Année politique Suisse 1989 : Eléments du système politique / Droits, ordre public et juridique
 
Stimm- und Bürgerrecht
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Stimm- und Wahlrecht
Nachdem 1972, 1976, 1979 und 1984 entsprechende Anläufe gescheitert waren, stimmte am 30. April die Landsgemeinde von Appenzell-Ausserrhoden der Einführung des kantonalen Stimm- und Wahlrechts für Frauen mit knapper Mehrheit zu [4]. Dieser Beschluss bewog die Regierung von Appenzell-Innerrhoden, die Beseitigung der politischen Diskriminierung der Frauen auch in dieser letzten Bastion des Männerstimmrechts vorzuschlagen. Der Grosse Rat stimmte dem Vorschlag ohne Gegenstimmen zu, der endgültige Entscheid über die Einführung des Frauenstimmrechts in Appenzell-Innerrhoden wird allerdings an der Landsgemeinde vom Frühjahr 1990 zu fällen sein [5].
Die Befürworter der Senkung des Stimmrechtsalters auf 18 Jahre konnten im Berichtsjahr mehrheitlich Erfolge verzeichnen. In Bern und Uri stimmte der Souverän einer Senkung auf kantonaler Ebene zu, und in Graubünden hiess das Volk die fakultative Einführung auf Gemeindeebene gut. Für die gemeindeweise Einführung sprachen sich auch die Kantonsparlamente Solothurns und des Aargaus aus; die St. Galler Stimmberechtigten lehnten hingegen diese von keiner Partei bekämpfte Neuerung ab [6]. Auf nationaler Ebene setzten sich gleich fünf Nationalräte mit parlamentarischen Initiativen für das Stimmrechtsalter 18 ein. Die zuständige vorberatende Kommission sprach sich mit 15:0 Stimmen dafür aus und machte sich an die sofortige Ausarbeitung eines Beschlussentwurfes zuhanden des Parlaments. Dank diesem beschleunigten. Verfahren soll das Volk im Sinne eines "Geschenks an die Jugend" im Jahr der Zentenarfeier darüber abstimmen können [7].
Die vor allem von italienischen Immigrantenorganisationen vorgebrachte Forderung nach der Einführung des Wahl- und Stimmrechts für Ausländer konnte sich noch nicht durchsetzen. In diversen Gemeinden des Kantons Zürich blieben entsprechende Petitionen erfolglos. Immerhin überwies der Berner Grosse Rat ein von der Linken, den Grünen und einem Teil des Freisinns unterstütztes Postulat, das die Schaffung der rechtlichen Voraussetzungen für eine fakultative Einführung auf Gemeindeebene verlangt [8].
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Bürgerrecht
Als Zweitrat befasste sich die Volkskammer mit der zweiten Etappe der Bürgerrechtsrevision, bei der es um die Bestimmungen über die Einbürgerung und dabei namentlich um die Aufhebung der bisherigen automatischen Bürgerrechtsverleihung an ausländische Ehefrauen von Schweizern geht. Da der Nationalrat in einigen untergeordneten Bestimmungen anders entschied als der Ständerat, konnten die Beratungen noch nicht abgeschlossen werden. In der Debatte lehnte das Parlament sämtliche Verschärfungsanträge der Nationalen Aktion deutlich ab. Aber auch die Linke und die Grünen blieben mit ihren Bestrebungen um eine liberalere Ausgestaltung des Gesetzes in der Minderheit. So fand auch ihr Antrag auf Streichung der Bestimmung, wonach eine im ordentlichen Verfahren eingebürgerte Person auf ihr bisheriges Bürgerrecht verzichten soll, keine Zustimmung [9].
Gerade diese Bestimmung ist aber gemäss neuesten Studien — neben den hohen Kosten und dem komplizierten Verfahren — ein wichtiger Grund, weshalb viele in der Schweiz aufgewachsene Kinder aus Gastarbeiterfamilien von einer Einbürgerung absehen. Diese Zurückhaltung ist in den letzten Jahren durch die gesteigerte Attraktivität der EG-Pässe noch verstärkt worden und drückte sich in einem Rückgang der Einbürgerungszahlen aus. Die Frage des Doppelbürgerrechts wird den Nationalrat aber weiterhin beschäftigen: Kurz nach der Debatte reichte der Bündner Portmann (cvp) eine Motion ein, welche eine Streichung dieser Bestimmung und zudem ein erleichtertes Einbürgerungsverfahren für in der Schweiz aufgewachsene ausländische Staatsangehörige verlangt [10].
Auch die durch die Bürgerrechtsrevision bedingte Neuregelung der Bestimmungen des Bundesgesetzes über Aufenthalt und Niederlassung von Ausländern löste im Nationalrat eine lebhafte Diskussion aus. Die von Bundesrat und Ständerat vorgeschlagene Frist von fünf Jahren Ehe für den Anspruch auf die Niederlassungsbewilligung für den ausländischen Ehepartner kritisierten insbesondere Parlamentarierinnen als zu restriktiv und familienfeindlich. Ihr Antrag für einen sofortigen Anspruch auf eine Niederlassungsbewilligung verwarf die Ratsmehrheit jedoch, primär aus Angst vor missbräuchlichen Eheschliessungen zur Umgehung der Einwanderungsbestimmungen [11].
 
[4] TA, 14.2. und 17.4.89; Ww, 20.4.89; Vat., 25.4.89; Presse vom 1.5.89. Siehe auch SPJ 1988, S. 24.
[5] SGT, 23.10. und 28.11.89.
[6] Bern: Bund, 25.1., 10.5., 22.11. und 27.11.89. Uri: LNN, 1.3. und 6.3.89. Graubünden: NZZ, 27.2. und 6.3.89. Solothurn: SZ, 29.1 1.89. Aargau: AT, 16.6. und 25.10.89. St. Gallen: SGT, 21.2. und 5.6.89. Siehe auch unten, Teil II, 1b und SPJ 1988, S. 24 f.
[7] Verh. B.vers., 1989, V, S. 27 f.; NZZ, 15.11.89. Die Vorstösse stammen in der zeitlichen Folge ihrer Einreichung von Büttiker (fdp, SO), Brélaz (gp, VD), Segond (fdp, GE), Ziegler (sp, GE) und Ruf (na, BE). Der Kanton Jura deponierte in dieser Angelegenheit eine Standesinitiative (Verh. B.vers., 1989, V, S. 21).
[8] Zürich: TA, 20.3., 29.3. und 8.9.89. Bern: Bund, 14.9.89. Siehe auch WoZ, 28.4.89; TA, 29.9.89 und SPJ 1988, S. 25, sowie Lit.
[9] Amtl. Bull. NR, 1989, S. 1427 ff.; SPJ 1988, S. 25.
[10] Studien: TA, 17.11.89. Motion: Amtl. Bull. NR, 1989, S. 2233 f.
[11] Amtl. Bull. NR, 1989, S. 1427 ff. (v.a. 1456 ff.).