Année politique Suisse 1989 : Eléments du système politique / Droits, ordre public et juridique
 
Strafrecht
Die Diskussion um die Strafmasse war von zwei gegensätzlichen Tendenzen geprägt. Zum einen lancierte die schweizerische Sektion von Amnesty International eine Kampagne zur vollständigen Abschaffung der Todesstrafe, die in der Schweiz heute noch im Militärstrafrecht für Kriegszeiten vorgesehen ist. Diese Forderung wurde von den Nationalräten Pini (fdp, TI) und Rechsteiner (sp, SG) übernommen und in der Form einer parlamentarischen Initiative resp. einer Motion auf die Tagesordnung gesetzt [30]. Zum andern führten diverse Morde an Kindern durch rückfällig gewordene Triebtäter zur Forderung nach strengeren Strafen. Der Neuenburger Ständerat Béguin (fdp) verlangte mit einer Motion, dass bei lebenslänglich verurteilten Triebtätern eine vorzeitige Entlassung nur ausnahmsweise und unter genau definierten Voraussetzungen möglich sein soll [31].
Anfangs Jahr beschloss die vorberatende Kommission des Nationalrats, die Revision der Bestimmungen über strafbare Handlungen gegen Leib und Leben, gegen die Sittlichkeit und gegen die Familie in zwei Teile zu spalten. Dieses Vorgehen sollte es erlauben, rasch zu einem Verbot von gewaltverherrlichenden Darstellungen zu kommen und die wesentlich umstritteneren Fragen des Sexualstrafrechts später zu behandeln [32].
Unmittelbar vor den Verhandlungen im Nationalrat traten allerdings namhafte Kulturschaffende, Berufsorganisationen der Medienschaffenden und auch die eidgenössische Filmkommission mit ihren Bedenken gegen ein sogenanntes Brutaloverbot an die Öffentlichkeit. Ihrer Meinung nach könnten die neuen Bestimmungen bei restriktiver Auslegung der Gerichte zur Einrichtung einer Zensur in Fragen der Kunst und zur Behinderung der Berichterstattung über tatsächlich ausgeübte Gewalt führen [33]. In der Ratsdebatte wurden zum beantragten Verbot der Herstellung, Verbreitung und des Konsums von brutalen Darstellungen eine Reihe von Abänderungsanträgen vorgebracht. Einerseits wurde verlangt, das Verbot auf Jugendliche zu beschränken, zum andern wurden Präzisierungen des Straftatbestandes resp. eine Ausweitung der erlaubten Ausnahmen gefordert. Zwar herrschte Einigkeit, dass sich die neuen Bestimmungen gegen die Verherrlichung von Gewalt in Videofilmen richten sollten und nicht gegen die künstlerische Freiheit in Text und Bild. Trotzdem drang von den Abänderungsvorschlägen nur derjenige durch, der schriftliche Erzeugnisse explizit aus den neuen Vorschriften ausnimmt. Nachdem die Differenzbereinigung keine Probleme bot, und ein von politisch nicht organisierten Personen aus Genf angekündigtes Referendum nicht zustande kam, konnte das neue Gesetz auf den 1. Januar 1990 in Kraft gesetzt werden [34].
Die Nationalratskommission setzte ihre Beratungen des zweiten Teils der Vorlage, des Sexualstrafrechts, fort. In der Frage des Schutzalters schloss sie sich dem Entscheid des Ständerats für die Beibehaltung der heute geltenden 16 Jahre an. Im Gegensatz zum Ständerat sprach sie sich hingegen für eine Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe aus und entschied sich, den strafbaren Tatbestand der sexuellen Ausnützung von Abhängigen auch auf Arbeitsverhältnisse zu erweitern [35].
