Année politique Suisse 1988 : Infrastructure, aménagement, environnement / Protection de l'environnement / Gewässerschutz
print
Revision des Gewässerschutzgesetzes
In Übereinstimmung mit dem Bundesrat empfahl der Ständerat als erste Kammer die Volksinitiative "zur Rettung unserer Gewässer" Volk und Ständen zur Ablehnung. Befürwortet wurde sie einzig von den SP-Abgeordneten. Das Begehren verlangt einen umfassenden Schutz der natürlichen und naturnahen Gewässer samt ihrem Uferbereich und insbesondere eine für Tiere und Pflanzen ausreichende Wasserführung bei Wasserkraftnutzungen. Beide Räte verlängerten die Frist zur Behandlung der Initiative um ein Jahr, damit vorgängig die Revision des Gewässerschutzgesetzes beraten und der Initiative als indirekter Gegenvorschlag gegenübergestellt werden kann. Im Nationalrat wurde dies als Verzögerungs- und Verschleppungstaktik bei der Regelung angemessener Restwassermengen gerügt [34].
Die Revision des Gewässerschutzgesetzes (GSchG) wurde von der Ständekammer als Erstrat mit 20 zu 3 Stimmen bei etlichen Enthaltungen verabschiedet. Umstritten war vor allem das Kernstück der Revision, die Regelung der Restwasserfrage. Dabei prallten die Interessen des Landschafts- und Gewässerschutzes auf der einen Seite sowie die Nutzungsinteressen der Berggebiete und der Elektrizitätswirtschaft auf der andern Seite hart aufeinander. Ein Antrag der Vertreter der Bergkantone, die Mindestvorschriften des Bundes fallenzulassen und die Regelung der mengenmässigen Nutzungsbeschränkung an die Kantone zu delegieren, scheiterte, und der Ständerat stimmte schliesslich dem bundesrätlichen Konzept zu. Danach legt der Bund im zweistufig angelegten Verfahren nur Mindestwassermengen als Existenzminimum für Fauna und Flora fest, während die Kantone zur Sicherung angemessener Restwassermengen diese Quoten nach Möglichkeit erhöhen und die verschiedenen Schutzinteressen im Einzelfall berücksichtigen. Allerdings gelang es den Vertretern der Bergkantone und der Elektrizitätswirtschaft, die Restwasser-Mindestvorschriften mit einer grosszügigen Regelung der Ausnahmen beträchtlich abzuschwächen und sie auf blosse Richtlinien zu reduzieren. Zwei Modelle für Ausgleichszahlungen beim freiwilligen Verzicht eines Gemeinwesens auf die Nutzung der Wasserkraft im Interesse des Umweltschutzes (Landschaftsrappen) stiessen in allen politischen Lagern grundsätzlich auf Verständnis und Sympathie. Die Ständekammer lehnte es jedoch ab, diese Frage bereits im Rahmen der GSchG-Revision zu regeln.
Betreffend den qualitativen Gewässerschutz folgte der Ständerat bei der Beratung über die GSchG-Revision weitgehend den Vorschlägen des Bundesrates und stimmte insbesondere den Vorschriften zur Verhinderung der Gewässerverschmutzung durch die Landwirtschaft zu. Kaum bestritten war die Regelung, dass künftig nur noch drei Düngergrossvieheinheiten (DGVE) pro Hektare landwirtschaftlicher Nutzfläche gehalten werden dürfen. Aus energie- und umweltschutzpolitischen Überlegungen lehnte der Rat die technische Aufbereitung der Jauche zu Handelsdünger ab, die vor allem von den Schweinehaltern als Alternative zur Reduktion des Tierbestandes verlangt worden war. Ferner wurden Landwirtschaftsbetriebe unter bestimmten Bedingungen von der ARA-Anschlusspflicht befreit [35].
 
[34] Amtl. Bull. StR, 1988, S. 620 ff.; Amtl. Bull. NR, 1988, S. 1526 f.; Presse vom 4.10.88. Siehe auch SPJ 1983, S. 129 (Lancierung), 1984; S. 123 (Einreichung) und 1987, S. 172 (BR). Zu den Auswirkungen von zu wenig Restwasser auf die Pflanzenwelt siehe BZ, 11.6.88 und Schweizer Naturschutz, 1988, Nr. 4, S. 9 ff. Zur gescheiterten Übergangsregelung der Restwasserfrage siehe SPJ 1987, S. 137 f. und 173.
[35] Amtl. Bull. StR, 1988, S. 620 ff.; Bund, 22.1.88; NZZ, 29.7., 23.8. und 24.9.88; Presse vom 3.-5.10.88. Siehe auch SPJ 1985, S. 129, 1986, S. 115 und 143 f. sowie 1987, S. 137 f., 172 f. (Botschaft) und 177•f. Zum "Landschaftsrappen" siehe auch unten, Landschaftsschutz. Zum Problem Viehzucht und Gewässerschutz siehe oben, Teil I, 4c (Tierische Produktion).