Année politique Suisse 1989 : Eléments du système politique / Structures fédéralistes / Territorialfragen
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Jura
Die von der jurassischen Regierung eingereichte Beschwerde gegen die Plebiszite von 1974, welche dazu geführt hatten, dass sich der neue Kanton nur aus den drei nördlichen Bezirken zusammensetzt, wurde vom Bundesgericht noch nicht behandelt. Die Kantonsregierung reichte eine zusätzliche Beschwerde gegen die Vermögensaufteilung ein: auch diese müsse nach dem Aufdecken der von der Berner Regierung geführten "schwarzen Kassen" revidiert werden [8]. In der Frage der umstrittenen Kantonszugehörigkeit der Gemeinden Vellerat (BE) und Ederswiler (JU) wurde bekannt, dass das EJPD 1988 den beteiligten Kantonen einen Staatsvertrag über den Abtausch der beiden Orte vorgeschlagen hatte. Diese Lösung entspräche dem von der Berner Regierung bereits früher gemachten, aber von den jurassischen Behörden und der Gemeinde Vellerat stets abgelehnten Vorgehen [9].
Die im Vorjahr vom Rassemblement jurassien (RJ) im Kanton Jura lancierte Volksinitiative "Unir" konnte am 15. November mit 23 277 Unterschriften, das sind rund die Hälfte aller Stimmberechtigten, eingereicht werden. Sie verlangt in der Form einer nichtformulierten Gesetzesinitiative, dass sich die jurassischen Behörden mit Nachdruck für die Integration der bernisch gebliebenen südjurassischen Bezirke in den neuen Kanton einsetzen müssen. Das jurassische Kantonsparlament seinerseits stimmte oppositionslos einer Motion Roland Béguelins (sp) zu, welche die Regierung beauftragt, die "Stiftung für die Wiedervereinigung" mit einem Beitrag von 300 000 Fr. zu unterstützen. Auch der Gemeinderat von Moutier (BE) genehmigte einen Beitrag an diese von vielen jurassischen Gemeinden unterstützte Stiftung [10]. Das RJ stellte im weitern den ersten Teil einer Studie vor, welche die Vor- und Nachteile ökonomischer und sozialer Art bei der Gründung eines von der Schweiz unabhängigen jurassischen Kleinstaates nach dem Vorbild Liechtensteins aufzeigen soll [11].
Bernische Politiker und Politikerinnen reagierten auf die Motion des jurassischen Parlaments mit Protesten: Der Grosse Rat beauftragte die Kantonsregierung, sich beim Bundesrat gegen die "Annexionspolitik" des Kantons Jura einzusetzen, und im Nationalrat erkundigten sich bernische Abgeordnete beim Bundesrat mit Interpellationen über dessen Beurteilung der Situation [12].
Die Auseinandersetzung verlief aber nicht nur in demokratischen Bahnen. Grosses Aufsehen erregte die durch Brandstiftung erfolgte Zerstörung der alten Holzbrücke über die Aare bei Büren (BE). Indizien deuteten darauf hin, dass dieser Anschlag auf den ehemaligen Grenzübergang zwischen dem Fürstbistum Basel und der Republik Bern im Zusammenhang mit dem Prozess gegen einen Angehörigen der Organisation Bélier stand. Dieser war unmittelbar vorher wegen der Zerstörung eines historischen Brunnens in der Berner Altstadt verurteilt worden [13].
 
[8] Suisse, 22.3.89. Vgl. auch SPJ 1982, S. 20 und 1985, S. 29 (Vermögensteilung); NZZ, 9.1., 31.1. und 27.2.89 sowie SPJ 1987, S. 40 (Beschwerde gegen Plebiszite).
[9] Bund und Dém., 28.3.89. Vgl. auch SPJ 1986, S. 29 f.
[10] Initiative: Dém., 11.1. und 16.11.89; vgl. auch Le Jura libre, 26.1.89; NZZ, 30.11.89 und SPJ 1988, S. 40. Motion: Le Jura libre, 25.3. und 30.12.89; Suisse, 24.11.89; Bund, 25.11.89.
[11] Dém., 7.3.89; Le Jura libre, 8.3.89. Vgl. SPJ 1987, S. 37.
[12] Grosser Rat: BZ und Dém., 8.9.89. Interpellationen: Verhandl. B.vers., 1989, V, S. 54 (Aubry, fdp) und 100 f. (Rychen, svp).
[13] Presse vom 6.4.89. Vgl. auch Bund, 17.3.89 (Urteil); Le Jura libre, 30.3. (Protest des Bélier gegen das Urteil); SPJ 1986, S. 29.