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Geldwäscherei
Ausgesprochen schnell kam die Gesetzgebung zur Bekämpfung der Geldwäscherei voran. Der Bundesrat veröffentlichte am 12. Juni die Botschaft für eine entsprechende Änderung des Strafgesetzbuchs (StGB). Es geht dabei um die gerade für die wirksame Bekämpfung des internationalen Drogenhandels eminent wichtige Bestrafung von Handlungen, die geeignet sind, das Auffinden und die Einziehung von Vermögenswerten, die aus Delikten stammen, zu verhindern. An der ursprünglich vorgesehenen und von den Banken vehement bekämpften Bestrafung von fahrlässig begangener Geldwäscherei hielt der Bundesrat nicht fest. Hingegen beantragte er die Schaffung einer neuen Strafnorm, welche bei Geldtransaktionen die Überprüfung der Identität der Kunden resp. deren Auftraggeber zur Vorschrift macht. Damit würde die bisherige privatrechtliche Sorgfaltspflichtvereinbarung der schweizerischen Banken in verschärfter Form ins öffentliche Recht überführt. Die für den Kampf gegen das internationale organisierte Verbrechen als sehr wichtig erachteten Vorschriften über die Einziehung von auf deliktische Weise erworbenen Vermögenswerten will die Regierung im Rahmen der Revision des Vermögensstrafrechts vorlegen [36].
Der Nationalrat stimmte dem neuen Gesetz bereits in der Wintersession ohne wichtige Abänderungen zu. Umstritten war vor allem die Frage, ob,die von der Regierung vorgeschlagene Uberführung der Sorgfaltspflicht ins Strafrecht einer Bestrafung von fahrlässig begangenen Taten vorzuziehen sei. Die bürgerliche Ratsmehrheit entschied sich gegen den Antrag der Linken für die bundesrätliche Lösung. Abgeordnete der SP und des Freisinns setzten sich im weitern dafür ein, dass nicht nur natürliche, sondern auch juristische Personen wegen Geldwäscherei bestraft werden können. Dass eine derartige Neuerung gerade im Kampf gegen das organisierte Verbrechen, das oft unter der Tarnkappe von anonymen Firmen operiert, erforderlich sei, wurde nicht bestritten. Bundesrat Koller und mit ihm eine knappe Ratsmehrheit waren jedoch der Ansicht, dass die entsprechenden Bestimmungen sowie eine neue Definition des Begriffs "kriminelle Vereinigung" unter Einbezug der neuen Erscheinungsformen des organisierten Verbrechens in den Allgemeinen Teil des StGB gehören. Eine entsprechende Motion Segond (fdp, GE) sowie ein Postulat der vorberatenden Kommission wurden ohne Widerspruch überwiesen [37].
 
[30] BZ, 25.4.89; Verh. B.rers., 1989, V, S. 29 und 96. Siehe auch Plädoyer, 7/1989, Nr. 5, S. 36 f.
[31] Verhandl. B. vers., 1989, V, S. 117; SZ, 13.12.89.
[32] NZZ, 25.1.89. Vgl. auch SPJ 1987, S. 22 f. und 1988, S. 26.
[33] BaZ, 6.6.89; sju-news, Nr. 121, Juni 1989, S. 4. Siehe auch unten, Teil I, 8a (Medienpolitische Grundfragen).
[34] Amtl. Bull. NR, 1989, S. 674 ff., 698 ff., 1035 ff. und 1222; Amtl. Bull. StR, 1989, S. 295 ff. und 410; AS, 1989, S. 2449 ff. Siehe auch Presse vom 8.6.89 und TA, 13.6.89. Referendumsdrohung: BBl, 1989, III, S. 1275 ff.; JdG, 5.7.89; Bund, 28.7.89.
[35] NZZ, 3.5. und 7.1 1.89. Vgl. auch SPJ 1987, S. 22 f. und 1988, S. 26.
[36] BBl, 1989, II, S. 1061 ff. Siehe auch TA, 2.3.89; SPJ 1988, S. 26 f. und 101 f. sowie unten Teil I, 4b (Banken). Die rasche Gangart des Bundesrates erlaubte es dem Nationalrat, eine in Sachen Geldwäscherei am 26.4.89 eingereichte Standesinitiative des Kantons Genf abzuschreiben (Amtl. Bull. NR, 1989, S. 1875 f.).
[37] Amtl. Bull. NR, 1989, S. 1843 ff. (Beratung) und S. 1873 ff. (Vorstösse).