Année politique Suisse 1989 : Partis, associations et groupes d'interêt / Partis
 
Sozialdemokratische Partei (SP)
Als zentrales Ereignis für die SP galt im Berichtsjahr der ausserordentliche Parteitag vom 3. Juni, an welchem die Parole für die GSoA-Initiative beschlossen werden sollte. Der Vorstand gab bereits im Januar seine Empfehlung zuhanden des Parteitags bekannt. In einer Eventualabstimmung hatte sich eine Patt-Situation von 28 Stimmen für ein Ja und 28 Stimmen für ein Nein ergeben, in welcher der Parteipräsident Hubacher den Stichentscheid zu einer Nein-Parole fällte. Angesichts dieses knappen Ergebnisses entschied sich der Vorstand für den Vorschlag der Stimmfreigabe. Dahinter steckte auch die Absicht, zu vermeiden, dass innerhalb der Partei während neun Monaten leidenschaftliche Diskussionen für und wider die Armeeabschaffung und die Parteiparole geführt würden, die unter Umständen zu einer Spaltung der SP führen könnten. Um nicht den Eindruck aufkommen zu lassen, die SP habe zur Landesverteidigung keine eigene Meinung, legte der Vorstand ein Diskussionspapier mit Forderungen für eine Armeereform vor [13].
Unverzüglich nach diesem Vorstandsbeschluss setzte die Kritik von seiten der bürgerlichen Parteien und dabei insbesondere von der SVP ein. Der Vorwurf lautete, die Regierungsbeteiligung werde damit aufs Spiel gesetzt, da das Bekenntnis der SP zu Armee und Landesverteidigung praktisch Bedingung für die Aufnahme in den Bundesrat gewesen sei. Die Armee als Garant der äusseren Sicherheit sei ein zu wichtiges Element der schweizerischen Staatsordnung, als dass es sich eine Regierungspartei erlauben könne, nicht zu ihr zu stehen. Die FDP und die CVP reagierten etwas zurückhaltender. Aber auch sie betonten, dass im Falle einer Ja-Parole der SP für die GSoA-Initiative, ein Verbleiben dieser Partei in der Regierung kaum sinnvoll wäre [14]. Für die Parteileitung der SP stellte sich die Frage eines Austritts aus dem Bundesrat nicht, und auch die Basis zeigte keine Lust, die grundsätzliche Diskussion über die Regierungsbeteiligung aus dem Jahre 1984 nochmals aufzurollen. Die SP vermied es deshalb, Öl ins Feuer zu giessen. Bei der kurz nach dem Vorstandsbeschluss stattfindenden Ersatzwahl für Bundesrätin Kopp unterstützte sie den Kandidaten des Freisinns und nicht die vom Landesring und den Grünen vorgeschlagene Monika Weber (ldu, ZH), mit deren Kandidatur die Zauberformel gesprengt werden sollte [15].
Die Meinungsbildung in den SP-Sektionen verlief zwar animiert, zu der von der Parteileitung befürchteten Zerreissprobe entwickelte sie sich aber nicht. Am Parteitag vom 3. Juni stimmten die Delegierten nach einer fünfstündigen Diskussion in einer Eventualabstimmung mit 641 gegen 259 Stimmen für die Unterstützung der Initiative; diesem Ja wurde dann der Antrag auf Stimmfreigabe gegenübergestellt, auf den 583 Stimmen entfielen; 370 Delegierte waren gegen Stimmfreigabe. Nur gerade drei Kantonalparteien (Genf, Jura und .Nidwalden) und die Jungsozialisten, welche aktiv am Zustandekommen der Initiative beteiligt gewesen waren, konnten sich diesem Entscheid nicht anschliessen und empfahlen ein Ja. Die Vox-Analyse nach der Volksabstimmung zeigte, dass eine knappe Zweidrittelsmehrheit der SP-Sympathisanten für die Abschaffung der Armee gestimmt hatte [16].
Bei den anderen Volksabstimmungen war der Positionsbezug der SP einfacher und eindeutiger. Sowohl die Ja-Parole zur Kleinbauerninitiative wie auch das Nein zu Tempo 100/130 wurden im Parteivorstand einstimmig gefasst. In Fragen der Umweltschutz- und Verkehrspolitik scheint in der SP ein Konsens erreicht worden zu sein, der bei den drei anderen Regierungsparteien noch weitgehend fehlt. So gab der Beschluss zur Unterstützung der Alpeninitiative, welche sich gegen den Strassentransit durch die Alpen richtet, zu keinen Kontroversen Anlass [17]. Längerfristig möchte die SP das schweizerische Steuersystem zu einem Instrument des Umweltschutzes ausgestalten: Rohstoffe und Energie sollten stärker, Arbeit und Kapital hingegen schwächer belastet werden [18].
