen dauerte die Kontroverse über die Frage der Messmethode an. Zur Auswahl standen das europäische
Testverfahren (ECE R 49) und der aufwendigere, aber besser erprobte amerikanische Transient-Test, der einen möglichst realistischen Fahrzyklus zugrunde legt und auch den Ausstoss von Partikeln einbezieht. In der Vernehmlassung hatten die Umweltorganisationen, der VCS und die Vereinigung der kantonalen Strassenverkehrsämter (VSA) die Ubernahme der amerikanischen Testverfahren verlangt, da nur so die Einhaltung der strengen Abgasqualitätsziele geprüft werden könne. Demgegenüber machten sich die Automobilverbände, das Transportgewerbe und der Vorort für die europäischen Normen stark und verlangten, dass der Zeitpunkt der Inkraftsetzung nicht im Schweizer Alleingang, sondern in einem europaweiten Konzept im Rahmen der EG/EFTA-Gespräche fixiert werde
[30].
Im Mai fällte der Bundesrat einen
Grundsatzentscheid zugunsten des europäischen Messverfahrens, ergänzt um Partikelvorschriften. Mit einem Jahr Rückstand auf den ursprünglichen Fahrplan sollen die strengeren Abgaswerte für Dieselfahrzeuge auf den 1. Oktober 1991 in Kraft treten und gleichzeitig erstmals auch die Partikelemissionen begrenzt werden. Von ihrem Entscheid verspricht sich die Regierung zudem eine Signalwirkung auf die Abgasprogramme der EG. Während die Begrenzung der Emissionen nach US-Vorbild allgemein begrüsst wurde, kritisierten vor allem die Umweltorganisationen den Kompromiss in der Frage des Messverfahrens. In seiner Antwort auf ein vom Nationalrat überwiesenes Postulat Wiederkehr (ldu, ZH), das verlangte, bei den Grenzwerten und Prüfverfahren für Abgase und Partikel den fortschrittlichsten Stand der Technik zugrunde zu legen, verteidigte der Bundesrat seinen Entscheid. Die gestellten Anforderungen seien die strengsten in Europa, und das amerikanische Messverfahren würde keine zusätzliche Verminderung der Emissionen bewirken, sondern vielmehr die Einführung wirksamer Abgasvorschriften verzögern
[31].
[29] AS, 1988, S. 636 f.; NZZ und Suisse, 25.2.88. Siehe auch SPJ 1986, S. 143 und 1987, S. 170.
[30] Presse vom 15.1. und 14.4.88; BaZ, 26.1. und 12.2.88; Ww, 11.2.88; NZZ, 15.2., 25.2. und 2.5.88; TA, 16.3. und 11.4.88.
[31] Entscheid und Reaktionen: Presse vom 5.5.88; Ww, 12.5.88. Postulat: Amtl. Bull. NR, 1988, S. 906; vgl. Presse vom 26.4.88. Zu weiteren umweltpolitischen Massnahmen und Forderungen im Bereich Verkehr siehe oben, Teil I, 6b (Generelle Verkehrspolitik und Strassenverkehr).
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