Année politique Suisse 1988 : Infrastructure, aménagement, environnement / Protection de l'environnement / Natur- und Heimatschutz
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Landschaftsschutz
Die Idee, dass der Verzicht auf die wirtschaftliche Nutzung oder gar Übernutzung schützenswerter Landschaften nicht nur durch staatliche Verbote, sondern auch durch Vereinbarungen und finanzielle Anreize gefördert werden sollte, gewinnt immer mehr Anhänger. Im Hinblick auf die Revision des Gewässerschutzgesetzes (GSchG) regte Ständerat Rhinow (BL) an, die gesetzliche Grundlage für Ausgleichsbeiträge des Bundes zur Erhaltung schützenswerter Landschaften von nationaler oder überregionaler Bedeutung ins GSchG einzubauen. In einem offenen Brief an den Ständerat verlangten auch die Umweltorganisationen die Einführung eines Landschaftsrappens. Nach ihrem Vorschlag soll mit einer Solidaritätsabgabe von höchstens einem Rappen pro Kilowattstunde auf Hydroelektrizität ein eidgenössischer Fonds gespiesen werden, aus dem Gemeinden entschädigt werden, die aufeinen weiteren Ausbau der Wasserkraftnutzung verzichten. Im Ständerat wurde ein Landschaftsrappen grundsätzlich begrüsst. .Weil sich der Rat aber noch nicht im klaren war über den Geltungsbereich und die Auswirkungen einer solchen Bestimmung, zog er es vor, einen von Bundesrat Cotti in Aussicht gestellten umfassenden Bericht zu dieser Frage abzuwarten [54].
Mit dem Inkrafttreten der neuen Bestimmungen über den Biotopschutz haben die Arbeiten an den Inventaren der gefährdeten Lebensräume für Pflanzen und Tiere (Moore, Auen, Feuchtgebiete und Trockenstandorte) verstärkte Priorität erhalten. Die Inventare werden für die Grundeigentümer verbindlich sein — im Unterschied zu den Objekten des aufeinen anderen NHG-Artikel abgestützten "Bundesinventars der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung" (BLN), das keinen direkten rechtlichen Schutz bewirkt, sondern lediglich als Instrument der Richtplanung auf Bundesebene dient. Das BLN ersetzt und ergänzt stufenweise das Inventar der privaten "Kommission zur Inventarisierung der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung" (KLN), das im Frühling nach 30jähriger Arbeit abgeschlossen wurde. Den Grundstein für dieses Werk hatten der Schweizerische Bund für Naturschutz (SBN), der Schweizer Heimatschutz (SHS) und der Schweizer Alpenclub (SAC) angesichts der Bedrohung zahlreicher Landschaften durch Kraftwerkprojekte in den 50er Jahren gelegt, als es noch keinen Verfassungsartikel über Natur- und Heimatschutz oder eine speziell zuständige Bundesstelle gab [55].
Eines der ältesten internationalen Abkommen im Naturschutzbereich, das aus dem Jahr 1971 stammende Übereinkommen von Ramsar zum Schutz von Feuchtgebieten als Lebensraum für Wasser- und Watvögel, soll durch strukturelle Anpassungen grössere Durchschlagkraft erhalten. Beide Räte ermächtigten den Bundesrat zur Ratifikation der Anderung. Das Ramsar-Abkommen war von der Schweiz 1974 unterzeichnet und 1976 ratifiziert worden, doch fehlte dem Bund bisher die Möglichkeit, die eingegangenen Schutzverpflichtungen zu realisieren, weil die Kompetenz dazu bei den Kantonen lag. Gestützt auf die Biotopschutzbestimmungen des revidierten NHG sowie auf das neue, seit dem 1. April geltende Jagdschutzgesetz (JSG), das unter anderem die Ausscheidung von Zugvogelreservaten von internationaler Bedeutung vorsieht, kann der Bund nun die Schutzgebiete nach Anhörung der Kantone im Sinne des Ramsar-Abkommens festlegen [56].
 
[54] Interpellation Rhinow: Amtl. Bull. StR, 1988, S. 757 ff.; BüZ, 11.4.88; BaZ, 30.11.88. Zur Frage der Entschädigung für das nicht gebaute Greina-Kraftwerk siehe Amtl. Bull. StR, 1988, S. 775 f.; BZ und NZZ, 8.10.88. Offener Brief: TA, 1.10.88; NZZ, 3.10.88. Zur GSchG-Revision siehe oben, Gewässerschutz. Siehe auch SPJ 1987, S. 177 f. (Vorstösse im NR für einen Landschaftsrappen) sowie oben, Teil I, 6a (Energie hydro-électrique).
[55] Gesch.ber. 1988, S. 98; SGT, 19.7.88; NZZ, 21.9.88; Schweizer Naturschutz, 1988, Nr. 5, S. 20 f.
[56] BBl, 1988, II, S. 1 ff. ; Amtl. Bull. StR, 1988, S. 291 ff. und 942; Amtl. Bull. NR, 1988, S. 1703 f. und 1977; BBl, 1988, III, S. 1493; NZZ, 18.2., 28.5., 17.6. und 7.12.88. Neues JSG: AS, 1988, S. 506 ff.; vgl. SPJ 1986, S. 101.