Bei den kantonalen und kommunalen Wahlen konnte die SP im Berichtsjahr einige Erfolge erzielen. Im Kanton Aargau erlitt sie aber mit sieben Sitzverlusten eine herbe Niederlage. Eine zu einseitig gewerkschaftlich ausgerichtete Politik und zu wenig Risikofreude in der Allianzbildung mit neuen sozialen Bewegungen wurden als Gründe für diesen Misserfolg angeführt. In allen anderen Kantonen gewann sie Sitze hinzu: einen in Solothurn, zwei im Wallis und je drei in Genf und Neuenburg. Auch bei den städtischen Wahlen in Lausanne gewannen die Sozialdemokraten zwei Parlamentsmandate hinzu und eroberte zudem mit Yvette Jaggi auch das Amt der Stadtpräsidentin [19].
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Demokratisch-Soziale Partei (DSP)
Die unter dem Namen Demokratisch-Soziale Partei (DSP) auftretenden Abspaltungen am rechten Flügel der SP fanden bei den Wählern und Wählerinnen wenig Anklang. Der in Lausanne im Frühjahr gegründete "Parti socialiste démocrate lausannois", dem auch fünf bisherige SP-Stadtparlamentarier angehörten, erreichte im Herbst bei den Kommunalwahlen das vorgeschriebene Quorum von 5% nicht und ging leer aus. Die 1987 gegründete DSP des Kantons Graubünden, zu welcher damals 6 der 10 auf SP-Listen gewählten Grossräte übergetreten waren, konnte ihren Besitzstand bei den kantonalen Wahlen nicht halten: sie verlor 2 Sitze an die SP [20].
Am 3. Mai wurde die Demokratisch-soziale Partei des Kantons Freiburg gegründet; nach eigenen Angaben zählte sie zu diesem . Zeitpunkt rund 200 Mitglieder. Massgeblich an dieser Parteigründung beteiligt war der im November 1988 aus der SP ausgetretene Staatsrat Morel [21]. In der Stadt Zürich versuchte der aus der SP ausgetretene ehemalige Stadtrat Max Bryner erfolglos eine DSP zu initiieren. Weder die von der SP nicht mehr unterstützten Exekutivmitglieder Lieberherr und Kaufmann, noch die auf dem rechten Parteiflügel stehende "Sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft Zürich" zeigten Interesse an einer Parteineugründung [22].
Ein erster Schritt zu einer gesamtschweizerischen Demokratisch-sozialen Partei (DSP) wurde am 3. Juni in Basel mit der Gründung einer Arbeitsgemeinschaft der DSP unternommen. Neben Vertretern der drei bestehenden Kantonalparteien (BS, FR und GR) nahmen auch Delegationen von lokalen Parteisektionen sowie Einzelpersonen daran teil. Eine nationale Partei möchte man wenn möglich vor den nächsten Nationalratswahlen gründen [23].
 
[13] NZZ 30.1. und 8.2.89; Vr, 30.1.89; Presse vom 24.2.84. Siehe auch die Beiträge zur Armeefrage in Profil/Rote Revue, 68/1989, Nr. 3 und 4.
[14] NZZ, 31.1.89; TA, 4.2.89; BaZ, 7.2.89. Zur Regierungsbeteiligung der SP siehe auch das Gespräch in Bilanz, 1989, Nr. 11, S. 231 ff.
[15] Siehe dazu oben, Teil I, 1c (Regierung). Vgl. auch H. Hubacher, "Belehrungen brauchen wir nicht", in Profil/Rote Revue, 68/1989, Nr. 6, S. 1 und das Interview mit D. Robbiani in BaZ, 30.3.89.
[16] Presse vom 5.6.89; Vox, Analyse der eidgenössischen Abstimmung vom 26. November 1989, Bern 1990.
[17] TA, 10.4.89; NZZ, 18.1. und 28.8.89.
[18] Bund, 15.9.89. Siehe dazu R. Zimmermann, "Wer stinkt soll zahlen", in Profil/Rote Revue, 68/1989, Nr. 9/10, S. 15 ff.
[19] Siehe oben, Teil I, 1e. Vgl. auch TW, 27.5.89 sowie A. Schmid, "Auf der Suche nach einem neuen Weg", in Profil/Rote Revue, 68/1989, Nr. 9/10, S. 12 ff. (zur Aargauer SP).
[20] 24 Heures, 24.4. und 13.5.89 (Gründung Lausanne). Zur DSP in der Welschschweiz siehe auch BZ, 25.2.89; JdG und Lib., 19.3.89. Zur DSP Graubünden siehe SPJ 1987, S. 302. Zu den Wahlen in Lausanne und Graubünden siehe oben, Teil I, 1e.
[21] Lib., 3.2., 21.2., 29.4 und 5.5.89; Bund, 8.3.89. Siehe auch SPJ 1988, S. 320 f.
[22] Vr, 7.6.89; TA, 8.6., 20.6. und 16.12.89.
[23] NZZ, TA und JdG, 5.6.89; WoZ, 9.6.89; siehe auch SPJ 1988, S. 320 f.